Stefan Kuzmany

SPD-Sieg in Niedersachsen Sie leben

Na sowas, die Sozialdemokraten können doch noch Wahlen gewinnen. Zwar hat ihr Erfolg in Niedersachsen viel mit der speziellen dortigen Ausgangslage zu tun - dennoch ist er auch ein Fingerzeig für die Bundespolitik.
SPD-Spitze in Berlin nach der Niedersachsen-Wahl

SPD-Spitze in Berlin nach der Niedersachsen-Wahl

Foto: STEFANIE LOOS/ REUTERS

So kennt man die ja gar nicht. Es waren bizarre Bilder, die am Sonntagabend nach der Wahl in Niedersachsen in deutsche Wohnzimmer ausgestrahlt wurden: Der SPD-Generalsekretär Hubertus Heil: Strahlend. Die SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag Andrea Nahles: Gelöst lächelnd. Der Parteivorsitzende Martin Schulz: Heiter und gelassen. Auf der Bühne in der Berliner SPD-Zentrale war gar ein Mann zu sehen, der entfernt dem stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Ralf Stegner ähnelte, dessen Mundwinkel allerdings so weit nach oben zeigten, dass er praktisch nicht zu erkennen war.

Man reibt sich die Augen: Tatsächlich, die SPD kann noch gewinnen. Die 154 Jahre alte Partei ist also doch noch nicht verstorben. Aus dem tiefen Grab der 20 Prozent bei der Bundestagswahl hat sie sich wieder ausgegraben und wird in Niedersachsen mit gut 37 Prozent stärkste Kraft. Stephan Weil kann nach aller Wahrscheinlichkeit weiter regieren. Also alles wieder gut und Martin Schulz an der Parteispitze gerettet?

Naja. Landtagswahlen sind Landtagswahlen™, und diese Wahl in Niedersachsen war sogar noch etwas spezieller, als Landtagswahlen es normalerweise sind. Dem Amts- und damit Amtsbonusinhaber Weil stand ein eher unbekannter CDU-Spitzenkandidat namens Bernd Althusmann gegenüber, der bis zuletzt darum kämpfen musste, dass die Menschen im Land seinen Nachnamen richtig betont aussprechen. Keine große Hilfe war derweil seine Bundespartei, die nach dem grandios vergeigten Bundestagswahlsieg erstmal schwierigste Koalitionsverhandlungen durchstehen musste - mit der eigenen Schwesterpartei CSU.

Fotostrecke

Niedersachsen-Wahl: Weil gegen Althusmann

Foto: Julian Stratenschulte/ dpa

Ausgelöst worden war die vorgezogene Landtagswahl vom Parteiübertritt der ehemaligen Grünen Elke Twesten, die damit die Regierungsmehrheit zum Kippen brachte. Pech für Althusmann, dass diese Überläuferin ihren Abgang dermaßen selbstsüchtig wirkend inszeniert hatte, dass mancher Niedersachse ihre neue Heimat CDU wohl schon aus prinzipiellen Gründen des Anstands nicht belohnen wollte. Unsympathischer hätte dieser Wahlkampf nicht starten können.

Klar unterscheidbar, klar verortet

Und trotzdem dürfen auch Martin Schulz und seine Bundes-SPD aus dem Ergebnis in Niedersachsen Hoffnung schöpfen. Denn es scheint ihren Kurs zu bestätigen. In Niedersachsen stehen sich Union und Sozialdemokraten traditionell in herzlicher Abneigung gegenüber, sie waren im Wahlkampf deutlich unterscheidbar - so haben sie die AfD klein gehalten, so hat die SPD 167.000 Nichtwähler aktiviert und auch deshalb darf sie sich auch nach dieser Wahl noch Volkspartei nennen. Weils rot-grüne Regierung war zudem ein klar verortetes politisches Angebot - und insofern das Gegenteil der faden großkoalitionären Suppe, als deren abgekochte Zutat sich die Sozialdemokraten im Bund viel zu lange hergegeben haben.

Lässt seine Partei Martin Schulz jetzt - anders als im fatalen Wahlkampf - endlich den Martin Schulz sein, als der er als Parteivorsitzender angetreten war, könnte die SPD in vier Jahren tatsächlich wieder eine Machtoption bekommen.

So kennt man die ja gar nicht.

SPIEGEL ONLINE
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten