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SPD-Jubiläum in Berlin: Der Traum von der Aufholjagd

Foto: Stephanie Pilick/ dpa

Wahlkampf mit Schröder Steinbrück startet zur großen Offensive

Jetzt gilt es für die SPD. Mit einem rauschenden Fest beginnen die Genossen die heiße Wahlkampfphase. Spitzenkandidat Steinbrück steht vor einer wichtigen Woche, mit Altkanzler Schröder will er um Stimmen buhlen. Doch Debatten über Steuern und Machtoptionen könnten die Partei bremsen.

Berlin - Es gibt sie also doch noch, die Troika der SPD. Als Peer Steinbrück am Sonntagmorgen ein paar Kindern Michael Endes "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" vorliest, erscheinen plötzlich Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier im Lesezelt. Sie haben da noch etwas vorbereitet: Die drei SPD-Größen tragen zum Abschluss des "Deutschlandfestes" aus den Bremer Stadtmusikanten vor. Nur wer ist wer?

"Klar war, der Hahn ist Peer", sagt Gabriel zur Rollenverteilung. "Ich war sehr dankbar, dass Frank den Esel übernommen hat", sagt Steinbrück. "Das ist eine tragende Rolle", witzelt Steinmeier. Gelächter.

Dieses Geburtstagsfest, so viel lässt sich sagen, hat den Sozialdemokraten ganz gutgetan. Ein paar hunderttausend Besucher sind an beiden Tagen ans Brandenburger Tor gekommen, das dürfte auch die Union registriert haben. Das Wetter hat mitgespielt, Steinbrück hat eine ordentliche Rede gehalten, die Wahlkämpfer fahren mit einem guten Gefühl nach Hause. Sie wissen wieder ein bisschen besser, wofür sie sich anstrengen sollen.

Das alles ändert freilich noch nichts an der Situation. Die ist ausbaufähig, das wissen alle Beteiligten. Aber es soll jetzt doch noch mal losgehen mit dem Wahlkampf. Und das gilt vor allem für Steinbrück selbst, auch wenn schon der Samstag ihn geschafft hat. "Ich bin gestern um viertel nach neun ins Bett gegangen", sagt er.

In der SPD hofft man auf das TV-Duell

Am Montagabend steht gleich der nächste große Auftritt auf dem Programm. Wie schon Steinmeier 2009 hält Steinbrück vor der Karl-Schiller-Stiftung in Berlin eine Grundsatzrede zur Wirtschaftspolitik. Danach geht der 66-Jährige "auf die Straße", wie seine Leute sagen. Steinbrück reist quer durch die Republik, besucht Seniorentreffs, Bibliotheken, Pflegezentren. Er träumt von der Aufholjagd.

Dabei setzt er vor allem auf die Hilfe eines Mannes: Gerhard Schröder. Die Wahlkämpfe des Altkanzlers gelten vielen in der SPD bis heute als unerreicht, und auch Steinbrück hofft, dass Schröder seiner Kampagne einen Ruck gibt. Drei Mal treten sie in der kommenden Woche gemeinsam auf, in Detmold, Hannover, sowie im nordrhein-westfälischen Langenfeld.

Schon im Niedersachsen-Wahlkampf Anfang des Jahres hatte Schröders Engagement gut funktioniert, aber klar ist auch, dass die Hilfe des Altkanzlers nicht ganz ohne Risiko ist. Schröders Erbe ist innerparteilich höchst umstritten, insofern gilt es, den Reformer dosiert einzusetzen. Gleichzeitig weiß man, dass das mit dem Dosieren bei Schröder so eine Sache ist. Legt er los, ist er nicht zu halten. Bei den Kombiterminen könnte Steinbrück schnell schlecht aussehen neben seinem Parteifreund.

In der SPD-Spitze hofft man, dass Steinbrück sich im Verlauf der nächsten beiden Wochen bis zum TV-Duell umfragetechnisch zumindest ein wenig erholt. Der Fernsehtermin am 1. September, drei Wochen vor der Bundestagswahl, gilt in der Partei als letzte echte Chance des Kandidaten, das Rennen gegen Angela Merkel wieder offen zu gestalten. Kurz vorher will man einen Akzent setzen. Steinbrück will sein 100-Tage-Programm veröffentlichen, in dem er die Kernthemen für die Anfangszeit seiner möglichen Kanzlerschaft skizziert.

Das Drehbuch für die letzten Wochen steht also, aber was ist schon ein Drehbuch, wenn im Hintergrund eine lästige Debatte über eine Große Koalition schwelt und ein Ex-Parteichef öffentlich mit Steinbrücks Kampagne abrechnet und damit die Diskussion über die Verantwortung für die drohende Niederlage beginnt. Die letzten Wochen haben die SPD zusätzlich verunsichert, und schon droht neuer Ärger - diesmal inhaltlicher Art.

Auf einmal ist von Steuersenkungen die Rede

Am Wochenende äußerten sich Steinbrück und Gabriel zu den im Programm angestrebten Steuererhöhungen - aber nicht so, wie man es zuletzt gehört hatte. Beide betonten plötzlich, auch Steuersenkungen seien mit der SPD zu machen - wenn man es denn schaffe, die Steuerflucht erfolgreicher zu bekämpfen. "Die Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerdumping ist der bessere Weg zum Schuldenabbau", sagte Gabriel dem SPIEGEL.

Ein Versuch, die Tonlage anzupassen, um sich im Wahlkampf, und wohl auch im Fernsehduell etwas weniger angreifbar zu machen? Oder eine Abkehr von den Beschlüssen der Partei?

Das wäre, fünf Wochen vor der Wahl, ein heikles Manöver. Die Parteilinke gab sich am Sonntag intern irritiert. Für sie sind die geplanten Steuererhöhungen unantastbar. Steinbrück beeilte sich denn auch, eine Debatte gar nicht erst aufkommen zu lassen. "Die Vorstellung der SPD ist nach wie vor: Wir wollen nicht alle Steuern für alle, aber einige Steuern für einige erhöhen", sagte er dem Fernsehsender n-tv. Die Bilder vom rauschenden Fest sollen möglichst nicht getrübt werden.

Steinbrück scheint recht zufrieden, als er am Mittag die Party verlässt. Seine Frau sowieso. Gertrud Steinbrück ist das ganze Wochenende tapfer für ihren Mann unterwegs, mischt sich mit ihm unter die Leute, liest mit ihm aus "Jim Knopf". Das reicht dann aber auch erst mal wieder mit Wahlkampf.

"Ich gehe jetzt schwimmen im Plötzensee", sagt sie.

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