Fortbestand der GroKo "Man muss jetzt auf alles gefasst sein"

Steht die GroKo vor dem Aus?
Foto: DPA/Kay NietfeldSaskia Esken war erst wenige Stunden Vorsitzende der SPD, als sie in den ARD-Tagesthemen einen Punkt besonders betonte. Sie und der designierte Co-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans planten beim Thema Regierungskoalition "keinen Alleingang", sondern einen gemeinsamen Kurs mit der Bundestagsfraktion und den SPD-Ministern. Im Klartext heißt das: Esken will keinen Bruch der Großen Koalition. Vorerst jedenfalls.
Sicher ist: Die SPD wird künftig eine andere Partei sein. Doch was für eine?
Die Sorge über einen Koalitionsbruch nach der überraschenden Wahl des neuen Führungsduos an der Spitze der SPD ist groß: "Die Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans ist ein klarer Fingerzeig der SPD-Basis gegen ein Weiter-so der Großen Koalition", sagte der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger. Und er warnte, dass sich die Union nun nicht "auf neue utopische Forderungen der Sozialdemokraten nur um des Machterhalts willen einlassen" dürfe.
CDU und CSU hätten in der Vergangenheit schon genügend Vorleistungen erbracht. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer dürfe auf keinen Fall weitere Zugeständnisse machen, "auch wenn das eine vorübergehende Minderheitsregierung oder sogar Neuwahlen zur Folge hätte", sagte Steiger.
"Wieder politische Meinungsführerschaft erlangen"
Der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte die SPD auf, auch mit den GroKo-Kritikern Esken und Walter-Borjans an ihrer Spitze an der Koalition mit der Union festzuhalten. DGB-Chef Reiner Hoffmann sagte der "Bild am Sonntag": "Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sollten die Regierung in der zweiten Halbzeit nach Kräften unterstützen, um die offenen Projekte aus dem Koalitionsvertrag erfolgreich umzusetzen." Außerdem müssten sie jetzt die SPD programmatisch erneuern, "damit sie wieder die politische Meinungsführerschaft im Land gewinnt".
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Dieter Kempf, forderte Klarheit von der neuen Führung: "Der Wahlausgang in der SPD schafft weitere Unsicherheit mit Blick auf den Fortbestand der großen Koalition", sagte er der Zeitung. "Wir können uns keine langwierigen Hängepartien in Berlin leisten." Er appelliere an die Verantwortung aller Beteiligten, "rasch klare Verhältnisse zu schaffen, denn es sind noch große Herausforderungen zu stemmen".
"Man muss jetzt auf alles gefasst sein"
Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans nannte das Votum der SPD-Basis für die GroKo-Kritiker Esken und Walter-Borjans problematisch. "Es passt zum Selbstzerstörungsmodus der SPD", sagte der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Für die Union gelte: "Ruhe bewahren, aber standhaft bleiben". Neuverhandlungen zum Koalitionsvertrag werde es nicht geben.
Der niedersächsische CDU-Vorsitzende Bernd Althusmann forderte, die SPD müsse Klarheit schaffen, ob sie an der Koalition festhalte. "Die Große Koalition steht jetzt womöglich vor der Entscheidung über ihre Fortsetzung", sagte er dem RND. Deutschland müsse stabil und verlässlich regiert werden. "Wer das weiterhin will, sollte es klar sagen. Wer das nicht will, sollte es genauso ehrlich sagen."
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Axel Fischer sagte der dpa, die SPD-Basis habe sich für einen deutlichen Linksruck der eigenen Partei entschieden. "Damit hat sie den Prozess der kreativen Selbstzerstörung eingeleitet. Man muss jetzt auf alles gefasst sein. Wir sind auf alles vorbereitet."
"Es geht jetzt um die Existenz der Partei"
Der frühere SPD-Chef Martin Schulz warnte davor, die große Koalition überstürzt zu verlassen. "Mein Ratschlag ist, das Heil nicht in der Flucht aus der Regierung zu suchen, sondern in der Gestaltungskraft der SPD in der Regierung", sagte der Politiker dem "Tagesspiegel". Er verwies auf die großen Herausforderungen in Europa und der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft Mitte 2020 durch Deutschland. "Dies ist ein Auftrag, die Partei zu führen, aber auch ein Auftrag an die Partei, sie zu unterstützen."
"Es geht jetzt um die Existenz der Partei", sagte Schulz. Persönliche Feindschaften würden in der SPD eine zu große Rolle spielen. "Wir müssen aufhören, öffentlich übereinander herzuziehen", sagte er und fügte hinzu: "Eine Partei, die für Respekt, Würde und Toleranz kämpft, sich aber nach innen intolerant, respektlos, würdelos verhält, verliert jede Glaubwürdigkeit."