- • Unionsstreit: Merkel und Seehofer finden Kompromiss
- • Drei-Punkte-Plan: Der Kompromiss im Wortlaut
Olaf Scholz und Andrea Nahles
Foto: Jörg Carstensen/ dpaDie SPD hat die Einigung von CDU und CSU im Asylstreit begrüßt, dem Kompromiss aber noch nicht zugestimmt. Dieser sei zunächst nur andiskutiert worden, sagte die Parteivorsitzende Andrea Nahles in der Nacht zum Dienstag nach einem Koalitionsausschuss von Union und SPD. Es gebe noch viele Fragen, die die SPD mit ihren Fachleuten und den Gremien der Partei an diesem Dienstag erörtern wolle. Um 18 Uhr werde es einen weiteren Koalitionsausschuss geben.
Es sei aber gut, dass sich CDU und CSU verständigt hätten, sagte Nahles. "Wir finden das deswegen gut, weil wir jetzt wieder auf der Ebene der Sacharbeit sind. Das haben wir in den letzten Wochen schmerzlich vermisst."
Zuvor hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) im Asylstreit geeinigt. Sie wollen nun Transitzentren für bereits in anderen EU-Ländern registrierte Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze einrichten. Aus diesen Zentren sollen Asylbewerber direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden, heißt es in der Vereinbarung von CDU und CSU vom späten Montagabend (den Kompromiss im Wortlaut finden Sie hier).
Video: Merkel zum Asyl-Kompromiss - "Das ist genau das, was mir wichtig war"
Schon 2015 hatten CDU und CSU Transitzentren gefordert - die Sozialdemokraten wehrten sich damals vehement. Die Partei sprach sich zuletzt für beschleunigte Verfahren von etwa einer Woche für Flüchtlinge aus, die schon in einem anderen EU-Staat registriert worden sind. Man wolle nur vermeiden, dass es bei einer Abweisung an der deutschen Grenze in Europa herumvagabundierende Menschen gebe, für die sich niemand zuständig fühle. Grundlage für das sogenannte Flughafenverfahren mit raschen Abschiebungen ist der Paragraf 18 des Asylgesetzes.
In dem Asylstreit der Union hatte zuletzt nicht nur die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU im Bundestag auf dem Spiel gestanden, sondern auch die Große Koalition.
Nahles sagte nun, nach dem Verständnis der SPD sehe der Vorschlag der Union so aus wie ein Verfahren für eine kleinere Gruppe. Es solle offenbar analog zum Flughafenverfahren abgewickelt werden. Die Details würden nun im Laufe des Tages besprochen. "Wir nehmen uns jetzt die Zeit, die wir brauchen, um da zu einer Entscheidung zu kommen."
Ebenso wie Nahles begrüßte auch Vizekanzler Olaf Scholz, dass es mit dem Kompromiss der Unionsparteien nun wieder möglich sei, zur Sacharbeit zurückzukehren. "Wir sind weg von der Psychologie und wieder bei der Sache."
"Wo bleibt die Reaktion der SPD?"
Deutliche Kritik kam hingegen von Juso-Chef Kevin Kühnert: "Die SPD hat geschlossenen Lagern eine deutliche Absage erteilt. Egal ob in Nordafrika, an der europäischen Außengrenze oder in Passau." Der Bundesvorsitzende der AG Migration in der SPD, Aziz Bozkurt, sagte der Zeitung "Welt", die Transitzentren seien nicht vom Koalitionsvertrag gedeckt. "Und ehrlich gesagt soll mal einer erklären, wie dieses komische Konstrukt funktionieren soll. Unpraktikabel und wieder voll auf AfD-Spur."
Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, nannte die Transitzentren "de facto Masseninternierungslager". Die Menschlichkeit bleibe auf der Strecke. "Wo bleibt die Reaktion der SPD?" Die Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock fordert von der SPD ebenfalls, "endlich Farbe zu bekennen": "Wer Humanität gegen angebliche Ordnung ausspielt, wird am Ende beides verlieren."
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Schock für CDU und CSU: Mit seiner überraschenden Rücktrittsankündigung am späten Sonntagabend sorgte Horst Seehofer für einen neuen Höhepunkt im Asylstreit der Union. Der darauffolgende Montag entwickelte sich zum regelrechten Nervenkrieg.
Bricht die Koalition auseinander? Am Vormittag schien alles möglich. Die Lage war extrem ernst. An den wichtigen Schaltstellen in der Union wurde nach Lösungen gesucht. Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer am Handy im Bundestag.
Höfliche Begrüßung - mehr nicht: Kanzlerin Merkel und Alexander Dobrindt, Landesgruppenchef der CSU bei der Sitzung der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.
Suche nach Lösungen: Die Unionsabgeordneten drängten ihre Parteispitzen auf eine Einigung. Immer wieder wurde der Wert der Fraktionsgemeinschaft beschworen, eine "Schicksalsgemeinschaft". CDU-Fraktionschef Volker Kauder fuhr nach der Fraktionssitzung ins Konrad-Adenauer-Haus.
Sogar der Bundestagspräsident schaltete sich ein. Überraschend kamen Kanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer am Nachmittag für etwa eine Stunde im Büro von Wolfgang Schäuble zusammen.
Nach dem Gespräch bei Schäuble: Kanzlerin Merkel schien fast gelöst nach dem Termin. Er soll Merkel und Seehofer gleichermaßen ins Gewissen geredet haben, was es für die Parteienlandschaft bedeuten würde, sollte die Unionsgemeinschaft zerbrechen.
Kurz vor dem Krisengespräch zwischen den Verhandlungsdelegationen von CDU und CSU: Die Presse wartet bereits vor dem Konrad-Adenauer-Haus.
Ministerpräsident Markus Söder und der ehemalige Ministerpräsident Edmund Stoiber auf dem Weg zum Krisengespräch in der CDU-Zentrale.
Seehofer verschärfte kurz vor Beginn des Gesprächs noch einmal den Ton: "Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist", sagt er der "Süddeutschen Zeitung". Andere CSU-Politiker hatten da schon längst versöhnliche Töne angeschlagen.
Stunden später: Horst Seehofer verkündet den Kompromiss - und seinen Verbleib im Amt. Die Union setzt jetzt auf Transitzentren.
Angela Merkel zeigte sich zufrieden mit der Einigung im Unionskonflikt. Nach "hartem Ringen" um die Asylpolitik hätten CDU und CSU einen guten Kompromiss gefunden.
Für den Kompromiss braucht es noch die SPD. Schließlich gehört sie als dritte Partei der Regierung an. Die Sozialdemokraten hatten sich 2015 gegen Transitzentren gewehrt. Im Anschluss an das Unionskrisentreffen kamen die Spitzen von CDU und CSU am späten Montagabend mit den SPD-Kollegen zusammen.
Auf dem Weg in die Koalitionsrunde: Gegen 22.30 Uhr traf Innenminister Seehofer zur Runde mit den Koalitionspartnern ein.
"Noch viele Fragen offen": Nahles und Scholz am frühen Dienstagmorgen nach dem Koalitionsausschuss. Die SPD hat zur Einigung der Union auf Transitzentren weiteren Diskussionsbedarf. Es sei aber gut, dass sich CDU und CSU verständigt hätten. "Wir sind weg von der Psychologie und wieder bei der Sache", sagt Vizekanzler Scholz.
Wer am Ende Gewinner oder Verlierer der Asylkrise in der Union sein wird, ist noch unklar.
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