SPIEGEL-Gesprächsreihe Von der Leyen freut sich auf Bundespräsident Gauck
Hamburg - Das Telefon hat bei Ursula von der Leyen also nicht geklingelt, als es nach dem Rücktritt von Christian Wulff um die Frage ging, wer als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten zur Verfügung stehen könnte. Sie habe sich einen solchen Anruf aber auch gar nicht gewünscht, sagte die Arbeitsministerin und CDU-Politikerin in der von SPIEGEL und Körber-Stiftung veranstalteten Gesprächsreihe "Der Montag an der Spitze". Sie sei schon einmal "durch die Waschmaschine durchgenudelt worden", das reiche ihr.
Von der Leyen war 2010 lange als Favoritin im Kreis der möglichen Kandidaten von Union und FDP gehandelt worden, dann wurde aber überraschend Christian Wulff nominiert. Sie freue sich nun auf Joachim Gauck im höchsten Staatsamt. "Ich bin neugierig und ich bin gespannt", sagte von der Leyen über den 72-Jährigen, auf den sich Union, FDP, SPD und Grüne als Konsenskandidaten geeinigt haben, er soll am 18. März zum neuen Bundespräsidenten gewählt werden.
Die Ministerin betonte, dass die Machtprobe zwischen FDP-Chef Philipp Rösler und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Suche nach einem Bundespräsidentenkandidaten nicht zu einem dauerhaften Vertrauensverlust geführt habe. Man könne zwar darüber streiten, "wie der Stil war", räumte von der Leyen ein, aber dauerhafte Irritationen zwischen den Koalitionspartnern wären "völlig überzogen". Die Regierung habe "so viele kritische Entscheidungen zu treffen, dass man sich so etwas gar nicht leisten kann". Rösler hatte sich in der Kandidatendebatte überraschend für Gauck ausgesprochen, Merkel galt zunächst als Gegnerin einer Gauck-Kandidatur.
In dem Gespräch mit SPIEGEL-Chefredakteur Georg Mascolo und Britta Sandberg, der stellvertretenden Ressortleiterin Ausland, äußerte sich von der Leyen auch über die Anforderungen an Arbeitnehmer im Zeitalter von Handy und Internet: Arbeitnehmer seien durch moderne Technik inzwischen rund um die Uhr verfügbar, dies habe auch negative Konsequenzen: Jede dritte Erwerbsminderungsrente werde wegen psychischer Erkrankungen ausgesprochen, "das sind Zahlen, die aufrütteln müssen." Wenn sie ihre Wochenenden mit der Familie zu Hause verbringe, schalte sie bewusst Computer, Radio und Fernseher gar nicht erst ein. "No news are good news", nannte sie ihre Devise für freie Wochenenden. "Wir müssen aufpassen, dass wir weiterhin die Technik beherrschen und dass wir nicht von ihr beherrscht werden." So habe zum Beispiel der Autokonzern VW damit begonnen, eine halbe Stunde nach Dienstschluss seiner Mitarbeiter keine E-Mails mehr auf deren Smartphones weiterzuleiten.
Von der Leyen sprach sich erneut für eine höheren Anteil von Frauen in Führungspositionen aus. Durch "gemischte Teams" würden Unternehmen deutlich bessere Ergebnisse erzielen.
Eigentlich findet "Der Montag an der Spitze" immer am letzten Montag eines Monats statt. Wegen der Abstimmung über das Griechenland-Paket im Bundestag wurde die Runde um einen Tag vorgezogen. Von der Leyen wandte sich in dem Gespräch auch gegen den Vorschlag von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der Griechenland im SPIEGEL den Austritt aus dem Euro nahegelegt hatte. Man solle jetzt Weitblick walten lassen, damit Griechenland "nicht ins Armenhaus geschickt werde", sagte von der Leyen.
Die nächste Veranstaltung in der Reihe "Der Montag an der Spitze" findet am 26. März statt, als Gast wird Außenminister a. D. Joschka Fischer erwartet.