SPIEGEL-Projekt Republik 21 Fake News, Hatespeech, Shitstorms – was Sie dagegen tun können

Wie wollen wir miteinander reden – und was lässt sich Fake News und ausuferndem Hass im Netz entgegensetzen? Darüber hat der SPIEGEL mit Fachleuten, Politikern und Lesern debattiert.

»Kopfschuss!«

»Du bist eine ganz kranke elende Fotze. Masken Faschistin du.«

So lauten nur zwei der unzähligen Hassbotschaften, die SPIEGEL-Leserinnen und -Leser wie Berufsmusiker Tommy oder Influencerinnen und Influencer wie Louisa Dellert täglich im Netz erhalten. Wie die Anfeindungen während der Coronapandemie immmer weiter eskalierten, erzählten die beiden und viele andere Betroffene SPIEGEL-Redakteurin Rachelle Pouplier für eine Videoreportage.

Auch Politiker wie der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach werden seit Ausbruch der Pandemie in nie gekanntem Maße attackiert – im Netz, aber auch im realen Leben. Das berichtete Lauterbach auf einer virtuellen SPIEGEL-Veranstaltung. »Es ist zum ersten Mal, dass ich das Gefühl habe, hier sind wirklich gewaltbereite Menschen dabei, die mich und meine Familie in einer Art und Weise bedrohen, wie ich das noch nie erlebt habe.« Einige Tage später twitterte er, Unbekannte hätten sein Auto mit einem Farbeimer attackiert.

Digitaler Hass, aber auch die Verbreitung von Fake News und Desinformationskampagnen im Netz haben nicht erst in der Coronakrise bedrohliche Ausmaße angenommen – das ist das bedrückende erste Fazit des SPIEGEL-Projektes Republik 21. Doch wir sind als Gesellschaft nicht hilflos im Kampf gegen Shitstorms, Falschnachrichten und Hatespeech. Auch das haben unsere Recherchen und Diskussionen mit Fachleuten, Politikern, Leserinnen und Lesern gezeigt.

Alle Artikel zu Republik 21

Bis zur Bundestagswahl nehmen wir uns nacheinander große Fragen aus Politik und Gesellschaft vor – und laden zum Diskutieren und Mitmachen ein. Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Frage: »Wie wollen wir miteinander reden?« 

Zur Erinnerung: Bei Republik 21 widmet sich der SPIEGEL bis zur Bundestagswahl den großen politischen Themen unserer Zeit – und lädt seine Leserinnen und Leser zum Mitdiskutieren ein. In Foren, in Videoreportagen und Podcasts, bei Fragestunden mit Redakteurinnen und Redakteuren auf Instagram und auf der SPIEGEL-Website und auch bei virtuellen Veranstaltungen mit Prominenten und Politikern, zu denen wir exklusiv Abonnentinnen und Abonnenten einladen.

Die erste Frage, der sich das Projekt widmete, lautete: Wie wollen wir miteinander reden?

Viele unserer Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner konstatierten, die Debattenkultur im Netz habe mit der Coronakrise weiter gelitten, sei teils entgleist. Zudem habe der Hass längst auch auf das reale Leben übergegriffen.

»Für Frauen und migrantische Gruppen hat der digitale Hass oft reale Konsequenzen«, sagte unsere Kollegin Pouplier nach ihrer Recherche. Viele fühlen sich dabei alleingelassen. Die Comedyautorin Jasmina Kuhnke etwa musste sogar umziehen, weil Personen ihre Privatadresse herausfanden und Kuhnkes Familie vor Ort belästigten und bedrohten. Aber auch Kinder und Jugendliche wünschen sich mehr Unterstützung, »beispielsweise durch die Schulen«, sagt Pouplier.

Josephine Ballon, Rechtsanwältin bei der Hilfsorganisation HateAid, ermutigte in verschiedenen Republik-21-Formaten, sich bei Beratungsstellen Hilfe zu suchen und gegen aggressive Angriffe im Netz konsequent Strafanzeige zu stellen. »Denn nur so landen sie in den Statistiken«, sagt Ballon. Wird ein Täter oder eine Täterin identifiziert, können Betroffene auf zivilrechtlichem Weg verlangen, dass bestimmte Äußerungen gelöscht werden und unter Umständen sogar Schadensersatz einklagen.

Auch der Verbreitung von Fake News kann jeder und jede Bürgerin etwas entgegensetzen. Die Journalistin und Fake-News-Expertin Ingrid Brodnig empfahl etwa bei einer Diskussion in der SPIEGEL-Community, man könne potenzielle Falschmeldungen den Faktencheck-Webseiten Mimikama.at  oder correctiv.org  schicken. Auch der SPIEGEL sei eine Anlaufstelle, wenn eine gezielte Falschmeldung eine bestimmte Reichweite erlange, ergänzte SPIEGEL-Redakteurin Ann-Katrin Müller in dem Chat: »Wir würden uns dann anschauen, zu welchem Zweck jene Falschnachricht verbreitet wird.«

Leicht erkennen lassen sich gefakte Nachrichten, gefälschte Fotos oder manipulierte Audio- und Videonews leider nicht unbedingt, stellte Stimmenfang-Reporter Marius Mestermann bei der Recherche für seinen jüngsten Stimmenfang-Podcast fest. Gezielte und sehr geschickt gemachte digitale Desinformationskampagnen sind längst auch in der Weltpolitik ein Problem.

Podcast Cover

Und selbst wenn beispielsweise Bilder einmal als gefälscht erkannt und auf der Ursprungsseite gelöscht sind: Was einmal im Netz ist, verbreitet sich unkontrollierbar. Das zeigt etwa ein manipuliertes Foto einer Fridays-for-Future-Demonstration. Jemand hatte auf ihre Plakate Botschaften wie »Strom und Benzin sind nicht teuer genug« montiert.

Ein AfD-Kreisverband postete das veränderte Foto auf seiner Seite gepostet und löschte es später wieder – im Netz aber kursiert es weiter. Umso wichtiger ist es, als User und Userin kritisch mit Informationen umzugehen, konstatiert Mestermann. Vor allem, wenn sie total überraschend und unwahrscheinlich sind und von einer unbekannten Quelle kommen.

Mit diesen Erkenntnissen stellt der SPIEGEL sich und seinen Leserinnen und Lesern nun die nächste Leitfrage im Projekt Republik 21: Wie wird Deutschland gerechter?

Diskutieren Sie mit! Zum Beispiel heute um 17 Uhr in der SPIEGEL Arena.

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