SPIEGEL-Regierungsmonitor Spahn rutscht ab

Gesundheitsminister Jens Spahn wird zum Krisenverlierer
Foto: Fabian Sommer / dpaDie dritte Infektionswelle ist in Deutschland gestartet, die Coronakrise strebt einem neuen, negativen Höhepunkt entgegen. Die Bundesregierung und ihre Mitglieder, die noch im vergangenen Jahr einen Vertrauensvorschuss im Kampf gegen die Pandemie erhielten, werden zunehmend unbeliebter.
Kein Regierungsmitglied verliert dabei gegenwärtig so stark an Popularität wie Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Das zeigt eine aktuelle Auswertung des SPIEGEL-Regierungsmonitors.
Noch im Dezember lag Spahn auf Platz 2 hinter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und wurde als möglicher Kanzlerkandidat gehandelt. Nun kommt er nur noch auf Platz 6.
Trotz verfehlter Impfstoff-Einkaufspolitik der EU-Kommission kündigte Spahn im Januar auf einer Unionsfraktionssitzung laut Teilnehmern an, jedem Bürger und jeder Bürgerin wohl im zweiten Quartal 2021 ein Impfangebot machen zu können.
Ein Sprecher Spahns dementiert diese Darstellung. Die Bundesregierung gehe davon aus, im Sommer ein solches Impfangebot machen zu können. Das sei seit Jahresbeginn genauso angekündigt worden.
Kanzlerin Angela Merkel spricht von einem Angebot bis zum Ende des Sommers, womit das kalendarische Ende am 21. September gemeint ist. Sie hat das nach dem Impfgipfel Anfang Februar betont.
Zuletzt versprach Spahn kostenlose Schnelltests für alle ab dem 1. März – auch hier musste er kurz darauf zurückrudern.
Zudem steht Spahn in diesen Tagen in der Kritik. Am Freitag berichtete der SPIEGEL von einem Unternehmerdinner, an dem Spahn Ende Oktober teilnahm, obwohl er damals kurz zuvor selbst vor privaten Zusammenkünften gewarnt hatte.
Laut Regierungsmonitor sind 40 Prozent der Deutschen »sehr unzufrieden« mit Spahns Agieren, 17 Prozent sind »eher unzufrieden«. »Eher zufrieden« ist immerhin noch rund ein Viertel, »sehr zufrieden« sind aber nur noch 8 Prozent. Spahn hat im Vergleich zum Dezember 65 Punkte verloren.
Der SPIEGEL-Regierungsmonitor misst in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey die Zufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierung, den Koalitionsparteien und vor allem mit den einzelnen Ministerinnen und Ministern sowie der Kanzlerin. Um die repräsentativen Bewertungen vergleichen zu können, arbeitet Civey mit einem Scoringverfahren. (Lesen Sie hier mehr zum Verfahren.) Der bestmögliche Index beträgt 200, das schwächste Ergebnis wäre -200.
Spahn büßt nicht nur im Regierungsmonitor an Beliebtheit ein. Laut einer weiteren Umfrage finden 54 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, dass Spahn während der Coronakrise »nicht souverän« agiere.
Unter CDU/CSU-Anhängern sehen noch 39 Prozent der Befragten den Gesundheitsminister als »souverän« an, unter Grünenanhängern finden das immerhin noch 20 Prozent.
Die Zufriedenheit mit der Arbeit der Regierung fiel um 45 Punkte auf einen Wert von -34. Zudem erreicht keines der Kabinettsmitglieder noch einen positiven Indexwert, im Dezember war das bei Merkel und Spahn noch der Fall gewesen.
Die Kanzlerin liegt zwar nach wie vor auf Platz 1, aber statt eines Werts von 41 Punkten liegt sie nun bei -2 und hat somit 43 Punkte eingebüßt.
Überraschend positiv wird Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) wahrgenommen. Auch er erreicht zwar nur einen Wert von -22, aber er rückt von Platz 5 auf Platz 2 vor. In den vergangenen Wochen hatte er sich für eine weltweite Impfstrategie eingesetzt, die auch die Länder des Globalen Südens einschließen müsse.
Auf den Rängen 3, 4 und 5 finden sich die drei SPD-Minister: Arbeitsminister Hubertus Heil, Vizekanzler Olaf Scholz und Außenminister Heiko Maas. Doch auch der Kanzlerkandidat Scholz hat im Vergleich zum Dezember an Beliebtheit verloren, er büßt 33 Punkte ein.
Familienministerin Franziska Giffey (SPD) landet in der Gesamtwertung weiter auf Rang 7, aber sie verliert im Vergleich zum Dezember an Zustimmung und büßt 17 Punkte ein. Giffey tritt im September als Spitzenkandidatin der SPD in Berlin bei der Abgeordnetenhauswahl an , sie will als Regierende Bürgermeisterin ins Rote Rathaus einziehen.
Ebenfalls verschlechtert hat sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Er rutscht von Rang 9 auf Rang 10 und verliert 28 Punkte. Schlusslicht bleibt Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), sein Indexwert hat sich im Vergleich zum Dezember von -152 auf -157 verschlechtert. Der Verkehrsminister steht vor allem wegen des Mautdebakel s seit Monaten in der Kritik.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, Jens Spahn habe anfangs versprochen, jedem Bürger und jeder Bürgerin bis Ende des zweiten Quartals ein Impfangebot machen zu können. Da er diese Aussage nicht öffentlich machte, sondern nach SPIEGEL-Informationen während einer Unionsfraktionssitzung im Januar, haben wir diese Passage mit Verweis auf die Sitzung und einer Reaktion seines Sprechers entsprechend präzisiert.