SPIEGEL-Umfrage Hälfte der Deutschen befürwortet Genderverbot für staatliche Stellen

Sollte das Binnen-I in Behördenpost oder der Genderstern an Schulen untersagt werden? Der Vorschlag stößt laut einer SPIEGEL-Umfrage auf viel Zustimmung. Besonders für linke Parteien ist das Thema brisant.
Staatlichen Stellen das Verwenden von Genderstern oder Binnen-I per Gesetz verbieten? Der Vorschlag stößt mehrheitlich auf Zustimmung

Staatlichen Stellen das Verwenden von Genderstern oder Binnen-I per Gesetz verbieten? Der Vorschlag stößt mehrheitlich auf Zustimmung

Foto: kzenon / iStockphoto / Getty Images

Sie mag nicht die wichtigste Frage unserer Zeit sein, hat aber trotzdem das Zeug, zum Renner im Bundestagswahlkampf zu werden: Geschlechtergerechte Sprache ist ein Reizthema – und es gibt schon konkrete Vorstöße.

Die Schreibweisen seien ideologisch motiviert, grammatikalisch falsch, betonten das Trennende, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß im SPIEGEL-Interview . Seine Forderung, staatlichen Stellen das Gendern gesetzlich zu verbieten, löste heftige Reaktionen aus.

Kritik kam etwa von SPD-Chefin Saskia Esken, die der CDU vorwarf, vom »gesellschaftlichen Wandel überfordert« zu sein. FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner empfahl der CDU, sich statt eines möglichen Genderverbots lieber mit einer »Aufarbeitung der Wirtschaftspolitik« von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zu befassen, wenn sie »konservative WählerInnen« gewinnen wolle.

Doch das Thema geschlechtergerechte Sprache trifft offenbar einen Nerv – und polarisiert, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für den SPIEGEL zeigt. Demnach befürworten 53 Prozent der Deutschen ein Verbot geschlechtergerechter Sprache für staatliche Stellen. 38 Prozent sprechen sich gegen eine entsprechende Regelung aus.

Mehr zur Civey-Methodik erfahren Sie hier.

Dass staatliche Stellen geschlechtergerechte Sprache verwenden, stößt etwa bei Wählerinnen und Wählern der Unionsparteien auf Widerstand. Mehr als zwei Drittel von ihnen befürworten ein gesetzliches Verbot, bei FDP- und AfD-Unterstützern ist die Zustimmung noch größer. Hier halten fast drei von vier Befragten ein Verbot für richtig.

Deutlich anders sieht es im entgegengesetzten politischen Lager aus. Annähernd die Hälfte der Anhängerinnen und Anhänger von Linkspartei und SPD spricht sich dafür aus, staatlichen Stellen das Gendern zu untersagen. Allerdings sind rund zehn Prozent der SPD-Anhänger bei dem Thema noch unentschieden, bei den Linken liegt dieser Anteil noch höher.

Welches Konfliktpotenzial das Thema birgt, zeigte sich jüngst etwa bei einem internen Meinungsstreit der Linken. Die Sprecherin der Bundestagsfraktion, Doris Achelwilm, sprach sich auf SPIEGEL-Anfrage klar gegen ein Genderverbot aus. Ihre einflussreiche Parteikollegin Sahra Wagenknecht, zugleich Linken-Spitzenkandidatin in Nordrhein-Westfalen, bezeichnete die »Sprachungetüme der Gendersprache« dagegen als »diskriminierend, indem sie die Sprache der Mehrheit der Bevölkerung als überholt und rückschrittlich abqualifizieren«.

Die einzige Partei, deren Anhänger ein Verbot geschlechtergerechter Sprache klar ablehnen, sind die Grünen. Zwei Drittel ihrer Unterstützerinnen und Unterstützer sprechen sich gegen entsprechende Vorgaben aus.

Aber selbst bei den Grünen gibt es vereinzelte Kritik. So klagte etwa Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann im vergangenen Jahr nach einem von der Stadt Stuttgart veröffentlichten Leitfaden über »Sprachpolizisten«. Jeder solle reden können, »wie ihm der Schnabel gewachsen ist«, forderte Kretschmann damals.

Womöglich hat Kretschmann Sorge, durch geschlechtergerechte Sprache Wählerschichten zu verprellen, die er im Südwesten der CDU abspenstig gemacht hat. Ähnliche Bedenken könnte auch die grüne Parteispitze um Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock haben. Denn klar scheint zu sein, dass die Grünen mehr als nur ihre Kernwählerschaft ansprechen müssen, wenn sie ab Herbst die Regierungschefin stellen wollen.

Grüne liegen hinter Union

Beim Blick auf die Umfrageergebnisse der Parteien setzt sich der Trend der vergangenen Wochen fort. Die Grünen müssen erneut leichte Verluste hinnehmen und liegen mit 23 Prozent aktuell hinter der Union, die mit leichten Zuwächsen auf 27 Prozent kommt.

Das kurzzeitige Umfragehoch der Grünen Ende April ist damit anscheinend vorerst beendet, CDU und CSU nähern sich derweil allmählich wieder ihrem Umfrageniveau aus der Zeit vor der Masken- und Korruptionsaffäre an. Mit Blick auf die zwischenzeitlichen Spitzenwerte von annähernd 40 Prozent im Frühjahr 2020 sind die Umfrageergebnisse für die Union aber noch immer vergleichsweise schlecht.

Bei der FDP hält indes der Aufwärtstrend an. Die Liberalen können aktuell auf 13 Prozent der Stimmen hoffen. Der Rückstand zur SPD, in den Umfragen mit 16 Prozent erneut nahezu unverändert drittstärkste Kraft, schwindet damit weiter. Die AfD liegt bei zehn und die Linke bei sechs Prozent.

fek
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