Reaktion auf Spionageaffäre Rausschmiss erster Klasse

Die Bundesregierung reagiert auf die US-Spionage: Der oberste CIA-Vertreter in Berlin soll das Land verlassen. Ein solcher Affront war bisher nur gegen Agenten von Paria-Staaten wie Iran oder Nordkorea denkbar.
Reaktion auf Spionageaffäre: Rausschmiss erster Klasse

Reaktion auf Spionageaffäre: Rausschmiss erster Klasse

Foto: Maurizio Gambarini/ picture alliance / dpa

Berlin - Die Bundesregierung reagiert auf die neuen Spionagefälle und die Vorwürfe gegen die USA mit einem diplomatischen Affront. Als Reaktion auf die Enthüllungen forderte Berlin den Repräsentanten der amerikanischen Geheimdienste in Berlin auf, das Land zu verlassen. Umgehend wurde die Botschaft unterrichtet, der Geheimdienstmann musste sich die unfreundliche Bitte im Innenministerium von Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen anhören.

Ein paar Stunden später dann war in Berlin von einer formellen Ausweisung des CIA-Vertreters die Rede, der als "station chief" die Aktivitäten des US-Geheimdienstes in Deutschland leitet. Wenig später korrigierte die Regierung, man habe nur die Ausreise empfohlen. Das ist zwar nicht gleichzusetzen mit einer Ausweisung, faktisch aber bleibt es ein Rausschmiss erster Klasse.

Die öffentliche Geste der indirekten Ausweisung ist diplomatisch gesehen ein Erdbeben. Eine solche Maßnahme war bisher höchstens gegen Paria-Staaten wie Nordkorea oder Iran denkbar gewesen. Zwar bat Deutschland in den 90er Jahren schon einmal einen US-Agenten um seine Ausreise, er hatte versucht, eine Quelle im Wirtschaftsministerium anzuwerben. Damals aber geschah der Rausschmiss eher diskret.

Der deutschen Entscheidung gingen am Donnerstagmorgen Krisentelefonate zwischen Innenminister Thomas de Maizière, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Kanzleramtschef Peter Altmaiervoraus. Dabei zeigten sich alle Minister enttäuscht über die wenig einlenkenden Reaktionen der USA und waren sich einig: Deutschland könne die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen.

In den Gesprächen beriet man zunächst die bisherigen Signale aus Washington. CIA-Chef John Brennan und der US-Botschafter John Emerson hatten Kontakt zur deutschen Regierung gesucht. Berlin fehlten allerdings konkrete Angebote, die Vorwürfe schnell aufzuklären. Von einer Entschuldigung war schon gar nicht die Rede.

Im Parlamentarischen Kontrollgremium berichtete Klaus-Dieter Fritsche, Merkels Beauftragter für die Nachrichtendienste, am Donnerstag ernüchtert über das Telefonat mit CIA-Chef Brennan. Dieser, so Fritsche, habe nichts außer Floskeln über die transatlantische Verbundenheit und seinen Ärger über die schlechte Presselage beizutragen gehabt.

Offiziell hatte sich die Regierung in der Spionage-Affäre bisher zurückgehalten. Man warte erst die juristische Aufklärung und mögliche Erklärungen der USA ab. Offenbar aber war der Ärger bis Donnerstag aber so gewachsen, dass die Phase der Zurückhaltung nun beendet wurde.

Innenminister Thomas de Maizière wollte nach den Beratungen keinen Kommentar abgeben. Zwar spielte er wie zuvor Wolfgang Schäuble den möglichen Schaden herunter - er nannte die von den USA gewonnenen Informationen "lächerlich".

Gleichsam unterstrich er, dass der politische Schaden allein durch die Verdachtsmomente gegen die USA "unverhältnismäßig und schwerwiegend" sei. Deswegen sei ein wirksamer Schutz gegen Angriffe auf unsere Kommunikation ebenso wie eine effektive Spionageabwehr "unverzichtbar für unsere wehrhafte Demokratie". Man sei dabei, beides zu stärken und auszuweiten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel machte ihrem Ärger auf die für sie typische Weise Luft. "Mit gesundem Menschenverstand betrachtet ist das Ausspähen von Freunden und Verbündeten ein Vergeuden von Kraft", so die Kanzlerin blumig und doch deutlich. Die Geheimdienste sollten nicht alles tun, was machbar ist, sondern sich bei ihrer Arbeit "auf das Wesentliche" konzentrieren.

Bisher noch keinen Haftbefehl vorgelegt

Erst am Mittwoch war ein neuer Spionageverdacht bekannt geworden, in diesem Fall verdächtigt die Bundesanwaltschaft einen Länderreferenten aus der Abteilung Politik des Wehrressorts, Informationen an einen US-Geheimdienst weitergegeben zu haben. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) hatte den jungen Referenten, der seit gut einem Jahr in einer Unterabteilung für die Sicherheitspolitik tätig war, wegen des Verdachts schon seit 2010 beobachtet, am Mittwoch dann rückten Ermittler vom Generalbundesanwalt im Ministerium an.

Ob der Verdacht stichhaltig war, ist schwer zu bewerten. Zwar verdächtigte man den heutigen Referenten wegen seines engen Kontakts zu einem vermeintlichen US-Geheimdienstler, den er vor Jahren während eines Jobs im Kosovo kennengelernt hatte. Bisher aber fehlen Beweise, dass dieser den Deutschen tatsächlich abschöpfte. Er selbst bestreitet eine Agententätigkeit. In seiner Vernehmung habe der Mitarbeiter aus dem Wehrressort die Beziehung zu dem Amerikaner vielmehr als reine Männerfreundschaft bezeichnet. So berichtete es der Vertreter des Generalbundesanwalts im Kontrollgremium.

Verdächtig erschien den Ermittlern nicht zuletzt eine Überweisung von 2.000 Euro, die der US-Amerikaner vor einiger Zeit auf das Konto des Deutschen veranlasste. Auch hierfür habe der Ministeriumsmitarbeiter eine Erklärung gehabt: Das Geld, so soll er ausgesagt haben, sei im Rahmen einer Hochzeitsfeier geflossen und auch teilweise zurückgezahlt worden.

Auch der Generalbundesanwalt sprach nach der Durchsuchung und der Vernehmung nur von einem Anfangsverdacht und beantragte noch nicht mal einen Haftbefehl. Trotzdem sorgte allein die Nachricht nur wenige Tage nach dem Bekanntwerden eines ähnlichen Falls beim Bundesnachrichtendienst (BND) für einen Schock.

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