Spähverdacht im Wehrressort Mutmaßlicher US-Spion arbeitete in Politikabteilung

Ein möglicher Spionagefall erschüttert das Verteidigungsministerium: Ein Politikbeamter soll für die USA gespitzelt haben. Bisher gibt es nur Indizien - aber allein der Verdacht belastet das Verhältnis zu den USA weiter.
Verteidigungsministerium in Berlin: Fahnder auf dem bewachten Hof

Verteidigungsministerium in Berlin: Fahnder auf dem bewachten Hof

Foto: Maurizio Gambarini/ dpa

Berlin - Im Verteidigungsministerium an der Stauffenbergstraße in Berlin stand am Mittwochmorgen unangemeldeter Besuch vor den Wachsoldaten. Ausgerüstet mit einem Durchsuchungsbeschluss rollte eine ganze Gruppe von Fahndern des Bundeskriminalamts (BKA) auf den bewachten Hof, begleitet wurden sie von einem Bundesanwalt. Zielstrebig ließen sich die Männer mit ihren Koffern zur Politikabteilung des Ministeriums von Ursula von der Leyen führen. Dort, genauer gesagt in der Unterabteilung für Sicherheitspolitik, vermuteten sie einen Spion, der für einen US-Geheimdienst arbeiten soll.

Der zweite Spionagefall, im Juristendeutsch etwas verquast "Anfangsverdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit" genannt, erschüttert die Hauptstadt. Zum zweiten Mal innerhalb von nur wenigen Tagen durchsuchten Polizisten die Amtsstuben von deutschen Behördenmitarbeitern, die für die US-Geheimdienste spioniert haben sollen.

Auch wenn die Bundesregierung offiziell noch warten will, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind, ist ihr mittlerweile klar, dass die US-Dienste in Deutschland weiter im großen Stil Informationen abgreifen - trotz der NSA-Affäre und der Turbulenzen um das abgehörte Kanzlerinnen-Handy.

Der Fall des mutmaßlichen Spions im Wehrressort ist mindestens genau so heikel wie der beim BND. Schon seit Monaten hatte der Militärische Abschirmdienst (MAD) den Beamten aus der Politikabteilung im Blick, weil er sich verdächtig häufig mit US-Kontaktleuten traf, die der Bundeswehrgeheimdienst den amerikanischen Geheimdiensten zuordnet. Die Fahnder sammelten bei ihren Beobachtungen auch Indizien dafür, dass der Ministeriumsmitarbeiter Informationen an seine US-Gesprächspartner übergab. Das letzte Mal beobachtete man ein solches Treffen im Februar 2014.

Grundsätzlich, so Insider, war der verdächtige Beamte durch seinen Job als Länderreferent für einen Geheimdienst zumindest potenziell ein idealer Informant. Zwar war er erst ein Jahr auf diesem Posten, dennoch hatte er weitreichenden Zugang zur Politikplanung im Ministerium. Dort ist das Politikreferat direkt unterhalb der Ministerin und den Staatssekretären angeordnet. Erst vor einigen Monaten hatte Ursula von der Leyen den Leiter der Abteilung durch den früheren BND-Vize Géza Andreas von Geyr ausgewechselt.

"Eine Reihe von Indizien" sprächen für eine Spionagetätigkeit

Die Politikabteilung arbeitet der Ministerin zwar nur zu - liefert zum Beispiel vor wichtigen Treffen mit Staatschefs aus dem Ausland Profile und skizziert mögliche Gesprächsthemen. Dennoch laufen gerade im weit verzweigten Verteidigungsressort fast alle wichtigen und geheimen Unterlagen als Kopie auch an diese Abteilung, intern nur mit "Pol" gekennzeichnet. Themen wie die Kooperation in der Nato, Rüstungsfragen oder auch die Unterlagen für die Ministerin vor wichtigen Politikgesprächen kommen hier an. All dies wäre sicher von Interesse für einen US-Geheimdienst.

Gleichwohl erschien die Beweislage gegen den Referenten am Mittwoch noch unklar. Zwar wurden das Büro und seine Wohnung vor den Toren Berlins durchsucht, der Verdächtige selber wurde lange vernommen. Aber es erging kein Haftbefehl. Aus Ermittlerkreisen verlautete, es gebe "eine Reihe von Indizien", die für eine Spionagetätigkeit des Mannes sprächen, bislang aber läge noch kein dringender Tatverdacht vor. Möglicherweise schlugen die Fahnder recht spontan zu, da er durch den BND-Fall gewarnt gewesen sein könnte und womöglich Beweise verschwinden lassen wollte.

Das Ministerium verweigerte am Mittwoch jegliche Stellungnahme. In der Bundespressekonferenz gab ein Sprecher lediglich zu Protokoll, dass man den Fall "sehr ernst" nehme, alles andere müsse nun die Bundesanwaltschaft klären. Im Haus von Ministerin von der Leyen, die regelmäßig über den Fall unterrichtet worden war, gilt allein der Verdacht gegen den Mann als politischer Sprengsatz. "Als Militärs haben wir alle viele Kontakte zu Amerikanern", so ein General am Mittwoch, "mittlerweile muss man sich aber überlegen, mit wem man redet und was die Gesprächspartner aus den Treffen machen".

Am Donnerstag will die Regierung den Bundestag über den Spionageverdacht unterrichten, dann soll das geheim tagende Parlamentarische Kontrollgremium in die Details eingeweiht werden. Politisch allerdings sah Regierungssprecher Steffen Seibert schon vor dem Abschluss der Ermittlungen einen neuen Tiefpunkt der deutsch-amerikanischen Beziehungen und sprach erstmals von "tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten". Wie diese gekittet werden könnten, weiß derzeit niemand.

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