Spitzelaffäre Druck auf BND-Chef Uhrlau verstärkt sich
Berlin - Ursprünglich sollte die nächste Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) des Bundestages erst in zwei Wochen stattfinden. Doch offenbar sind plötzlich schnelle Ergebnisse vonnöten - das PKG unterbrach am Mittwoch seine erste Sitzung zur Untersuchung der Geheimdienst-Affäre um eine SPIEGEL-Reporterin und vertagte sich auf den morgigen Donnerstag.
Das aus neun Mitgliedern bestehende PKG tagt geheim, die Inhalte der Sitzung sind streng vertraulich. Ernst Uhrlau, der im Zusammenhang mit der Affäre scharf kritisierte Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), verließ die Sitzung nach zweieinhalb Stunden Dauer mit hochrotem Kopf, ohne einen Kommentar abzugeben.
Laut SPIEGEL überwachte der BND von Juni bis November 2006 die E-Mails der Auslandsreporterin Susanne Koelbl mit einem afghanischen Politiker. Dabei hatte der Geheimdienst nach dem Skandal um die Bespitzelung anderer Journalisten zuvor Besserung zugesichert. Uhrlau unterrichtete Koelbl am vergangenen Freitag über die Aktion und bat um Entschuldigung. Die 42-jährige Journalistin berichtet seit Jahren aus den Krisen- und Kriegsgebieten am Hindukusch.
Der Druck auf den Auslandsgeheimdienst und seinen Präsidenten hat sich nun durch die Untersuchungsrunde im Bundestag anscheinend massiv erhöht. Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele sagte nach der Sitzung: "In diesem Fall kommen wir ohne personelle Konsequenzen nicht aus." Ströbele sprach von einem "Skandal" und "schwersten Grundrechtsverletzungen" und betonte, die Verantwortlichen seien klar auszumachen. Einzelheiten konnte er allerdings nicht nennen, weil die Mitglieder des PKG zu strengster Geheimhaltung verpflichtet sind.
Zuvor hatte bereits der CSU-Abgeordnete Hans-Peter Uhl die Forderung nach einem Uhrlau-Rücktritt nicht ausgeschlossen. Uhl erklärte nach der Sitzung, ein möglicher Rücktritt sei davon abhängig, ob bestimmt Fragen aufgeklärt werden könnten, zum Beispiel "Wann wusste wer was?". Auf alle Fälle sei das Vertrauen in die Arbeitsweise des Bundesnachrichtendienstes "derzeit nachhaltig beeinträchtigt".
Vertrauen "parteiübergreifend" verschwunden
Der Zeitung "Die Welt" sagte Uhl sogar, das Vertrauen des Kontrollgremiums zur Leitung des BND sei "parteiübergreifend nicht mehr vorhanden". Nach Informationen der Zeitung habe Uhrlau erklärt, er wisse erst seit rund zwei Monaten von der Ausspähaktion. Dabei soll demnach ein "Trojaner" - ein Späh-Programm - auf der Festplatte des Computers des afghanischen Ministers eingesetzt worden sein. Die Aktion sei auf Referatsleiter-Ebene durchgeführt worden.
Vertreter aller Parteien sprachen nach der Sitzung von einer schweren Krise des Vertrauens in den BND. Der stellvertretende PKG-Vorsitzende Max Stadler (FDP) kritisierte den BND scharf. Die Arbeit des Dienstes sei durch den Fall "erneut in eine Vertrauenskrise" geraten, sagte er. Ein solcher Vorfall dürfe sich auf keinen Fall wiederholen. Es handele sich um einen Eingriff in Grundrechte und in die Pressefreiheit.
Vorsichtiger äußerte sich PKG-Vorsitzende Thomas Oppermann: Er sei der Meinung, dass der BND Journalisten nicht bespitzeln dürfe, sagte der SPD-Politiker. Dies müsse für die Zukunft klar sein. Forderungen nach personellen Konsequenzen oder der Ablösung des BND-Chefs hatte Oppermann vor der Sitzung als "abwegig" bezeichnet.
amz/AP/ddp/dpa