Stasi-Aufarbeitung ARD-Journalist Jahn soll Birthler-Nachfolger werden
Berlin - Roland Jahn ist derzeit schwer zu erreichen. Er arbeite, sagt er. Er müsse einen Beitrag fertig stellen. Roland Jahn, Jahrgang 1953, ist ARD-Journalist. Und als Journalist weiß er, dass es manchmal besser ist, keinen Kommentar abzugeben. Spekulationen befeuern will er nicht. In eigener Sache schweigt er beharrlich. In wenigen Wochen wird er reden müssen. Er wird erklären müssen, warum er nun diesen Schritt vollzieht: vom Redakteur zum Behördenleiter. Und was er vorhat mit einer Institution, die jährlich rund hundert Millionen Euro verschlingt.
Roland Jahn hat beste Chancen Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen zu werden, im Frühjahr könnte er das Amt von übernehmen. Sie scheidet im März aus. Zehn Jahre hat sie die Aktenbehörde geführt. Eine dritte Amtszeit erlaubt das Stasi-Unterlagen-Gesetz nicht.
Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) war mit der Suche nach einem Nachfolger betraut. Denn in seine Zuständigkeit fallen nicht nur Kultur und Medien, sondern auch die düsteren Hinterlassenschaften der Staatssicherheit. Kanzlerin Angela Merkel selbst hatte die Vorgaben für die Personalfrage gemacht: Sie hatte sich dafür ausgesprochen, die Behörde noch etwa zehn Jahre zu erhalten und nicht kurzfristig ans Bundesarchiv anzuschließen. Außerdem sollte der Staatsminister eine Person auftreiben, die repräsentabel und der Bürgerrechtsbewegung verbunden ist.
Als Maßstab gilt immer noch Gründer . Wochenlang sondierte Neumann, traf sich mit Dissidenten, prüfte Vorschläge und hielt sich bedeckt.
Nooke stand sein CDU-Parteibuch im Wege
Günter Nooke, 51, war einer der ersten Namen, der fiel. Doch kaum sprach sich an Berlins Dissidentenstammtischen herum, dass man im Kanzleramt den Afrika-Beauftragten auf dem Zettel hat, wurden Einwände lanciert. Nooke sei zwar der Bürgerrechtsbewegung verbunden, zum harten Oppositionskern habe er aber nie gehört. Als weiterer Makel gilt Nookes CDU-Parteibuch. Das stehe der nötigen Unabhängigkeit der Behörde im Wege, monieren die Kritiker.
Auch der brandenburgische Landtagsabgeordnete Dieter Dombrowski, 59, wurde ins Spiel gebracht. Am 13. August 1974 war der damalige DDR-Bürger vom Bezirksgericht Schwerin wegen Republikflucht und staatsfeindlicher Verbindungsaufnahme zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden. Später wurde er vom Westen freigekauft. Bundesweite Bekanntheit erlangte der CDU-Mann, als er im vergangenen Jahr im Sträflingsanzug im Potsdamer Landtag erschien, um gegen die Bildung der rot-roten Landesregierung zu protestieren. In Neumanns Ranking rutschte er ab. Keine Chance, zu unberechenbar.
Der Vorschlag soll breite Zustimmung im Parlament finden
Im harten Kern der Dissidentenszene wiederum wurde auf stillen Wegen für Roland Jahn, 57, geworben, einem der mutigsten Regimegegner überhaupt. Jahn stammt aus Jena, wurde mehrfach inhaftiert und am Ende abgeschoben, von den Schergen einfach in einen Zug gen Bundesrepublik gesetzt. Von dort aus unterstützte er tapfer weiter jenen Prozess in der DDR, in dem die Staatssicherheit die "Konterrevolution" sah. Diskret wurde sein Name im Kanzleramt hinterlegt.
Amtsinhaberin Birthler selbst sprach mit Neumann über Jahn. Der Minister traf sich mit dem ARD-Mann und war beeindruckt. Inzwischen hat er den Vorschlag, Jahn an die Spitze der Behörde senden, auch Merkel unterbreitet - sie signalisierte Zustimmung.
Nun sondiert Neumann weiter in den Fraktionen des Bundestags. Am liebsten wäre ihm, wenn der Vorschlag breite Zustimmung im Parlament fände. Erst dann will er eine entsprechende Kabinettsvorlage fertigen. Gauck und Birthler wurden jeweils mit großer Mehrheit gewählt.
So lange kann Jahn sich noch in Schweigen hüllen und fürs Fernsehen arbeiten. Schwer fällt ihm derlei persönliche Zurückhaltung nicht. Sie zählt zu seinen Vorzügen. Denn Jahn hat nicht nur Mut bewiesen, sondern auch diplomatisches Geschick. In der amorphen Dissidentenszene zählt der Mann mit dem Thüringer Akzent zu jenen, die ausgleichen können.