Steuern FDP-Plan lässt Kommunen vor Stadtflucht zittern

Pendlerverkehr: Die Bürgermeister der Städte befürchten eine Flucht in die Speckgürtel
Foto: Frank Augstein/ ASSOCIATED PRESSBerlin - Es ist ein bedeutender Schwerpunkt des FDP-Steuerkonzepts: Die Kommunalfinanzen sollen umgebaut werden. Dabei schlagen die Liberalen vor, die Gewerbesteuer abzuschaffen und unter anderem durch einen höheren Anteil an der Mehrwertsteuer zu ersetzen. "Die Gemeinden brauchen zur Sicherung ihrer Finanzautonomie eine breitere Steuerbasis", heißt es in den Plänen der .
Doch die Kommunen laufen dagegen Sturm - eine schwarz-rot-grüne Front aus den Städten leistet Widerstand. Die Stadtoberhäupter vereint vor allem eines - die Angst, das FDP-Modell könnte zu noch mehr Ausfällen in den ohnehin desolaten Haushalten führen. Von "gefährlichem Unsinn" und "Hohn" ist die Rede.
Die CDU-Oberbürgermeisterin von Dresden, Helma Orosz, lehnt den FDP-Plan gegenüber SPIEGEL ONLINE strikt ab. "Dresden kann schon allein deshalb nicht auf die Gewerbesteuer verzichten, weil die Einnahmen aus dieser Steuer rund 20 Prozent derjenigen Einnahmen ausmachen, mir denen die Stadt ihre laufenden Ausgaben deckt", erklärte sie am Mittwoch. Wie in anderen deutschen Großstädten auch sei die Gewerbesteuer für die sächsische Metropole - neben den Zuweisungen aus Landesmitteln - eine Haupteinnahmequelle.
Orosz ist Mitglied im Präsidium des Deutschen Städtetages. Deren Präsidentin Petra Roth, CDU-Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main, hatte den FDP-Plan bereits am Vortag zurückgewiesen. "Niemals würden unsere Einnahmen durch das FDP-Modell stabiler, ganz im Gegenteil", erklärte sie in der "Süddeutschen Zeitung". Die Last der Finanzierung würde so von den Firmen hin zu den Bürgern verschoben, befürchtet die streitbare Kommunalpolitikerin.
Die FDP spricht stattdessen von einer neuen Transparenz für die Kommunalfinanzen. Schon heute erhielten Gemeinden verdeckt rund 15 Prozent der Einkommensteuer, heißt es dort. "Es muss auch transparent sein, wer für welche Aufgaben und für die Finanzierung dieser Aufgaben zuständig ist", heißt es. Daher sollten die Bürger "auch merkbar" an der Finanzierung der Ausgaben beteiligt sein.
Umlandgemeinden würden profitieren
Die Oberbürgermeister und Bürgermeister fürchten - völlig unabhängig von der Parteizugehörigkeit - noch einen anderen Effekt durch den FDP-Plan: Die Liberalen wollen ein höheres Zuschlagsrecht der Kommunen auf die Einkommensteuer durchsetzen. Damit soll der Wegfall der Gewerbesteuer kompensiert werden. Doch die kommunalen Vertreter halten das für keinen guten Ansatz. Viele Bürger, so wird gewarnt, würden dann aus den Städten fliehen - in die nahe Umgebung. Der Grund für den Wegzug: Die Hebesätze der Einkommensteuer müssten drastisch erhöht werden, um die Ausfälle der Gewerbesteuer auszugleichen.
Dresdens OB Orosz warnt: "Die Einkommensteuer-Hebesätze insbesondere der großen Städte müssten auf ein so hohes Niveau geschraubt werden, dass eine regelrechte Stadtflucht der Lohn- und Einkommensteuer zahlenden Bevölkerung in die kleineren und mittleren Umlandgemeinden einsetzen würde." Es sei schon heute so, dass diese sich bereits wesentlich mehr aus den Einkommensteuerzahlungen ihrer Einwohner als aus den Gewerbesteuerzahlungen der ortsansässigen Betriebe finanzierten. "Sie könnten deshalb mit ganz moderaten Einkommensteuer-Hebesätzen um Zuzug werben", so die ostdeutsche Christdemokratin.
Eine Meinung, die im Südwesten der Republik geteilt wird - vom Grünen-Politiker und Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon. Wie Orosz fürchtet auch er eine "Stadtflucht", sollte die FDP sich mit ihrem Konzept durchsetzen. Größere Städte würden dann höhere Aufschläge auf die Einkommensteuer erheben als kleinere Kommunen, so Salomon, weil sie teurere Infrastruktur und höhere Sozialausgaben bezahlen müssen: "Das begünstigt den Umzug in die Speckgürtel und würde die Großstädte zusätzlich schwächen."
Salomon bezeichnet den Plan, die Gewerbesteuer abzuschaffen, als "gefährlichen Unsinn". "Dieses Gespenst geistert seit Jahrzehnten durch die Gegend", sagte der Grünen-Politiker SPIEGEL ONLINE. Auch die rot-grüne Bundesregierung habe sich seinerzeit mit einer Kommission an einer Abschaffung der Steuer abgearbeitet, diese Idee aber schließlich fallen lassen. "Wenn man die Gewerbesteuer abschafft und dafür bei der Einkommensteuer kommunale Zuschläge erhebt, würden die Bürger belastet und die Wirtschaft entlastet." So würden Konjunktur und Kaufkraft zusätzlich geschwächt: "Davor kann ich in diesen schwierigen Zeiten nur warnen."
Wowereit spricht von "Hohn"
Kritik kommt auch von den Sozialdemokraten. Berlins Regierender Bürgermeister warf der Bundesregierung vor, die Kommunen zu "erdrücken". Berlin allein würde die Umsetzung des Konzepts Einnahmeausfälle in Höhe von 460 Millionen Euro pro Jahr bescheren, so der SPD-Politiker.
Wowereit erinnerte daran, dass Union und FDP erst im Februar eine Gemeindefinanzkommission eingesetzt hätten. Diese hatte sich Mitte März konstituiert. Die Kommission habe bisher aber keine Lösungen für die katastrophale Haushaltslage der Städte und Gemeinden präsentiert, so Wowereit: "Mehr noch: Es ist ein Hohn, dass sich kein Regierungsmitglied dieser Placebo-Kommission zu Wort meldet, wenn die FDP mit ihrem Steuervorstoß die Kommunen weiter ausbluten lässt."
Doch ob der liberale Plan je realisiert wird, ist offen. Eines aber ist sicher: Öffentlichkeitswirksam wollen die Freidemokraten das Steuerkonzept - mitsamt der fünf Stufen - in knapp zwei Wochen auf ihrem Bundesparteitag in Köln verabschieden.