Strategie gegen SPD CSU-Spitze murrt wegen Merkels Valium-Wahlkampf

Kanzlerin Merkel: CSU fordert mehr wirtschaftspolitisches Profil
Foto: Andreas Rentz/ Getty ImagesMünchen - In der CSU wird nach dem TV-Duell mit Herausforderer Frank-Walter Steinmeier offenbar Unmut über Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) laut: Die CSU dränge die CDU, ein gemeinsames wirtschaftspolitisches Sofortprogramm vorzulegen, berichtet die "Süddeutsche Zeitung". Merkel müsse vor allem in der Wirtschaftspolitik Profil zeigen, heißt es demnach in der CSU-Führung. Dort wachse die Sorge, dass es bei der Bundestagswahl wieder nicht für eine schwarz-gelbe Mehrheit reichen könnte. In der CDU rege sich aber Widerstand gegen ein kurzfristig präsentiertes 100-Tage-Programm oder auch ein wirtschaftspolitisches Kurzprogramm.
Auch in der CDU wächst dem Bericht zufolge die Sorge, dass Union und FDP erneut eine Regierungsmehrheit verfehlen könnten. Intern hätten deshalb die Ministerpräsidenten von Hessen und Niedersachsen, Roland Koch und Christian Wulff, für eine klarere Botschaft geworben: Die CDU solle bis zur Wahl massiv die Gefahr einer rot-rot-grünen Mehrheit thematisieren.
In der CSU warnten laut der Zeitung mehrere Spitzenvertreter, dass die Stimmung noch kippen könne. Merkels Strategie, einen Vorsprung in den Umfragen zu halten, sei bereits im Jahr 2005 gescheitert, sagte ein namentlich nicht genanntes CSU-Vorstandsmitglied. Vor allem das TV-Duell erregt demnach in der CSU Unmut. Es sei der Eindruck entstanden, Merkel wolle am liebsten mit der SPD und Steinmeier weiterregieren, sagte ein führender CSU-Mann der "Süddeutschen Zeitung".
Seehofer fordert inhaltliche Zuspitzung
CSU-Chef Horst Seehofer hatte ein wirtschaftspolitisches Sofortprogramm für seine Partei am Montag angekündigt, um die "inhaltliche Verbindung'' zur FDP zu dokumentieren und gemeinsame Rezepte für mehr Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze zu beschreiben. Ob es die CDU mitträgt, ist offen. Vielmehr wolle die CDU-Spitze am Donnerstag die Steuerpläne der Union präsentieren. "Zwei Wochen vor der Wahl ändert man nicht mehr die Linie'', zitiert das Blatt ein nicht namentlich genanntes CDU-Präsidiumsmitglied.
In den vergangenen Wochen hatte Seehofer wiederholt die inhaltlichen Differenzen zwischen Union und FDP herausgestellt, und vor einem "neoliberalen Streichkonzert'' gewarnt. "Was mit Schwarz-Gelb nicht kommen darf, ist jetzt ausreichend bekannt'', sagte ein Mitglied der CSU-Führung der Zeitung. "Was positiv mit Schwarz-Gelb kommt, ist nicht klar. Das müssen wir jetzt liefern, dringend und glasklar.'' Seehofer sagte, "eine inhaltliche Zuspitzung ist notwendig'', und forderte, das "schwarz-gelbe Projekt noch stärker'' zu begründen.
Nach einem Bericht des "Kölner Stadt-Anzeigers" holt SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier bei Kompetenz- und Sympathiewerten gegenüber Kanzlerin Merkel spürbar auf. So habe eine Umfrage des Instituts Omniquest für die Zeitung am Tag nach dem Fernsehduell zum Beispiel ergeben, dass 51,1 Prozent der Deutschen Steinmeier eine hohe Wirtschaftskompetenz zumessen. Das sei ein Plus von fast acht Punkten im Vergleich zum Vormonat. Merkel erreiche 60,8 Prozent.
Empörung bei der Opposition über Steinbrück
Unterdessen hat die SPD-Spitze ihr Werben um eine Ampel-Regierung mit Grünen und FDP verstärkt: "In Sachen Bildungs-, Außen- und Innenpolitik, Menschenrechte und Datenschutz, kleine und mittlere Unternehmen könnten wir mit der FDP einiges bewegen", sagte Parteichef Müntefering der "Augsburger Allgemeinen". Schwarz-Gelb könne aufgehalten werden. "Ein, zwei Prozentpunkte hin und her und Schwarz-Gelb hat keine Mehrheit: Dann ist die Tür des Kanzleramtes für Frank-Walter Steinmeier offen."
Müntefering sprach sich gegen eine Fortsetzung der großen Koalition aus: "Wir wollen sie nicht, weil sie aus demokratiehygienischen Gründen auf Dauer nicht gut ist." Eine Ampel könnte ähnlich stabil sein, schließlich habe auch die große Koalition aus drei Parteien bestanden: "Das war eine starke Herausforderung, dieser Dauerstreit zwischen CDU und CSU. Schwieriger als das wäre die Dreierkoalition Ampel sicherlich nicht."
Auch SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier plädierte für eine Ampelkoalition. "Ich wünsche es mir", sagte er der "Frankfurter Rundschau". Er wisse zwar, dass FDP-Chef Guido Westerwelle ein Bündnis mit der Union bevorzuge. "Soll er doch", sagte Steinmeier. Westerwelle übersehe, dass es keine Mehrheit für Schwarz-Gelb geben werde. Zugleich warnte der SPD-Spitzenkandidat vor Schwarz-Gelb. Wenn die FDP, die noch immer an den Markt ohne Grenzen glaube, auf den starken wirtschaftsliberalen Flügel der CDU treffe, seien die Spielräume für eine Politik mit Augenmaß dahin.
Lafontaine: "Wir wollen Schwarz-Gelb verhindern"
Zuvor hatten Äußerungen von Peer Steinbrück in der SPD für Unmut gesorgt. Der Bundesfinanzminister hatte eine Neuauflage der Großen Koalition ins Spiel gebracht. Derweil hat auch der scheidende SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck ein erneutes schwarz-rotes Bündnis nicht ausgeschlossen. In der Tageszeitung "Die Welt" betonte er zwar, große Koalitionen sollten "immer eine Ausnahme bleiben". Eine Fortsetzung der großen Koalition sei aber "nicht ausgeschlossen".
Die Äußerungen Steinbrücks hatten bei der Opposition Empörung ausgelöst. Die Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast sah darin eine "politische Bankrotterklärung". Steinbrück habe sich offenbar auf der Couch von Merkel häuslich eingerichtet. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel warf der SPD vor, sie habe sich mit der Juniorrolle unter Merkel bequem eingerichtet. Der Vizechef der Linken, Klaus Ernst, wertete Steinbrücks Äußerungen als eine "Aufgabe-Erklärung".
Der Linke-Vorsitzende Oskar Lafontaine bestritt unterdessen, dass seine Partei vorrangig die SPD bekämpfe. "Wir wollen Schwarz-Gelb verhindern. Das haben wir 2005 schon mal geschafft", sagte er der in Dresden erscheinenden "Sächsischen Zeitung". "Der Eindruck, wir wollten die SPD klein machen, ist falsch."