Streit in der SPD "Opposition ist scheiße!"

Nach dem Wechsel an der Parteispitze geht der Krach innerhalb der SPD munter weiter. Die Parteiflügel streiten über künftige Reformen, der Kandidat für das Amt des Generalsekretärs ist schon jetzt umstritten.

Berlin - Nach seinem Verzicht auf den SPD-Vorsitz will sich Bundeskanzler Gerhard Schröder laut eines Zeitungsberichts wieder ganz der Reformpolitik widmen und dazu eine Regierungserklärung abgeben. Diese sei für die Bundestagssitzung am 11. März geplant, berichtet die "Berliner Zeitung" unter Berufung auf SPD-Kreise. Schröder wolle in seiner Rede eine Bilanz der Sozialreformen ziehen und einen Ausblick auf die Pläne zur Förderung von Bildung und Forschung geben.

Einen Vertrauten Schröder zitiert das Blatt mit den Worten: "Der Kanzler wird die Frage stellen: Wo wollen wir 2006 stehen? Und er wird fragen: Wo wollen wir 2010 stehen?" Das Datum stehe in bewusstem zeitlichen Zusammenhang zur Verkündung der "Agenda 2010" vor einem Jahr am 14. März 2003.

"Die Welt" berichtete unter Berufung auf SPD- Vorstandsmitglieder, Schröder habe auf der Sitzung des Gremiums am Samstag davor gewarnt, die Chance auf einen Neuanfang aufs Spiel zu setzen. Mit weiteren Personal- und Richtungsdebatten sei kein Vertrauen zurückzugewinnen.

Der saarländische SPD-Chef Heiko Maas fordert seine Partei auf, die Beschlüsse des letzten Bundesparteitages in Bochum ernst zu nehmen. Die SPD habe Probleme bei den Wählern, weil sie den Eindruck vermittle, die soziale Balance werde nicht mehr gewahrt, sagte Maas der Ludwigshafener "Rheinpfalz". Seine Partei müsse jetzt entscheiden, was aus den Bochumer Beschlüssen werden solle. Maas nannte in diesem Zusammenhang die Forderung nach einer Bürgerversicherung, die Anhebung der Erbschaftsteuer und die Einführung einer Lehrstellenabgabe.

Es gehe nicht darum, den Reformkurs der Regierung abzubrechen, sondern zu ergänzen, sagte der saarländische SPD-Politiker. Die Reform der Pflegeversicherung sei nicht aufzuhalten. Aber man müsse ja nicht alle Versäumnisse der vergangenen 20 Jahre in zwei Jahren korrigieren wollen. "Das ist etwas zu viel", kritisierte Maas.

Streit gibt es über die Nominierung des Berliner Bundestagsabgeordneten Klaus Uwe Benneter zum neuen Generalsekretär der Partei. Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, habe auf der Sitzung des SPD-Vorstandes am Wochenende entsetzt ausgerufen: "Um Gottes Willen!", berichtet die "Bild"-Zeitung. In der Sitzung habe der designierte Parteivorsitzende Franz Müntefering die Genossen mit drastischen Worten davor gewarnt, die Regierungsfähigkeit der SPD in Frage zu stellen. Das Blatt zitiert Müntefering mit den Worten: "Wer nicht mehr regieren will, dem sage ich: Opposition ist scheiße!"

Heute morgen wies Müntefering Forderungen der Parteilinken nach Korrekturen am Reformkurs erneut zurück. "Die Politik, die wir machen, ist richtig", sagte Müntefering im ARD-"Morgenmagazin". "Und es geht weiter." Vor allem müsse jetzt etwas für Bildung und Innovation getan werden. Zudem stellte Müntefering die Durchsetzung der Ausbildungsplatzabgabe in Aussicht, über die Ausgestaltung der Erbschaftsteuer werde man reden.

Keine Zweifel an Schröders Kanzlerkandidatur

Nach dem Verzicht von Schröder auf den Parteivorsitz verteidigen zahlreiche SPD-Politiker seinen Anspruch auf die Kanzlerkandidatur 2006. SPD-Bundestagsfraktionsvize Michael Müller verurteilte Zweifel an Schröders Kandidatur als "Quatsch". "Sonst müsste ja Franz Müntefering als Kanzlerkandidat auftreten", sagte Müller der "Rheinischen Post". Er wisse aber, "dass er das nicht will". In einer Demokratie müsse nicht alle Macht in einer Hand sein. "Wobei klar ist: Primus inter pares bleibt Schröder", fügte Müller hinzu.

Auch Juso-Chef Niels Annen stellte sich hinter Schröder: "Ich begrüße nach wie vor die Entscheidung des Bundeskanzlers, 2006 anzutreten." Die Ankündigung, mit Bundesaußenminister Joschka Fischer wieder zu kandidieren, sei eine klare Aussage für Rot-Grün. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß sagte: "Schröder ist, und wenn es nach mir geht, bleibt er Bundeskanzler." Die SPD solle sich jetzt insgesamt zusammenreißen und sich nicht so kleinmütig in die Defensive drängen lassen, wie das geschehen sei.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren