Streit mit Israel-Bündnis Künast, der Mossad-Vorwurf und das Dementi

"Ihre Organisation ist nicht ganz koscher": Die grüne Spitzenkandidatin soll sich ein Scharmützel mit israelfreundlichen Aktivisten geliefert haben. Den Vorwurf, sie habe das Bündnis "Stop the Bomb" gar als verlängerten Arm des Mossad bezeichnet, wehrt sie ab - droht jetzt ein Rechtsstreit?

Berlin - Dienstagabend feiern die Grünen im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg ihr Sommerfest. Es dürfte voll werden, denn auch die Prominenz hat sich angesagt - allen voran Renate Künast, Spitzenkandidatin der Grünen für die Bundestagswahl. Tempelhof-Schöneberg ist Künasts Heimatwahlkreis, und eigentlich hat sie sich schon lange auf diesen Termin gefreut.

Doch nach Gaudi im Kiezbüro ist ihr momentan gar nicht zumute. Künast ist stinksauer. Sie hat gerade mächtig Ärger mit Thomas H. Und es geht um ganz große Weltpolitik: Um Iran, Israel und irgendwie auch den Mossad.

Thomas H, 51, ist Aktivist von "Stop the Bomb", einer israelfreundlichen Organisation, die sich den Kampf gegen die iranische Atombombe auf die Fahnen geschrieben hat und derzeit eifrig Unterschriften sammelt. Dafür, dass Deutschland sämtliche Geschäftsbeziehungen zu Iran kappen und harte internationale Sanktionen gegen das Regime von Mahmud Ahmadinedschad mittragen soll. Die Schauspielerin Iris Berben hat schon unterschrieben, Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek auch, der Historiker Michael Wolffsohn ist ebenfalls dabei.

Dass "Stop the Bomb" es ernst meint mit seinem Anliegen, davon konnten sich jüngst auch die Abgeordneten im Deutschen Bundestag überzeugen: In den Wochen nach der umstrittenen iranischen Präsidentschaftswahl vom 12. Juni belagerten etliche "Stop the Bomb"-Aktivisten die Ein- und Ausgänge des Reichstags und der umliegenden Bürogebäude, um Abgeordnete abzupassen und sie zur Unterschrift zu bewegen.

"Ihr seid doch eine Mossad-Organisation"

Am 2. Juli schob auch Thomas H. seinen Dienst. Heute weiß er nicht mehr, wie viele Abgeordnete ihm über den Weg liefen, aber an eine meint er sich ganz genau erinnern zu können: An Renate Künast, die grüne Spitzenkandidatin. Was daran liegt, dass Künast äußerst ungehalten reagiert haben soll, als er sie um eine Unterschrift bat. "Sie war sofort auf 180 und völlig außer sich", schildert H. gegenüber SPIEGEL ONLINE das Zusammentreffen. Künast unterschrieb nicht und soll stattdessen beim Einsteigen in ihre Limousine gesagt haben: "Ihr seid doch eine Mossad-Organisation."

"Stop the Bomb" vom israelischen Geheimdienst gesteuert? H. erzählte seinen Kollegen von dem Vorwurf, die aktivierten ihre Kontakte, am vergangenen Sonntag titelte die "Jerusalem Post": "Deutsches Pro-Israel-Bündnis als 'Mossad-Arm' bezeichnet". Seitdem ist bei den Grünen von Sommerloch nichts mehr zu spüren. Der Chef der Deutsch-Israelischen Gesellschaft verlangte von Künast umgehend Aufklärung, Fraktionspressesprecher Christoph Schmitz beschwerte sich dagegen beim Chefredakteur der "Jerusalem Post".

Denn: Künast kann sich zwar an den Vorfall erinnern, dementiert jedoch, jemals von "Mossad" gesprochen zu haben. "Ich habe mich niemals derartig geäußert, dies ist eine freie Erfindung", sagt sie SPIEGEL ONLINE. Auch Pressemann Schmitz, der am 2. Juli dabei war, bestreitet vehement, dass Künast eine Verbindung zum israelischen Geheimdienst gezogen hat: "Das ist völlig falsch."

Gleichwohl sorgte "Stop the Bomb" bei den Grünen für einige hitzige Diskussionen. Im Arbeitskreis Außenpolitik und in ihrer Fraktionssitzung am 30. Juni debattierten die Abgeordneten darüber, wie man sich zu der Organisation verhalten solle. Kein Wunder: Die Partei hat in Israel noch immer mit einem zweifelhaften Ruf zu kämpfen, seitdem Grünen-Ikone Hans-Christian Ströbele 1991 in einem Interview irakische Raketenangriffe als "logische, fast zwingende Konsequenz der Politik Israels" bezeichnete.

Inzwischen ist das Verhältnis zu Israel und jüdischen Organisationen in Deutschland grundsätzlich gut: Die Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck ist Vizepräsidentin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, grünes Spitzenpersonal reist regelmäßig zu Gesprächen nach Israel, Parteichef Cem Özdemir kehrte erst kürzlich von einem mehrtägigen Besuch zurück.

Grüne vermuten Verbindungen zu den Volksmudschahidin

Der Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour, der in Iran geboren wurde, empfahl seinen Kollegen in der Fraktionssitzung dennoch, die Petition nicht zu unterschreiben. "Das Bündnis will den militärischen Erstschlag nicht ausschließen. Das hat nichts mit grüner Politik zu tun, deshalb können wir da nicht unterschreiben", begründet Nouripour gegenüber SPIEGEL ONLINE seine kritische Haltung. Zudem sei ein Unterstützer des Bündnisses ein wichtiger Kontaktmann zu den Volksmudschahidin, einer iranischen Oppositionsbewegung, die die Europäische Union auf ihre Terrorliste gesetzt hat.

Zwei Punkte, die "Stop the Bomb"-Sprecher Michael Spaney verärgern. "Uns geht es nicht um Krieg. Nouripour lenkt von unserer eigentlichen Forderung ab", betont Spaney gegenüber SPIEGEL ONLINE. "Wir treten für Sanktionen gegen Iran ein. Die Grünen wären schuld an einem Krieg, wenn sie sich Sanktionen weiter in den Weg stellen." Auch von Verbindungen zu den Volksmudschahidin könne keine Rede sein. "Das ist der gleiche Vorwurf, den wir uns vom iranischen Regime ständig anhören müssen. Er ist lächerlich."

Jene vermeintlichen Hintermänner scheinen aber auch Künast zu stören. Ein von beiden Seiten bestätigter Dialog mit "Stop the Bomb"-Unterschriftensammlern legt das nahe. "Ihre Organisation ist nicht ganz koscher", hielt sie bei dem besagten Aufeinandertreffen den Aktivisten vor. Einer von ihnen antwortete entsetzt: "Koscher ist ein antisemitisches Wort." Woraufhin Künast zurückkeilte: "Nein, das ist ein semitisches Wort."

Dann stieg sie ins Auto.

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