Streit über Genkartoffeln CSU-Ministerin Aigner düpiert Seehofer

Zickzack beim neuen Lieblingsthema: Eigentlich wollte Parteichef Seehofer mit seiner neuen CSU gegen die Agro-Gentechnik zu Felde ziehen - doch ausgerechnet die eigene Agrarministerin Aigner schaltet auf stur. Und genehmigt eine umkämpfte Kartoffelsorte.

München - Es sieht nach einem prima Tag aus für die Christsozialen. "Heute ist ein schöner Tag für die CSU", stellt Parteichef Horst Seehofer fest. "Jetzt feiern wir den Theo", sagt Ex-Parteichef Erwin Huber frohgemut. "Ein ganz großer Staatsmann", ergänzt Seehofer. Für einen Empfang zum 70. Geburtstag ihres früheren Vorsitzenden Theo Waigel ist man an diesem Montag in Schloss Nymphenburg zusammen gekommen. Sie wollen Waigel feiern - und natürlich die Geschichte ihrer stolzen Partei.

Doch dann stört ein taktisches Malheur die Familienfeier.

Landwirtschaftsministerin Aigner, CSU-Granden: "Keinerlei Druck oder Weisung"

Landwirtschaftsministerin Aigner, CSU-Granden: "Keinerlei Druck oder Weisung"

Foto: DPA

Gerade hat der Empfang begonnen, da melden die Nachrichtenagenturen: "Aigner genehmigt Anbau von Genkartoffel Amflora". Nun hat das nichts mit dem früheren Bundesfinanzminister Theo Waigel zu tun, umso mehr aber mit Horst Seehofer. Denn der hatte sich in den vergangenen Wochen erst für ein Verbot der Genmais-Sorte MON 810 stark gemacht und zuletzt auch für eines der BASF-Kartoffel Amflora.

Während aber die als offen gegenüber der Agro-Gentechnik bekannte CSU-Landwirtschaftsministerin Aigner beim Genmais noch folgte und MON 810 vor zwei Wochen verbot, genehmigt sie nun den Anbau der nicht zum Verzehr gedachten Genkartoffel Amflora in einem Freilandversuch auf 20 Hektar Land in Mecklenburg-Vorpommern: "Von dieser Freisetzung geht keine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt aus."

Leitentscheidung oder Einzelfall?

Es ist eine Niederlage für Seehofer. Denn noch am vorletzten Wochenende machte er sich beim allsonntäglichen Jour fixe mit der engsten CSU-Führung für ein Amflora-Verbot stark gemacht. Dem Vorsitzenden geht es dabei um Glaubwürdigkeit: Wenn die CSU einerseits gegen den Genmais zu Felde zieht, kann sie nicht andererseits die Genkartoffel pflanzen lassen.

Eine große Mehrheit der deutschen Bevölkerung sieht das so. Bayerns Umweltminister Markus Söder hat Seehofers Rückendeckung, die CSU zur genkritischen Partei umzumodeln. Neulich trat Söder sogar bei einer entsprechenden Demonstration auf dem Münchner Marienplatz auf , warnte mit dem Begriff von der "Gen-Heuschrecke" vor einzelnen Gentechnik-Konzernen. Die Leute jubelten ihm zu.

Doch während Söder in Sachen Genmais die "Leitentscheidung" der Parteifreundin in Berlin lobte, sprach Aigner selbst von "Einzelfallentscheidung". Das ließ aufhorchen. Doch die meisten in der engeren CSU-Führung gingen wohl davon aus, dass sie auch bei der Genkartoffel einknicken würde. Sie tat es nicht.

Jetzt steht die CSU vor einem taktischen Scherbenhaufen: Der Anti-Gen-Kurs scheint plötzlich unglaubwürdig. Spott kommt von Bayerns Opposition: Seehofer sei ein "unzuverlässiger Schaumschläger und Wendehals", so SPD-Fraktionschef Franz Maget. Und sein Grünen-Kollege Sepp Daxenberger attestiert der CSU einen "Zickzack-Kurs in Sachen Agro-Gentechnik".

Seehofer selbst müht sich um Schadensbegrenzung: "Das ist eine Entscheidung, die allein die Bundeslandwirtschaftsministerin zu fällen hat", sagt er am Rande des Empfangs in Schloss Nymphenburg. Nein, er werde das nicht kommentieren. Aber klar sei: Es habe "keinerlei Druck oder Weisung" in Richtung Aigner gegeben. "Es ist ihre Entscheidung, darum ist es in Ordnung."

Es ist klar: Gesteht Seehofer Druck auf Aigner ein, wäre die taktische Niederlage nur umso größer. Doch mancher Teilnehmer des besagten Jour fixe erinnert sich eben weiterhin an einen Parteichef, der das Ziel des Genkartoffel-Verbots artikulierte. Andere sollen dagegen vor einem taktischen Fehltritt gewarnt haben. Auch vom "Scharfmacher" Söder berichtet man, der einen kompromisslosen Kurs vertreten habe.

Dementsprechend die Reaktion des Umweltministers auf Aigners Entscheidung an diesem Montag: Er sei "sehr enttäuscht", so Söder: "Es ist das falsche Signal." CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer hingegen, auch er eigentlich zum Feiern nach München gekommen, betont gegenüber SPIEGEL ONLINE: "Wir stehen hinter der Entscheidung von Ilse Aigner, die sicher von ihr genauestens abgewogen ist." Man sage "ein klares Ja zur Forschung unter strengsten Bedingungen und Auflagen". Er meint damit durchaus Freilandversuche - während die Parteifreunde Söder und Bayerns Agrarminister Helmut Brunner die Forschung am liebsten in Gewächshäuser verbannen wollen

So ist in diesem Moment nicht wirklich klar, wen Ramsauer mit "wir" bezeichnet. Denn die CSU ist offenbar gespalten in dieser Frage.

Aigner hat Seehofer mit ihrer Entscheidung signalisiert, dass sie autonome Entscheidungen treffen und nicht so selbstverständlich wie gedacht auf den neuen, genkritischen Kurs ihrer Partei einschwenken wird. Nach außen gibt sich Seehofer entspannt ("Eine Entscheidung der Ministerin"), intern aber dürfte er deutlichere Worte finden. Der CSU-Vorsitzende hat in der Vergangenheit sehr verärgert reagiert, wenn die von ihm vorgegebene Linie nicht eingehalten wurde oder Erfolge ausblieben.

Zuletzt erwischte es Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer. Weil sie in einem Radiointerview Partei-Ikone Franz Josef Strauß nicht als Vorbild bezeichnen wollte, machte sich Seehofer während des Jour fixe Luft. Damit allerdings pumpte er ein läppische Kritik zu einer großen Nummer auf. "Ich verstehe nicht, warum er das so aufgeblasen hat, jetzt haben wir zwei Wochen über die alten Amigo-Geschichten diskutieren müssen", sagt einer, der bei Waigels Schloss-Empfang in den vorderen Reihen sitzt.

Es ist Theo Waigel, in den achtziger Jahren Förderer des jungen Seehofer, der an diesem Tag seine Seehofer-Kritik als einziger offen äußert; wenn auch ironisch gebrochen. Möglicherweise hat der Vorsitzende schon etwas geahnt, denn er berichtet in seiner Festrede zu Anfang humorig von seinem Ansinnen, Waigel zum Ehrenvorsitzenden der Partei zu machen: Dies sei "tendenziell riskant", habe ihn Waigel wissen lassen. Er wiederum wisse aber, so Seehofer, "was auf mich zukommt, diese dir eigene Ironie begrüße ich - solange ich selber nicht betroffen bin".

Großes Gelächter. Doch ein paar Minuten später macht Theo Waigel tatsächlich ernst: Er habe auf diesen Empfang auch deshalb eingewilligt, weil er sich gedacht habe, "da kann der Horst Seehofer mal hemmungslos gut über einen Parteifreund reden".

Mit Material von dpa
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