Streit über Griechenland-Strategie Merkel verbittet sich Kritik aus dem Ausland

Merkel (mit Vize Westerwelle, Kanzleramtschef Pofalla): Vorwürfe in die falsche Richtung?
Foto: ddpBerlin - Die Bundesregierung weist in der Griechenland-Krise Kritik aus dem Ausland zurück. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe von Anfang an mit den Euro-Partnern ein klares Vorgehen abgesteckt, sagte Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach. Die Vorwürfe gingen in eine falsche Richtung.
Die Bundesregierung habe stets deutlich gemacht, dass die Euro-Gruppe im Notfall geschlossen und koordiniert handeln werde, sagte Heimbach. Ziel sei ein dauerhaftes und nachhaltiges Reformpaket mit Griechenland, hieß es zu den laufenden Verhandlungen von Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank und EU-Kommission mit Griechenland.
In den vergangenen Tagen war die Bundesregierung und vor allem Kanzlerin Angela Merkel wegen ihrer harten Haltung gegenüber Kredithilfen für Griechenland immer wieder kritisiert worden. Die deutsche Strategie sei nicht hilfreich gewesen und habe die Finanzmärkte verunsichert.
Kanzlerin Merkel trifft an diesem Mittwoch die Vorsitzenden von OECD, Internationalem Währungsfonds (IWF), der Welthandelsorganisation (WTO) und der Weltbank, um über die Krise zu sprechen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) traf am Mittag IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn und Jean-Claude Trichet, den Chef der Europäischen Zentralbank (EZB). Auf gemeinsamen Pressekonferenzen soll die weitere Strategie erörtert werden.
Die Bundesregierung versucht, in der Debatte über die Griechenland-Hilfen Eckpunkte zu setzen. Eine Umschuldung des Landes ist der Regierungssprecherin zufolge kein Thema - die Kanzlerin teile dabei die Position von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Die Bundesregierung lehnt es außerdem ab, Banken an der Finanzierung der Griechenland-Hilfen zu beteiligen - aus allen Bundestagsfraktionen hatte es Forderungen danach gegeben. Auch hier teile Merkel Schäubles Position, dass bei diesem Paket die Finanzinstitute nicht beteiligt werden sollten, sagte Sprecherin Heimbach.
Das Finanzministerium wiederum widersprach Befürchtungen, Portugal oder Spanien könnten in eine ähnliche Notlage wie Griechenland geraten. Die beiden Länder seien in keiner vergleichbaren Situation, sagte eine Sprecherin.
Verunsicherung an den Börsen
An den Börsen hatte die Herabstufung Griechenlands durch die Rating-Agenturen am Dienstag Kursverluste ausgelöst. Der Dax gab nach seinem 2,7-prozentigen Vortagesverlust an diesem Mittwoch zeitweise noch mal 1,8 Prozent nach. Das Umsatzvolumen lag gegen Mittag doppelt so hoch wie zur gleichen Zeit des Vortages. Der Volatilitätsindex VDax, der die Nervosität der Anleger misst, schoss um bis zu 17,4 Prozent in die Höhe auf ein Elf-Wochen-Hoch von 26,95 Zählern. Gegen Mittag erholte sich der deutsche Leitindex wieder.
Im Dax war die Commerzbank , die mit 3,1 Milliarden Euro in Griechenland engagiert ist, das Schlusslicht. Deutsche-Bank-Papiere gaben ebenfalls nach. Unter Verkaufsdruck standen auch die französischen und Schweizer Institute. Sie gehören zu den größten Gläubigern des Mittelmeer-Anrainers.
Der EuroStoxx 50 notierte zeitweilig zwei Prozent schwächer bei 2779 Stellen. "Wenn EU und Internationaler Währungsfonds nicht schnell etwas entscheiden, wird der Markt weiter schnell fallen", sagte Koen de Leus, Volkswirt bei KBC Securities. "Im aktuellen Umfeld ist es schwierig, mit Geschäftszahlen über Markterwartungen zu beeindrucken."
Schon am Morgen hatte es Börsen in Asien erwischt: Der Nikkei-Index der asiatischen Leitbörse in Tokio verlor bis Handelsschluss 2,6 Prozent und sank auf 10.925 Punkte. Der Hang Seng in Hongkong büßte bis zum frühen Nachmittag (Ortszeit) 1,6 Prozent ein, die Börse in Sydney gab um 1,4 Prozent nach. Auch die Märkte in Seoul, Singapur, Taipeh und Shanghai schlossen im Minus. Der Euro indes erholte sich leicht, nachdem er am Vortag in den USA zwischenzeitlich auf den tiefsten Stand seit einem Jahr gefallen war.
Womöglich mehr Gelder benötigt
Nach den pessimistischen Analysen mehrerer Ökonomen richten die Marktteilnehmer ihre Blicke nun mit banger Erwartung auf die Politik. Der IWF hat einem Bericht der "Financial Times" zufolge bereits angeboten, seinen Anteil an den Hilfen um zehn Milliarden Euro aufzustocken. Bislang war geplant, dass der Fonds 15 Milliarden Euro beisteuert.
In Deutschland gibt es massiven Widerstand gegen eine Griechen-Hilfe. 57 Prozent der Bundesbürger halten es für eine schlechte Entscheidung, dem schwer angeschlagenen Land gemeinsam mit den anderen EU-Staaten zu helfen, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten repräsentativen Befragung von Infratest dimap im Auftrag der "Welt" und des Nachrichtensenders France24. 33 Prozent halten eine finanzielle Unterstützung für richtig.
Staatsanleihen unter Druck
Angesichts des Widerstandes schwindet offensichtlich die Zuversicht, dass schnelle Hilfe einen Bankrott Griechenlands verhindern könnte. Entsprechend kletterten die Risikoaufschläge für griechische Staatsanleihen am Mittwoch auf immer neue Rekordhöhen. Unter Druck gerieten auch portugiesische Bonds. Parallel dazu stürzte der Leitindex des ebenfalls hoch verschuldeten Landes um bis zu 6,5 Prozent ab. Dies ist das größte Tagesminus seit dem Herbst 2008. Der Euro fiel auf ein Jahrestief von 1,3143 Dollar.
Unter besonders starkem Druck standen die Finanzwerte. Sie litten Börsianern zufolge unter der Diskussion um ihre Beteiligung an der Rettung Griechenlands. Die Ablehnung der EU-Kommission, einem Schuldenerlass durch die Institute zuzustimmen, hat dabei die Verluste nur unwesentlich gebremst. Der europäische Index für die Finanzbranche gab drei Prozent nach.