Streit über Holocaust-Leugner Merkel rief Papst zur Aussprache an
Hamburg/Berlin - Sie sprechen miteinander - und zwar in großer Harmonie, wie es scheint: In einem Telefonat haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Papst Benedikt XVI. die jüngsten Verstimmungen in der Affäre um den Holocaust-Leugner Bischof Richard Williamson offenbar ausgeräumt. "Es war ein gutes und konstruktives Gespräch, getragen von dem gemeinsamen tiefen Anliegen der immerwährenden Mahnung der Shoa für die Menschheit", teilten Vatikan-Sprecher Pater Federico Lombardi und der Sprecher der Bundesregierung, Ulrich Wilhelm, am Sonntag in einer gemeinsamen Presseerklärung mit.

Kanzlerin Merkel, Papst Benedikt XVI. (Archivbild): Sie reden wieder
Foto: DDPDer Papst und die Kanzlerin hätten in "großem gegenseitigen Respekt" ihre Haltungen ausgetauscht. Das Gespräch kam auf Wunsch Merkels zustande.
Zu Verstimmungen war es gekommen, nachdem Merkel am Dienstag eine klare Haltung des Vatikans im Fall Williamson angemahnt hatte. Unionspolitiker und einige Bischöfe sprachen danach von einer nicht akzeptablen Einmischung in Kirchenangelegenheiten. Am Mittwoch hatte der Papst von Williamson einen Widerruf verlangt. Merkel nannte das ein "wichtiges und gutes Signal".
Williamson erklärte inzwischen, seine Meinung zum Holocaust vorerst nicht zu widerrufen. Er begründete im SPIEGEL seine Verweigerung damit, er wolle zunächst die historischen Beweise für millionenfachen Mord an den Juden prüfen. "Und wenn ich diese Beweise finde, dann werde ich mich korrigieren. Aber das wird Zeit brauchen", sagte Williamson in seiner ersten öffentlichen Äußerung zu dem Streit.
Williamson war kürzlich mit drei anderen exkommunizierten Bischöfen der erzkonservativen Piusbruderschaft durch Papst Benedikt wieder in die Kirche aufgenommen worden. Nach Darstellung des Vatikans hat der Pontifex von der Holocaust-Leugnung Williamsons nichts gewusst.
Williamson lebt in Argentinien in einem Priesterseminar in La Reja, etwa 50 Kilometer von der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires entfernt. In einem TV-Interview hatte der Brite gesagt, historische Fakten sprächen gegen die Existenz von Gaskammern. Es seien nicht sechs Millionen Juden von den Nazis ermordet worden, sondern 200.000 bis 300.000 - aber keiner von ihnen in Gaskammern.
Austrittswelle bei Katholiken
Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE mehren sich die Anzeichen für eine Austrittswelle empörter deutscher Katholiken. Standesämter und Amtsgerichten in deutschen Städten berichten über sprunghaft gestiegene Zahlen. "Die Austrittswelle hat bereits eingesetzt", sagte auch Pater Eberhard von Gemmingen, Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, der "Passauer Neuen Presse". Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Papst und den deutschen Katholiken ist seiner Ansicht nach "ein wenig lädiert". Der geplante Papstbesuch in Deutschland im kommenden Jahr könne diese Situation möglicherweise verbessern.
Einer Emnid-Umfrage im Auftrag von "Bild am Sonntag" zufolge hat der Papst nach Ansicht von 67 Prozent der deutschen Katholiken mit der Teil-Rehabilitierung von Williamson seiner Kirche geschadet. 28 Prozent glauben, dies sei nicht der Fall. Bei allen Deutschen ist das Bild ähnlich (67 zu 22 Prozent).
Die Piusbruderschaft schloss unterdessen einen Priester in Italien wegen seiner Äußerungen zum Holocaust aus. Floriano Abrahamowicz hatte nach Angaben der italienischen Nachrichtenagentur Ansa gesagt, dass die Gaskammern in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten zur Desinfektion genutzt worden seien. Ob Menschen darin auch umgebracht wurden, könne er nicht sagen. Wie Ansa weiter berichtete, solle der Ausschluss des Priesters, der auch Williamson verteidigt hatte, nach Angaben der Piusbruderschaft Schaden von der Organisation abwenden.
Forderungen nach erneuter Exkommunikation Williamsons
Bei Politikern und Kirchenvertretern mehren sich die Forderungen nach einem Ausschluss des Holocaust-Leugners aus der Kirche. Für den Ausschluss Williamsons aus der katholischen Kirche sprach sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, aus. In einem Gespräch der "Bild am Sonntag" sagte er: "Herr Williamson ist unmöglich und unverantwortlich. Ich sehe jetzt keinen Platz mehr für ihn in der katholischen Kirche." Der Freiburger Erzbischof erklärte, schon am Montag werde er der Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, zwei Terminvorschläge für ein Treffen machen.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland forderte Benedikt XVI. auf, sich klar von der Piusbruderschaft zu distanzieren. Wenn der Papst konsequent handeln würde, müsste er sogar alle Piusbrüder exkommunizieren, weil sie sich gegen das Zweite Vatikanische Konzil ausgesprochen haben, sagte Generalsekretär Stephan Kramer der in Landau erscheinenden "Rheinpfalz am Sonntag". Die Priesterbruderschaft St. Pius X. in Deutschland betrachtet Williamson bislang als ihren Glaubensbruder - hatte sich aber von dessen Leugnung des Holocausts distanziert.
Die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, nannte Williamson nach seinen neuerlichen Äußerungen einen "absolut verstockten Holocaust-Leugner und Feind der Menschenrechte". Roth forderte: "Papst Benedikt muss zu Williamson und seiner Piusbruderschaft endlich einen klaren Trennstrich ziehen."
Der Papst und die Piusbruderschaft
Der
Der Papst wird im
Amtssitz des Papstes ist der Vatikan. Seit 1871 residiert er im
Die wichtigste politische Einrichtung der
Die höchsten Verwaltungsbehörden sind die
Zur Kurie gehören auch drei Gerichtshöfe für katholisches Kirchenrecht: der
Außerdem setzt der Heilige Stuhl
Ämter der Kurie sind die
Mit der römischen Kurie verbunden sind verschiedene Institutionen, darunter das
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Leitende Brüder der konservativen
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Besonders belastet wurde die Beziehung zwischen Vatikan und jüdischen Organisationen jedoch durch einen Ausspruch des britischen Piusbruders Bischof