Streit über Steuerpolitik Liberale lehnen sich gegen Parteikurs auf

Gelbe Karte: So folgsam wie auf dem Oktober-Parteitag sind nicht mehr alle Liberale
Foto: Eckehard Schulz/ APHamburg - Kurz vor dem Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart ist in der Partei ein Richtungsstreit in der Steuer- und Finanzpolitik entbrannt. Führende liberale Landespolitiker kritisierten gegenüber dem SPIEGEL die bisherige Regierungsarbeit oder forderten eine stärkere Ausrichtung der Politik auf Haushaltskonsolidierung.
"Wir sind innerparteilich zu wenig auf den Tag X vorbereitet gewesen", sagte der sächsische Landesvorsitzende Holger Zastrow dem SPIEGEL. "Jetzt müssen wir beweisen, dass wir nicht nur Opposition, sondern auch Regierung können."
Der bayerische Landesvize und Wirtschaftsminister Martin Zeil verlangte einen Kurswechsel in der Haushaltspolitik. "Der Aspekt Konsolidierung muss in Zukunft eine größere Rolle spielen. Allein mit Mehreinnahmen werden wir es nicht schaffen." Zeil plädierte dafür, Subventionen mit der Rasenmähermethode zu kürzen: "Zehn Prozent von allem, da kommt einiges zusammen."
Der hessische Landesvorsitzende und Justizminister Jörg-Uwe Hahn fordert Einsparungen im Entwicklungshilfe-Haushalt. "Die Mittel sollten gesenkt werden", sagte Hahn. Gleichzeitig kritisierte er das öffentliche Erscheinungsbild der FDP in der Finanzpolitik. "Es würde die Kommunikation einfacher machen, wenn wir einen Finanzminister hätten", sagte er. Hahn fordert nun, "zwei, drei Persönlichkeiten zu platzieren, damit uns wieder Kompetenz abgenommen wird".
Auch ein Comeback des lange als Bundesfinanzminister gehandelten Hermann Otto Solms erwägt er: "Ich hoffe, wir können ihn motivieren", so Hahn. Solms hatte nach der Bundestagswahl gehofft, Finanzminister zu werden - immerhin war er der liberale Chefverhandler für Finanzen. Doch er wagte es, von geringen Spielräumen für Steuersenkungen zu sprechen, der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble übernahm den Wunschposten. Für viele hat die Partei mit Solms' Niederlage ihr finanzpolitisches Gesicht verloren.
"Man muss auch mal Nein sagen können"
Kritik an der FDP äußert auch der CDU-Politiker und Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer. Im SPIEGEL hielt er der Partei vor, Prinzipien über Bord zu werfen. Sie sei grundsätzlich gegen die Aufnahme neuer Schulden, wolle aber Steuersenkungen mit geliehenen Milliarden bezahlen. "Konsequent ist das nicht." Böhmer kritisierte auch die schwarz-gelbe Koalition auf Bundesebene und das jüngste Steuerpaket. Die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Hoteliers nannte er "reine Klientelpolitik". Die Politik müsse auch mal die Kraft haben, Nein zu sagen. Für weitere Steuersenkungen sehe er keinen Spielraum.
CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich sekundierte im "Focus": "Die FDP hat eine ganze Weile gebraucht, bis sie begriffen hat, dass nicht mehr jeder seine Spielwiese pflegen kann wie noch zu Oppositionszeiten." Die Steuerschätzung im Mai werde zeigen, inwieweit weitere Steuerentlastungen möglich seien. Ähnlich äußerte sich CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe.
FDP-Chef Guido Westerwelle hingegen wehrt sich gegen die wachsende Kritik an der Steuerpolitik und dem Erscheinungsbild der schwarz-gelben Koalition. Er beharrt auf den Plänen für weitere Steuerentlastungen in Milliardenhöhe.
Der Vorsitzende der Liberalen wies vor dem Dreikönigstreffen seiner Partei die Kritik aus Union und FDP am Kurs der Koalition zurück. "Ich akzeptiere nicht, wenn schwarz-gelbe Erfolge zerredet werden", sagte der Vizekanzler dem Magazin "Focus". "Wir brauchen eine geistig-politische Wende in Deutschland - weg von immer stärkerer Abkassiererei bei denjenigen, die den Karren ziehen." Die Mittelschicht müsse gestärkt werden. An weiteren Steuerentlastungen werde die FDP unbeirrt weiterarbeiten. "Steuergerechtigkeit reißt keine Haushaltslöcher."