Streit um Beschneidung Richterbund verlangt Änderung des Strafrechts

Deutschlands Richter schalten sich in die Debatte um die Beschneidung von Jungen ein. Sie fordern eine "konkrete Ausnahmeregelung" im Strafrecht - und rasche Rechtssicherheit für die Betroffenen. Scharfe Kritik an der Position des Bundestags kommt vom Bund Deutscher Kriminalbeamter.

Osnabrück - Der Bundestag hat zum Thema Beschneidung klare Position bezogen, jetzt meldet sich der Deutsche Richterbund (DRB) in der Diskussion zu Wort. Dieser hat die Resolution des Parlaments zu einer schnellen rechtlichen Einordnung der Beschneidung begrüßt.

In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte der DRB-Vorsitzende Christoph Frank: "Vordringlich ist eine strafrechtliche Neuregelung, damit Wertungswidersprüche ausgeräumt werden und Rechtssicherheit bei Betroffenen, Strafverfolgungsbehörden und Gerichten hergestellt wird."

Man müsse jetzt prüfen, unter welchen Bedingungen im Strafrecht eine "konkrete Ausnahmeregelung" für die Beschneidung von Jungen, insbesondere aus religiösen Gründen, geschaffen werden könne. Die Verabschiedung einer gesetzlichen Neuregelung sollte auch bei sorgfältiger Abwägung des Schutzes der widerstreitenden Rechtsgüter im Herbst möglich sein, betonte er.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) kritisierte die Resolution dagegen scharf. "Unsere Verfassung kann nicht durch ein einfaches Gesetz beschränkt werden, so wie es der Bundestag gerade panisch versucht", sagte BDK-Chef André Schulz der Zeitung. Die Freiheit der Religionsausübung der Eltern werde ohnehin durch das schwerer wiegende Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit begrenzt, so Schulz.

Der Bundestag hatte am Donnerstag eine Resolution verabschiedet. Die Kernaussage: "Eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen" müsse "grundsätzlich zulässig" sein. Die Abgeordneten stimmten mit breiter Mehrheit zu.

In der Entschließung wird zudem gefordert, dass die Bundesregierung möglichst bis Herbst eine gesetzliche Regelung vorlegen soll. Diese müsse Rechtssicherheit für Eltern und Mediziner schaffen. Der Bundestagsbeschluss hat allerdings nur symbolischen Wert - rechtlich bindend ist er nicht.

Hintergrund der Debatte ist ein Urteil des Landgerichts Köln. Die Richter hatten die Beschneidung eines vierjährigen Jungen als rechtswidrige Körperverletzung gewertet und damit Proteste in den muslimischen und jüdischen Gemeinden ausgelöst.

Deutsche sind beim Thema unentschieden

Die Bevölkerung ist in dieser Frage durchaus gespalten: Fast die Hälfte der Deutschen ist für ein Verbot ritueller Beschneidungen von Jungen. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa sprachen sich 45 Prozent dafür aus, der jahrhundertealten islamischen und jüdischen Tradition einen Riegel vorzuschieben. 42 Prozent waren gegen ein Verbot, 13 Prozent hatten keine Meinung zu dem Thema.

Angesichts der internationalen Empörung über das Kölner Urteil glauben 33 Prozent der Befragten, dass ein bundesweites Verbot Deutschlands Ansehen in der Welt schaden würde. 55 Prozent glauben das nicht.

jok/dapd/AFP
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren