Streit um neue Steuer Atomlobby droht mit AKW-Aus

Die Energiekonzerne denken daran, bald Atommeiler abzuschalten: Sollte die schwarz-gelbe Koalition wie geplant eine Steuer auf Brennelemente einführen, rechne sich der Betrieb von vielen Kernkraftwerken nicht länger. Die Regierung hält das für "Säbelrasseln".
Druckbehälter im Atomkraftwerk Isar 2: Bei Bedarf Atomstrom aus dem Ausland

Druckbehälter im Atomkraftwerk Isar 2: Bei Bedarf Atomstrom aus dem Ausland

Foto: Armin Weigel/ dpa

Der Streit über längere Laufzeiten für Atomkraftwerke nimmt eine überraschende Wende: Die deutsche Atomlobby denkt an das Abschalten ihrer Kernkraftwerke. Sollte die Regierung tatsächlich eine Brennelementesteuer einführen, lohne sich der Weiterbetrieb vieler Anlagen nicht mehr. Vertreter der Konzerne E.on, RWE, Vattenfall und EnBW drohten für den Fall nach Informationen des SPIEGEL mit einem Sofortausstieg aus der Atomenergie.

Das kündigten sie in Verhandlungen mit Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) an. Damit hätte Röttgen erreicht, was die Anti-Atomkraft-Bewegung und die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder nicht erreicht haben: den Atomausstieg. Dabei wollen vor allem Baden-Württemberg und Bayern die Laufzeit ihrer Meiler um bis zu 20 Jahre verlängern. Die schwarz-gelbe Koalition streitet seit Monaten über den Umfang der von ihr geplanten Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke.

So soll das Angebot der Energiekonzerne wohl als Drohung wahrgenommen werden. Eine generelle Abkehr von der Kernkraft steht für die Konzerne nicht zur Diskussion: Bei Bedarf würde man in dem Fall Atomstrom im Ausland zukaufen, erklärten die Konzerne. Die Bundesregierung hält die Drohung dann auch nur für "Säbelrasseln".

Derzeit verhandeln Vertreter der Konzerne mit dem für den Haushalt zuständigen Staatssekretär Werner Gatzer aus dem Finanzministerium darüber, ob sie im Gegenzug für die verlängerte Laufzeit statt der Brennelementesteuer auch vertraglich vereinbarte Zahlungen leisten können. Der Vorteil: Der Bundesrat, in dem seit der Wahl in Nordrhein-Westfalen keine klare Mehrheit mehr für eine Verlängerung der Laufzeiten besteht, müsste womöglich nicht dazu befragt werden.

Notfallpläne und Zahlungsverweigerung

Noch liegen aber beide Seiten weit auseinander, alle Vertragsentwürfe der Industrie lehnte die Regierung bislang ab. Deshalb wollen die Stromkonzerne den Druck in den nächsten Wochen erhöhen.

Geplant ist eine Kampagne, bei der hochrangige Wirtschaftsvertreter sich für eine Fortführung der Kernkraft aussprechen sollen. Außerdem basteln Juristen an Notfallplänen. Für den Fall, dass die Brennelementesteuer in einer Höhe von mehr als 2,3 Milliarden Euro pro Jahr erhoben wird, prüfen die Konzerne eine Klage in Brüssel. Selbst eine Zahlungsverweigerung der Steuer wird diskutiert.

Die Opposition kritisiert die Laufzeitverhandlungen: Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast kündigte der Koalition einen "heißen Herbst" an. "Ich kann Schwarz-Gelb nur sagen: Wir werden uns das nicht gefallen lassen", sagte Künast den Dortmunder "Ruhr Nachrichten" vom Samstag. Sie nannte das Vorgehen von Union und FDP einen "Skandal": "Bevor überhaupt ein Energiekonzept steht, wird bereits über Laufzeiten verhandelt."

"Hier geht es um ein schmutziges Geschäft: Milliarden gegen Laufzeiten, Geld gegen den Wiedereinstieg in eine gefährliche Technologie", sagte Künast weiter. Die Grünen-Politikerin bekräftigte die Drohung, eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht einzureichen, sollte die Regierung versuchen, eine Laufzeitverlängerung am Bundesrat vorbei durchzusetzen.

ore/AFP
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