Schärferes Waffenrecht Faeser will »kriegswaffenähnliche Feuerwaffen« verbieten – FDP dagegen

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)
Foto: Rolf Vennenbernd / dpaDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Es war eine der ersten Ankündigungen von Nancy Faeser als Bundesinnenministerin. »Wer psychisch auffällig ist oder sich offensichtlich radikalisiert hat, darf keine Waffen besitzen, erst recht nicht legal«, sagte die SPD-Politikerin dem SPIEGEL nach Amtsantritt im Dezember 2021 . Es war ihre Lehre aus dem Anschlag von Hanau mit zehn Todesopfern.
Wie genau sie die Gesetze ändern will, ließ Faeser damals noch offen. Gut ein Jahr später hat die Innenministerin nun einen konkreten Vorschlag für die Verschärfung des Waffenrechts vorgelegt. Die Festnahme einer mutmaßlichen »Reichsbürger«-Terrorgruppe vor Weihnachten hat sie in dem Vorhaben bestärkt – rund 100 Schusswaffen befanden sich in Händen der Verschwörungsanhänger , die meisten legal.
In der Ampel bahnt sich nun ein Koalitionskrach an. Denn die FDP stellt sich kategorisch gegen den Vorstoß der SPD-Ministerin. Wie hier ein Kompromiss aussehen könnte, ist schwer vorzustellen.
In dem 48 Seiten langen Gesetzentwurf, der dem SPIEGEL vorliegt, unterbreiten Faesers Fachleute ein ganzes Bündel an Vorschlägen:
»Kriegswaffenähnliche halb automatische Feuerwaffen« sollen ganz verboten werden. Gemeint sind vor allem die zivilen Versionen von Sturmgewehren, die laut Innenministerium auf Amokläufer und Terroristen »besonders anziehend« wirkten und bei Anschlägen in Norwegen, Neuseeland und den USA zum Einsatz kamen. 135.000 solcher Waffen besitzen Privatleute in Deutschland, sie müssten verschrottet werden.
Für den Besitz von Armbrüsten soll künftig ein sogenannter kleiner Waffenschein nötig sein. Auch beim Kauf von Schreckschusswaffen soll es Verschärfungen geben.
Das Üben mit Gewehren, Pistolen und Revolvern auf Schießständen soll stärker reglementiert werden.
Jeder, der erstmals eine Schusswaffenerlaubnis beantragt, müsste künftig ein ärztliches oder psychologisches Zeugnis vorlegen, das die »geistige Eignung« attestiert. Bisher gilt dies nur für unter 25-Jährige.
Künftig sollen die örtlichen Waffenbehörden nicht nur bei Verfassungsschutz und Polizei abfragen, ob etwas zu Antragsstellern vorliegt, das gegen den Besitz einer Schusswaffe spricht. Auch bei den Gesundheitsbehörden soll es eine solche Regelabfrage geben. Alle Behörden, die Erkenntnisse über eine »Eigen- oder Fremdgefährdung« aufgrund einer psychischen Störung haben, sollen von sich aus die Waffenbehörden informieren.
Schon Seehofer scheiterte mit Verschärfung
Letztere Vorschläge hatte bereits Faesers Vorgänger Horst Seehofer (CSU) in einem Gesetzentwurf unterbreitet. Es war eine Reaktion auf den Anschlag von Hanau 2020, bei dem ein psychisch kranker und rassistischer Attentäter mit legal erworbenen Pistolen mordete. Seehofer scheiterte damals jedoch am Widerstand der Schützenlobby und der eigenen Unionsfraktion im Bundestag.
In der Ampel ist es nun die FDP, die sich gegen die Pläne beim Waffenrecht stellt. Der für das Thema zuständige Innenpolitiker Konstantin Kuhle sagte dem SPIEGEL, es müsse erst evaluiert werden, »was die zahlreichen Verschärfungen der letzten Jahre eigentlich für die Sicherheitslage in Deutschland gebracht haben«. Davor könne es keine erneuten Änderungen geben.

Polizisten bei Razzia gegen »Reichsbürger« im Dezember
Foto: Carsten Koall / Getty Images»Verfassungsfeinde und Reichsbürger können schon auf der Grundlage des geltenden Rechts entwaffnet werden«, sagte Kuhle. Und bei der geplanten Regelabfrage bei den Gesundheitsbehörden bestehe »die Gefahr, dass sensible Gesundheitsdaten in die falschen Hände geraten«.
Selbst das Verbot halb automatischer Sturmgewehre für Privatleute lehnt der FDP-Politiker ab. »Es hilft für eine sachliche Diskussion über das Waffenrecht nicht weiter, ständig neue Verbotsdebatten vom Zaun zu brechen. Zentrales Vorhaben sollte vielmehr die Bekämpfung illegaler Schusswaffen sein.« Dies bringe mehr als eine »Gängelei von Legalwaffenbesitzern wie Sportschützen und Jägern«.
Ähnlich äußerte sich auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr. »Statt neue Verbote zu verhängen, sollten wir dafür sorgen, dass die Waffenbehörden in den Kommunen besser ausgestattet und ausgebildet werden«, sagte er der Augsburger Allgemeinen.
Zweiter großer Streit in der inneren Sicherheit
Somit zeichnet sich der zweite große Ampelstreit in Sachen innere Sicherheit ab. Bereits bei der Frage der Vorratsdatenspeicherung von Internetadressen liegen SPD-Innenministerin Faeser und FDP-Justizminister Marco Buschmann über Kreuz.
Anders als beim Datenstreit bekommt Faeser allerdings beim Waffenrecht Unterstützung vom zweiten Koalitionspartner, den Grünen. Sie schlagen sich hier weitgehend auf die Seite der SPD. »Bei der Entwaffnung von Verfassungsfeinden, halb automatischen Waffen und Schreckschusswaffen gibt es erheblichen Handlungsbedarf«, sagte der Grünen-Innenpolitiker Marcel Emmerich dem SPIEGEL. »Die Silvesternacht und die Dezemberrazzia gegen Reichsbürger haben das bestätigt.«
Die Vorschläge aus dem Innenministerium beinhalteten langjährige Forderungen der Grünen, so Emmerich. »Es geht dabei nicht darum, Sportschützen oder Jäger zu gängeln, sondern, diejenigen, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen, von Waffen fernzuhalten.«
Um Extremisten zu entwaffnen, könnte der Grünenpolitiker sich sogar noch schärfere Regeln vorstellen als bislang in Faesers Entwurf stehen. Lediglich beim Austausch von Gesundheitsdaten mit den Waffenbehörden ist er zurückhaltend. Hier sei »noch unklar, welche Informationen genau geteilt werden sollen, und das wird mit Blick auf die Rechte der Patienten zu prüfen sein«.
Es ist der Punkt, an dem schon Seehofer gescheitert war.