Streit um Wulffs Ehrensold Genug ist genug

Missgunst, Häme, Hass - die Debatte über Christian Wulffs Ehrensold, den Zapfenstreich und sein Büro ist unwürdig und muss sofort beendet werden. Warum schweigt Angela Merkel?
Ex-Präsident Wulff: Was steht ihm zu?

Ex-Präsident Wulff: Was steht ihm zu?

Foto: dapd

Eine große Mehrheit der Deutschen ist strikt gegen einen Ehrensold für Christian Wulff. Im Internet und in den Leserbriefspalten der Zeitungen wird über den Gestrauchelten geklagt. Im Vote von SPIEGEL ONLINE sprechen sich mehr als 90 Prozent gegen den Zapfenstreich aus. Das Fernsehen zeigt fast jeden Abend Straßenumfragen, in denen Bürger gegen ihren Ex-Präsidenten pesten.

Kurz gesagt: Es ergießt sich ein Kübel Häme, Neid, Hass über Christian Wulff.

Man möchte sagen: Es reicht! Die Art und Weise, wie nun mit Wulff umgegangen wird, ist stillos, ja unmenschlich. Christian Wulff war der falsche Präsident, er hat politische und persönliche Fehler begangen, er wird wegen möglicher Vorteilsannahme von der Staatsanwaltschaft verfolgt. Er ist zurecht zurückgetreten. Doch wie ihn nun diese kollektive deutsche Neidkeule trifft, das ist unverhältnismäßig.

Genug ist genug

Man kann darüber diskutieren, ob der Ehrensold von 199.000 Euro pro Jahr angemessen ist. Man kann auch darüber streiten, ob Christian Wulff Anspruch auf ein Büro und eine Sekretärin haben muss. Aber genug ist genug. Wo soll das alles hinführen? Die Versorgung entspricht der geltenden Gesetzeslage, Wulff stehen diese Bezüge zu. Diesen Vertrag sind wir, ist der Staat, mit ihm eingegangen, als er zum Präsidenten gewählt wurde. Natürlich wäre es klüger, schöner, besser, er würde von sich aus auf einen Teil der Einnahmen verzichten. Aber so oder so gilt: Pacta sunt servanda.

Natürlich guckt nun jeder auf seinen eigenen Kontoauszug oder auf den Rentenbescheid - und vergleicht: Mehr als 500 Euro pro Tag bis ans Lebensende, dazu ein Daimler und andere Annehmlichkeiten - ist das gerecht, wird gefragt? Frank Bsirske, der wortgewaltige Anführer der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst, macht sich die allgemeine Missgunst zunutze und fordert einen Ehrensold für Müllwerker.

Gnadenloser Umgang

Das ist ein knackiger Spruch, der an den Stammtischen Applaus findet. Aber auch da stellt sich die Frage: Will sich Deutschland wirklich auf dieses Niveau hinabbegeben? Politiker, zumal solche, die über viele Jahre an wichtiger Stelle arbeiten, haben Anspruch auf eine anständige Bezahlung und Versorgung - auch für den Fall des Scheiterns. Das muss sich das Gemeinwesen leisten können.

Klar, manchmal gibt es Totalausfälle. Aber Bundespräsident, Kanzler, Minister, auch Abgeordneter, das sind Fulltime-Jobs und sie sollen von Top-Leuten ausgefüllt werden. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass sie anständig bezahlt werden. Und das kostet eben etwas.

Die Debatte hat Maß und Mitte verloren. Andrea Nahles ist hier einmal zu loben, sie hat schon sehr früh die Kritik am Ehrensold für Wulff als "kleinlich" kritisiert. Vielleicht hat es etwas mit ihrer Verwurzelung im katholischen Glauben zu tun, dass sie nun menschliches Unbehagen empfindet, angesichts des ganz und gar gnadenlosen Umgangs mit dem früh Gestrauchelten.

Man fragt sich: Wo sind jetzt eigentlich jene, die Wulff in dieses Amt geholt haben? Warum ducken sie sich weg, warum treten sie nicht für ihn ein? Fürchten sie auch den Volkszorn? Christian Wulff war Angela Merkels Präsident. Sie sollte einmal mit ihrem Volk vernehmlich sprechen und sagen: Es reicht.

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