Strompreisbremse Grüne sagen Altmaier den Kampf an

Altmaier und Rösler: Belastungen ungleich verteilt
Foto: Kay Nietfeld/ dpaBerlin - Fast schien es, als hätte es nie Streit gegeben. In demonstrativer Eintracht traten Peter Altmaier und Philipp Rösler nach dem Treffen mit den Vertretern der Länder vor die Presse, um die gemeinsame Aufgabe noch einmal zu erklären. "Es war eine sachliche Diskussion, und wir waren uns einig, die EEG-Umlage zunächst festzuschreiben und später ihren Anstieg zu begrenzen", sagte Altmaier. "Für die Akzeptanz der Energiewende spielen Energiepreise eine entscheidende Rolle", ergänzte Rösler. "Der Weg ist jetzt frei."
Wie diese Einigung zustande kommen soll, ließen die beiden Ministerkollegen jedoch unbeantwortet. Man habe eine Arbeitsgruppe gebildet, die bis Mitte März alle offenen Fragen des jetzt vorgelegten Positionspapiers klären solle, sagte Altmaier nur. Das gemeinsame Konzept solle dann von den Ministerpräsidenten bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 21. und 22. März beschlossen werden.
Die Beantwortung dieser offenen Fragen dürfte jedoch schwieriger werden, als der Umweltminister glauben machen will. Zwar sind sich alle Beteiligten darüber einig, den Anstieg der Strompreise zu bremsen. Doch die Vorstellungen, wer die Zeche bezahlen soll, gehen weit auseinander: Während die Bundesregierung im Prinzip alle Beteiligten in die Pflicht nehmen will, machen sich die Grünen für den Schutz der regenerativen Energien stark. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warnt auf der anderen Seite beständig vor "teuren Wahlgeschenken zu Lasten der Wirtschaft".
EEG-Umlage als Strompreistreiber
Als Treiber für den Strompreis gilt die EEG-Umlage, die zur Finanzierung der Energiewende dient. Danach garantiert der Staat den Betreibern von Solar- und Windparks für den produzierten Strom für 20 Jahre feste Vergütungen, um den Wettbewerbsnachteil gegenüber den herkömmlichen Kraftwerken auszugleichen. Derzeit beträgt die Umlage 5,28 Cent je Kilowattstunde, also rund 20 Milliarden Euro jährlich.
Die Belastungen sind allerdings recht ungleich verteilt. So bekommen etwa Unternehmen Rabatte, die hohe Strommengen für ihre Produktion benötigen und im intensiven internationalen Wettbewerb stehen. Würden alle Stromkäufer ohne Ausnahme gleichermaßen belastet, betrüge die Umlage nach Angaben der Netzbetreiber nicht 5,28 Cent, sondern nur knapp 3,3.
Altmaier und Rösler wollen nun die Garantievergütungen für neue Windräder reduzieren, die Zuschüsse für Altanlagen ein wenig senken und die Liste der begünstigten Unternehmen ausdünnen. Insgesamt sollen die Maßnahmen 1,86 Milliarden Euro einsparen.
Im Detail sieht der gemeinsame Vorschlag folgende Punkte vor:
- Altmaier hat sich mit seinem Vorschlag durchgesetzt, dass die Ökostrom-Umlage auf ihrem heutigen Niveau eingefroren wird. Bis Ende 2014 soll sie nicht mehr steigen, wird also gesetzlich begrenzt. Danach wächst sie um maximal 2,5 Prozent pro Jahr.
- Der gemeinsame Vorschlag sieht zudem vor, dass neue, aber auch schon bestehende Solar- und Windparks einen Beitrag zur Kostendämpfung der Ökostrom-Umlage leisten sollen.
- Rösler setzte sich durch mit dem Vorschlag für neue Windenergieanlagen an Land: Die Anfangsvergütung wird auf 8 Ct/kWh abgesenkt. Das bringt eine jährliche Kostenersparnis von 40 Millionen, laut Papier.
- Auch die energieintensive Industrie soll stärker herangezogen werden.
- Der Gülle-Bonus, der mit der EEG-Novelle 2008 auch rückwirkend für damals bereits bestehende Biomasse-Anlagen eingeführt wurde, wird mit Wirkung ab 1. August 2013 gestrichen. Dies betrifft Anlagen, die zwischen 2004 und 2008 in Betrieb genommen wurden.
- Weiter heißt es: Im Übrigen werden die Vergütungen für Bestandsanlagen im Jahr 2014 pauschal um 1,5 Prozent abgesenkt, befristet für ein Jahr. Dies betrifft alle Anlagen, die vor dem 1. August 2013 in Betrieb genommen worden sind.
- Direktvermarktung: Betreiber von größeren Anlagen (ab einer Leistung von 150 Kilowatt), die ab dem 1. August 2013 in Betrieb genommen werden, müssen ihren Strom selbst verkaufen. Sie haben keinen Anspruch mehr auf eine fixe Einspeisevergütung, also einen festgelegten Preis. Hier entspricht der Vorschlag der bisherigen Linie Röslers.
- Beim Einspeisemanagement wird die Entschädigung bei Anlagen, die in der festen Einspeisevergütung einspeisen, "deutlich abgesenkt", heißt es weiter. Dies geht auf einen Vorschlag Röslers zurück. Konkret heißt das: Wenn das Netz überlastet ist, wird die Anlage abgekoppelt. Bislang bekommt der Betreiber bis zu 95 Prozent des Ausfalls erstattet, künftig wird es erheblich weniger sein.
- Branchen, die nicht im intensiven internationalen Wettbewerb stehen, werden aus der Besonderen Ausgleichsregelung herausgenommen und damit künftig nicht mehr privilegiert, heißt es weiter.
- Dagegen soll die Mindest-Umlage der privilegierten stromintensiven Unternehmen ("Selbstbehalt") ab 1. Januar 2014 angehoben werden.
Einen Solidarbeitrag der Ökostromanbieter lehnen die Grünen jedoch strikt ab. Die Ausbauziele bei den erneuerbaren Energien dürften nicht in Frage gestellt werden, betonte der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel nach der Sitzung. Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) wiederum hält Altmaiers Vorschlag, auch in bestehende Verträge einzugreifen, für problematisch. "Wir brauchen Planungs- und Rechtssicherheit", sagte er morgens im Deutschlandfunk. Und Heiko Maas, Energieminister im Saarland, plädiert für eine Senkung der Stromsteuer.
Aber nicht nur die Vielfalt der Interessen und der Vorschläge macht eine Einigung schwierig. Das Thema eignet sich auch vortrefflich für den Wahlkampf. Entsprechend wenig Interesse haben die rot-grün regierten Bundesländer, der Merkel-Regierung den Triumph zu gönnen, noch rechtzeitig vor dem Urnengang für eine Stabilisierung des Strompreises gesorgt zu haben.
Im Altmaier-Ministerium sieht man das natürlich aus einem ganz anderen Blickwinkel. Wer sich in den kommenden Wochen einer Einigung widersetze, müsse mit dem Vorwurf leben, den Preisen freien Lauf zu lassen, betont Chefsprecher Dominik Geißler. "Mit dem heutigen Tag kann man das Thema für den Wahlkampf vergessen."