Studie So denken die Deutschen über Migration

Laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung bewertet eine Mehrheit der Deutschen Einwanderung als Chance. Mehr Flüchtlinge soll das Land aber trotzdem nicht aufnehmen. Bei einem Thema herrscht besonders große Einigkeit.
Foto: Sean Gallup/ Getty Images

In Deutschland wird seit Sommer 2015 kontrovers über Migration diskutiert. Wie ist die Stimmung im Land, dreieinhalb Jahre nach "Wir schaffen das"? Das untersuchte eine Studie  der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Die Macher der Studie kommen zu dem Schluss, dass eine Mehrheit der Deutschen Einwanderung als Chance begreift. Der Aussage stimmen demnach 53 Prozent der Bürger zu, 17 Prozent geben an, Einwanderung neutral gegenüberzustehen und 29 Prozent glauben nicht, dass Einwanderung eine Chance ist.

Große Unterschiede zwischen den Gruppen

Laut der Studie der SPD-nahen Stiftung ordnet sich die Bevölkerung zudem in drei Gruppen ein. Etwa ein Viertel zähle sich zu den "National Orientierten", ein weiteres Viertel zu den "Weltoffen Orientierten" und etwa 50 Prozent zählten sich zur "Beweglichen Mitte". Das zeige, dass die Gesellschaft nicht in zwei unversöhnliche Gruppen gespalten sei, sondern über durchaus differenzierte Einstellungen verfüge, so die Autoren.

Die drei Gruppen unterscheiden sich demnach nicht deutlich in der Altersstruktur oder Geschlechterzusammensetzung. Es ergebe sich auch kein Stadt-Land-Gefälle. Bei der Bildung sei allerdings ein Unterschied zu erkennen: Die "Weltoffen Orientierten" seien häufiger formal hoch gebildet, die "National Orientierten" hätten häufiger einen niedrigeren Bildungsabschluss. Die "National Orientierten" verdienten durchschnittlich weniger als die "Bewegliche Mitte".

Obwohl eine Mehrheit der Deutschen angibt, Einwanderung als Chance zu sehen, gibt es zwischen den drei Gruppen große Unterschiede. 41 Prozent der "National Orientierten" stimmen der Aussage "Deutschland sollte Einwanderung als Chance begreifen" demnach überhaupt nicht zu, noch einmal 22 Prozent stimmen eher nicht zu. Im Gegensatz dazu stimmen 47 Prozent der "Weltoffen Orientierten" der Aussage voll und ganz zu und 41 Prozent stimmten der Aussage eher zu.

Fachkräftemangel durch Zuwanderung bekämpfen

Die Einstellungen zur Fachkräftezuwanderung sind positiv. Zwei Drittel der Bürger stimmen der Aussage zu, dass Deutschland ausländische Arbeitskräfte brauche, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Auch bei den "National Orientierten" stimmen 38 Prozent dieser Aussage zu. Bei den "Weltoffen Orientierten" vertraten 82 Prozent diesen Standpunkt.

Auf Fluchtursachen blicken die Menschen in Deutschland deutlich kritischer. Über die Hälfte der Bevölkerung ist der Meinung, dass Deutschland weniger Menschen aufnehmen sollte, die aus wirtschaftlichen Gründen und vor Armut fliehen. Zugleich aber ist die Mehrheit bereit, Menschen aufzunehmen, die sich vor Krieg und Bürgerkrieg retten konnten.

Mehrheit glaubt, Politik habe keinen Plan für Flüchtlinge

Die Bürger glauben, dass die Politik mit der Aufnahme von Flüchtlingen überfordert sei. Laut der Studie stimmen 56 Prozent der Aussage zu, dass Deutschland sich übernommen habe und vorerst keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen sollte. 91 Prozent der "National Orientierten" stimmen der Aussage zu, selbst 21 Prozent der "Weltoffen Orientierten" teilten diese Einschätzung.

Dass Deutschland keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen soll, steht im Gegensatz zu der einwanderungsfreundlichen Haltung der Deutschen, die die Studie attestiert. Die Autoren sehen eine Ursache in der Politik. Demnach stimmen zwei Drittel der Aussage zu, dass die Bundesregierung keinen Plan habe, wie es mit den Flüchtlingen, die in Deutschland sind, weitergehen solle. Die Deutschen finden, dass die Bundesregierung zu viel für Flüchtlinge tue, die aus Armut flohen.

Integration: nein, Spurwechsel: ja

52 Prozent sind zudem der Meinung, dass es für Kriegsflüchtlinge keine tiefergehenden Integrationsleistungen brauche, da sie das Land wieder verlassen sollten, sobald der Krieg in ihren jeweiligen Heimatländern vorbei sei. Nur 46 Prozent glaubten, dass Kriegsflüchtlinge länger bleiben, als derzeit angenommen wird, und daher in die Gesellschaft integriert werden müssten.

Allerdings zeigt sich auch hier ein Gegensatz: Frage man nach der Bleibeperspektive von Menschen, die bereits gut integriert sind, erhalte man ein anderes Bild. Demnach geben 78 Prozent an, dass Menschen, die einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz haben, bleiben dürfen sollten, auch wenn sie formal ausreisepflichtig wären.

Auch unter den "National Orientierten" finden zwei Drittel, dass man für gut integrierte Ausländer eine Bleibeperspektive schaffen sollte.

Große Herausforderungen: Flucht, Migration, Rechtsextremismus

27 Prozent der Bürger nennen Flucht und Migration als größte Herausforderung der nächsten 10 bis 20 Jahre. Am zweithäufigsten wird die soziale Gerechtigkeit genannt (22 Prozent), danach folgt der Klimawandel (13 Prozent).

In Bezug auf Migration ist die größte Sorge der Deutschen laut der Studie die Zunahme von Rechtsextremismus und rassistischer Gewalt. Demnach gaben 86 Prozent an, sich darum Sorgen zu machen. Danach folgt die Furcht vor der weiteren Spaltung der Gesellschaft (81 Prozent) und an dritter Stelle die Angst vor der Zunahme von Kriminalität und Terroranschlägen (73 Prozent).

Die "National Orientierten" hegen die größte Sorge vor der Zunahme von Kriminalität und Terroranschlägen, sowie vor dem Einfluss des Islam auf die Gesellschaft. 95 Prozent geben jeweils an, sehr besorgt oder eher besorgt deshalb zu sein. 75 Prozent fürchten sich zudem vor einer Zunahme von Rechtsextremismus und rassistischer Gewalt.

Zudem stimmen 79 Prozent der Bürger der Aussage zu, dass der Zusammenhalt in der Gesellschaft zunehmend verloren gehe. Am meisten Sorge vor der Spaltung der Gesellschaft haben demnach die "National Orientierten", 93 Prozent stimmten der Aussage zu.

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