Stuttgart 21 Geißler schließt neuen Stresstest aus

Gegner und Befürworter des Projekts S21 im Stuttgarter Rathaus
Foto: Thomas Niedermueller/ Getty ImagesStuttgart - Im Stuttgarter Rathaus hat am Freitagvormittag die offizielle Vorstellung des Stresstests zu dem umstrittenen Bahn-Projekt S21 begonnen - mit einem Streit über die Organisation der Veranstaltung. Die Projektgegner verlangten, ihre grundsätzliche Kritik an dem Leistungstest ausführlich äußern zu können und erst danach der Bahn die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Schlichter Heiner Geißler wies diese Forderung zurück. Es sei sinnvoller, wenn die Gegner einzelne Kritikpunkte vortrügen und die Bahn jeweils sofort darauf reagiere.
Geißler ermahnte zudem alle Beteiligten, sich der großen Aufmerksamkeit für die Veranstaltung bewusst zu sein. "Alles, was hier gesagt wird", werde genau verfolgt, nicht zuletzt dank der Live-Übertragung im Fernsehsender Phoenix. Während der Sitzung demonstrierten vor dem Stuttgarter Rathaus mehrere hundert Gegner des umstrittenen Bahnprojekts.
Geißler rügte am Freitag auch die Bahn, weil sie beim Stresstest für den geplanten Tiefbahnhof die Gegner unzureichend eingebunden habe. "Ich stehe in dieser Frage völlig hinter der Kritik", sagte Geißler. Zuvor hatte die Sprecherin des Aktionsbündnisses, Brigitte Dahlbender, erklärt, die Bahn habe das Aktionsbündnis "systematisch ausgegrenzt", obwohl es in der Schlichtung Ende 2010 anders vereinbart worden sei.
Bei dem Termin soll auch die Bewertung des Tests durch das Schweizer Gutachterbüro SMA präsentiert werden. Bereits in den vergangenen Tagen war bekannt geworden, dass die Gutachter dem geplanten Bahnhofsneubau eine "wirtschaftlich optimale Betriebsqualität" bescheinigen. Die Projektgegner halten den Test aber nicht für aussagekräftig, da seine Vorgaben von der Bahn selbst stammen.
Am Morgen hatte Geißler erklärt, dass ein neuer Stresstest für das umstrittene Bahn-Projekt, wie ihn Kritiker fordern, nicht in Frage komme. Der nun vorliegende Stresstest sei "über jeden Zweifel erhaben", sagte der Schlichter im ZDF-"Morgenmagazin". Er sei "mit hoher Professionalität" vorgenommen worden. "Das wird man nicht kritisieren können." Zugleich bekräftigte Geißler seine Forderung nach deutlichen Nachbesserungen an dem Bahnprojekt. Er erinnerte unter anderem daran, dass die grün-rote Landesregierung für den Herbst eine Volksabstimmung über Stuttgart 21 plant. Es werde "für die deutsche Bahn sehr schwer sein, in diesem Umfeld die ursprüngliche Planung durchzuführen".
Die Bahn lehnt einen neuen Stresstest ab. "Ich gehe nicht davon aus", sagte Bahn-Technikvorstand Volker Kefer dem Fernsehsender Phoenix. Die Bahn habe nach allen Regeln der Kunst den Nachweis geführt, dass der geplante Tiefbahnhof zur Hauptverkehrszeit am Morgen 49 Züge pro Stunde abfertigen könne. "Wir haben genug Transparenz geleistet."
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hatte zuvor eine Überprüfung des Stuttgart-21-Stresstests unter Beteiligung der Projektgegner verlangt. Das Ministerium unterstütze die Empfehlung des Schweizer Gutachterbüros, "die Unstimmigkeiten aufzuarbeiten und auszuräumen und das Ergebnis in einem weiteren Simulationslauf abzusichern", heißt es in einem Papier des Ressorts, das der Nachrichtenagentur dpa vorlag. "In die abschließende Klärung der Stresstest-Prämissen sollten auch externe und unabhängige Experten eingebunden sein."
Auch Aktionsbündnis-Sprecherin Dahlbender forderte einen zusätzlichen Stresstest für das umstrittene Bahnhofsprojekt. Das Gutachten des Schweizer Ingenieurbüros habe "mitnichten der Bahn ein sehr gutes Ergebnis bestätigt", sagte Dahlbender am Freitag im Bayerischen Rundfunk. Vielmehr sei unterm Strich ein "mangelhaft" herausgekommen.
Dies bedeute für alle Beteiligten: "Zurück auf Start und einen neuen echten Stresstest erstellen." Daran müsse dann auch das Aktionsbündnis beteiligt werden, forderte Dahlbender.
Mit der Vorstellung des Leistungstests wird das Schlichtungsverfahren für das milliardenschwere Bahnhofsprojekt abgeschlossen.