

Stuttgart - Die Fronten sind verhärtet: Auch nach dem lange erwarteten Stresstest zanken Gegner und Befürworter von Stuttgart 21 weiter. Auch der überraschende Kompromissvorschlag von Schlichter Heiner Geißler sorgt nicht für Entspannung - im Gegenteil: Während Geißler für seine Idee wirbt, sind die Verantwortlichen der Bahn skeptisch. Die Gegner geben sich aufgeschlossen, ihre Forderung nach einem Baustopp stößt bei der Bahn aber auf Ablehnung.
Geißler hatte am Freitag eine Kombination vorgeschlagen: den oberirdischen Kopfbahnhof für den Nahverkehr zu nutzen und den geplanten unterirdischen Durchgangsbahnhof für den Fernverkehr. Das Projekt Stuttgart 21 sieht bislang den Tiefbahnhof an Stelle des bisherigen Kopfbahnhofs vor, die Kosten für den Neubau werden auf 4,1 Milliarden Euro beziffert.
Die Deutsche Bahn lehnt den Kompromissvorschlag ab - und schafft Fakten: Der Konzern teilte mit, weitere Bauaufträge im Volumen von mehr als 700 Millionen Euro bereits vergeben zu haben. Bahn-Vorstand Volker Kefer sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Damit wären 25 Prozent des Gesamt-Bauvolumens von Stuttgart 21 vergeben. Um zu verdeutlichen, wie ernst es uns ist: Die Vergabe ist erfolgt", sagte Kefer.
Der Konzern beharre auf seinem Baurecht. Die für November geplante Volksabstimmung wolle der Konzern ebenfalls nicht abwarten: "Wir werden natürlich weiterbauen. Wir werden völlig unaufgeregt dieses Projekt fortführen, so wie es notwendig, sinnvoll und richtig ist", sagte Kefer.
Den Geißler-Vorschlag wies Kefer zurück. "Ich weise darauf hin, dass wir für Stuttgart 21 über die nötigen Planfeststellungsbeschlüsse und einen rechtskräftigen Finanzierungsvertrag verfügen. Dies gibt es für keine andere Idee, auch nicht für die von Dr. Geißler", sagte Kefer der "FAS".
Geißler bezeichnet seine Idee als "zweimal besser"
Geißler, einst CDU-Generalsekretär, sagte im Radiosender SWR1: "Stuttgart 21 ist mit enormen finanziellen Risiken verbunden, die schlecht kalkulierbar sind." Der von ihm vorgeschlagene Kompromiss sei "billiger und zweimal besser". Bei Zustimmung aller Beteiligten sei er auch baurechtlich in absehbarer Zeit umsetzbar.
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), ein strikter Stuttgart-21-Gegner, forderte eine ernsthafte Prüfung des Vorschlags. "In dem neu angestoßenen Diskussionsprozess liegt eine große Chance", sagte sein Sprecher am Samstag der Nachrichtenagentur dpa. "Das renommierte Verkehrsberatungsbüro SMA hat den Vorschlag mitentwickelt; das gibt ihm hohes Gewicht." Zudem werde derzeit in Zürich ein ähnliches Modell umgesetzt.
Die radikalen Projektgegner "Parkschützer" verlangen Zeit, um Geißlers Vorschläge in Ruhe zu prüfen. Die Bahn dürfe in dieser Zeit keine Fakten schaffen, forderte ihr Sprecher Matthias von Herrmann.
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) bezeichnet Geißlers Kompromiss dagegen als überholt: "Das ist nichts Neues, sondern eine uralte Variante, die vor vielen Jahren bereits schon einmal verworfen wurde." Stuttgart 21 habe den Stresstest bestanden, fügte er in der "Passauer Neuen Presse" hinzu. "Jeder ist jetzt aufgefordert, seiner vertraglich vereinbarten Projektförderungspflicht nachzukommen und das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 voranzutreiben."
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Bahnhof in Stuttgart: Die Bahn hat bereits 25 Prozent des Gesamtkosten von Stuttgart 21 verplant.
Heiner Geißler überrascht alle mit seinem Kompromissvorschlag zum Stuttgarter Bahnhof: Im Streit um das Milliardenprojekt regte er eine kombinierte Lösung aus dem bestehenden Kopfbahnhof und dem geplanten Tiefbahnhof an.
Die Bahn will bis Ende 2019 für mehr als vier Milliarden Euro den 16-gleisigen Kopfbahnhof in einen achtgleisigen unterirdischen Durchgangsbahnhof umbauen. Dagegen gibt es massive Proteste.
S-21-Gegner verfolgen vor dem Rathaus in Stuttgart auf einer Großleinwand die Debatte über den Stresstest.
Der ganz große Proteststurm zum Stuttgart-21-Stresstest blieb aber aus.
Die Präsentation des sogenannten Stresstests zum umstrittenen Bahn-Projekt war lange erwartet worden. Damit wird das Schlichtungsverfahren für das milliardenschwere Bahnhofsprojekt abgeschlossen.
Das Schweizer Ingenieursbüro SMA stellte die Ergebnisse anhand einer Simulation und eines Gutachtens vor. Anschließend diskutierten Gegner und Befürworter des unterirdischen Durchgangsbahnhofs nochmals über das Vorhaben - denn die Fronten sind weiter verhärtet.
Die Deutsche Bahn kündigte an, trotz des neuen Kompromissvorschlags die Bauarbeiten nicht ruhen zu lassen. Wegen Geißlers Konzept werde es keinen Baustopp geben, sagte Bahn-Vorstand Volker Kefer.
Nach dem Vorschlag Geißlers zogen sich die Gegner des Projekts, das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21, zu Beratungen zurück.
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