
Menschenkette gegen Kernkraft: "Ungeahnte Aktualität"
Süddeutschland Tausende protestieren gegen deutsche AKW
Stuttgart - Zehntausende Atomkraftgegner haben am Samstag mit einer Menschenkette von Stuttgart zum Kernkraftwerk Neckarwestheim für einen sofortigen Atomausstieg demonstriert. Auf einer Strecke von rund 45 Kilometern zwischen dem Sitz der baden-württembergischen Landesregierung und dem Meiler zählten die Veranstalter 60.000 Teilnehmer.
Allein rund um das Schloss in Ludwigsburg demonstrierten mindestens 10.000 Atomkraftgegner unter anderem mit Sprechchören und Trommeln lautstark gegen die im Herbst beschlossene Laufzeitverlängerung für deutsche Atomkraftwerke. Heftig diskutiert wurden die Ereignisse in Japan, wo es nach dem Erdbeben und einem Tsunami am Freitag eine Explosion im AKW Fukushima gab. Ob es zu einer Kernschmelze gekommen ist, ist unklar - aber es droht eine atomare Katastrophe.
Die Aktion habe durch die tragischen Ereignisse "leider eine ungeahnte Aktualität erhalten", sagte die baden-württembergische Vorsitzende des BUND, Brigitte Dahlbender. Zu dem Protest in Baden-Württemberg hatten der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und mehrere Anti-Atom-Bündnisse aufgerufen.
In Japan habe sich wieder einmal bestätigt, "wie unbeherrschbar und gefährlich Atomenergie ist", sagte der Sprecher der Initiative "ausgestrahlt", Jochen Stay. Deshalb steige die Empörung über die Atompolitik. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (beide CDU) würden merken: "Wer Laufzeiten verlängert, verkürzt seine Regierungszeit." In Baden-Württemberg wird in zwei Wochen ein neuer Landtag gewählt.
Nach Angaben der Organisatoren waren deutlich mehr Menschen gekommen als erwartet. Unter dem Motto "Atomausstieg in die Hand nehmen" bildeten sie auf der gesamten Strecke eine geschlossene Menschenkette. "45 Kilometer Anti-Atom-Kette mit 60.000 Menschen zeigen: Die große Betroffenheit über das Unglück in Japan macht die Menschen nicht sprachlos, sondern bringt sie auf die Straße", sagte der Campact-Geschäftsführer Christoph Bautz.
Für den Montagabend kündigte Bautz in zahlreichen Städten in ganz Deutschland Mahnwachen an, um an die tödlichen Risiken der Atomenergie zu erinnern und um den endgültigen Ausstieg zu fordern.
Politiker von SPD und Grünen forderten am Samstag eine Kehrtwende in der Atompolitik. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) warnte davor, angesichts der Katastrophe in Japan über die Zukunft der Atomenergie in Deutschland zu diskutieren. Zunächst müsse es um die Hilfe für die betroffenen Menschen gehen. Allerdings sei die Frage der Beherrschbarkeit der atomaren Gefahren "heute neu gestellt worden", sagte der Umweltminister.