Svenja Schulze

Klimawandel und Dürre Deutschland braucht eine Wasserstrategie

Svenja Schulze
Ein Gastbeitrag von Svenja Schulze (SPD), Bundesumweltministerin
Kommunen müssen Wasser rationieren, Landwirte müssen mehr bewässern, Flächenversiegelung und Wasserentnahme lassen den Grundwasserspiegel absinken. Es wird höchste Zeit für einen gemeinsamen Plan fürs Wasser.
Ausgetrockneter Rhein im Sommer 2018

Ausgetrockneter Rhein im Sommer 2018

Foto: Horst Gerlach / Getty Images / iStockphoto

Dreht man in Deutschland den Hahn auf, sprudelt Wasser heraus. In hervorragender Qualität und scheinbar unbegrenzter Menge. Zum Trinken, zum Kochen, zum Waschen, zum Rasensprengen, zum Planschen im Garten. Immer und überall.

Deutschland ist traditionell ein wasserreiches Land. Derzeit nutzen wir weniger als 20 Prozent unserer Wasserressourcen.

Ausreichend Wasser in hoher Qualität - das ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Aber wie lange noch? Gerät unsere öffentliche Wasserversorgung zunehmend unter Druck?

Die Warnzeichen mehren sich. Einzelne Kommunen in Deutschland haben diesen Sommer erfahren, wie es ist, wenn einzelne Wassernutzungen eingeschränkt werden müssen. In der Hitze steigt der Wasserbedarf in den Haushalten, Vorratsbehälter füllen sich nicht schnell genug auf. Nicht nur die öffentliche Wasserversorgung ist betroffen. Auch Landwirtinnen und Landwirte sind gezwungen, im Sommer immer mehr zu wässern, und ernten manchmal trotzdem weniger. Waldstücke vertrocknen und werden von Schädlingen befallen. Lieferketten werden unterbrochen, da Flüsse zu wenig Wasser führen.

Der Klimawandel macht Frühjahr und Sommer heißer und trockener, Winter wärmer und feuchter. Starkregen wird häufiger, Schnee seltener. Es sinkt der Grundwasserspiegel, die Bodenfeuchte geht zurück, Pflanzen steht gerade in ihren Wachstumsphasen im Frühling und Sommer nicht ausreichend Wasser zur Verfügung.

Gleichzeitig wird die Gewinnung und Bereitstellung von Trinkwasser immer aufwendiger: Nitrat, Phosphor und diverse Schadstoffe verunreinigen das Grundwasser. Neue und tiefere Brunnen müssen gebohrt werden, die Sammlung und Speicherung von Wasser ausgebaut. Dazu kommt: In Ballungszentren wird immer mehr Wasser gebraucht, in Städten und Dörfern im ländlichen Raum vielerorts weniger. Flächenversiegelung und Wasserentnahme lassen den Grundwasserspiegel absinken.

Auch in 30 Jahren hochwertiges Trinkwasser

Der Zugang zu sauberem Wasser ist ein Menschenrecht. Die öffentliche Wasserversorgung gehört zur Daseinsvorsorge. Keine Frage, dass dies auch in Zukunft sichergestellt werden muss, immer und überall. Dafür müssen wir jetzt Vorsorge treffen. Ich bin überzeugt: Wir brauchen eine Nationale Wasserstrategie, eine Strategie, die Antworten gibt auf die Herausforderungen der Zukunft.

Ich will damit erreichen, dass wir auch in 30 Jahren jederzeit ausreichend und qualitativ hochwertiges Trinkwasser haben. Dass unser Grundwasser sauberer wird. Ich will, dass wir weiterhin eine hervorragend funktionierende Abwasserentsorgung haben - deren Kosten verursachergerecht und sozial gerecht verteilt sind. Es geht mir darum, eine Übernutzung und Überlastung unserer Wasserressourcen zu vermeiden und die Wasserwirtschaft an die Folgen des Klimawandels anzupassen.

Die notwendigen Veränderungen können nicht allein durch sektorale oder lokale Maßnahmen bewältigt werden. Eine Nationale Wasserstrategie kann und muss vieles leisten - Antwort geben auf viele Fragen. Vier Beispiele:

  • Wie vermeiden wir Wasserverschwendung?

Hier gibt es zahlreiche Ansatzpunkte: Wo immer möglich, sollten wir Wasser im Kreislauf führen. Wo Trinkwasserqualität nicht erforderlich ist, sollte genutztes Wasser wiederverwendet oder Alternativen genutzt werden, etwa Regenwasser zur Gartenbewässerung. Außerdem sollten Felder und Städte den veränderten klimatischen Bedingungen angepasst werden: zum Beispiel durch mehr Stadtnatur, durch geeignetere Sorten und vielfältige Fruchtfolgen.

  •  Wie schützen wir unser Wasser vor Verschmutzung?

Vor allem in Regionen mit intensiver Landwirtschaft muss die Belastung des Grundwassers mit Stickstoff und Phosphor, sowie mit Pflanzenschutzmitteln gesenkt werden. Unterstützung dafür muss durch eine reformierte europäische Agrarförderung erfolgen und durch die von der Bundesregierung geplante Ackerbaustrategie.

Auch im Abwasser finden sich Stoffe, zum Beispiel Arzneimittelrückstände oder Mikroplastik, die Gewässer belasten. Auch diese müssen reduziert werden, über Konzepte, die Herstellung, Verwendung und Behandlung der Abwässer in den Blick nehmen.

Darüber hinaus sollten wir die natürliche Reinigungsleistung der Gewässer stärken, zum Beispiel indem wir Flüsse wieder naturnäher gestalten und Auen wiederherstellen.

  • Wie stellen wir sicher, dass das Wasser dort hinkommt, wo es gebraucht wird?

Dafür wird zunächst Klarheit darüber benötigt, wie viel Grundwasser von wem wofür genutzt und gebraucht wird. Das wird bislang nicht systematisch erfasst und zusammengetragen. Dazu sind zum Beispiel landesweite Wasserbedarfsprognosen und - versorgungspläne wichtig und eine engere Verzahnung von Wasserplanung, Infrastruktur- und Flächenplanung.

Die wasserwirtschaftliche Infrastruktur muss an die Auswirkungen des Klimawandels angepasst werden. Dies erfordert zusätzliche Investitionen, zum Beispiel in die Unterhaltung und Modernisierung der Kanalnetze, in Wasserspeicher und Vernetzung der Trinkwasserversorgung und in den Ausbau der Fernwasserversorgung. Und auch dafür muss eine faire Finanzierung gesichert werden.

  •  Wofür wollen wir unser Wasser vorrangig nutzen, vor allem das wertvolle Trinkwasser?

Bei lokalen Engpässen in der Wasserversorgung sollten klare Regeln gelten, welche Nutzung Priorität hat. Aus meiner Sicht muss die Versorgung der Menschen mit Wasser zum Trinken, Kochen und Waschen oberste Priorität haben. Danach wird es komplizierter, etwa bei der Frage, ob erst die Bewohner einer Stadt ihre Gärten wässern dürfen oder Betriebe ihren Wasserbedarf uneingeschränkt fortführen dürfen. Die Entscheidungen darüber sollten immer vor Ort getroffen werden - in Absprache mit der Landesbehörde.

Für diese und andere wasserrelevanten Fragen muss bisher jede Kommune, jeder Kreis oder jedes Bundesland seine eigenen Antworten finden. Auch in Zukunft soll die Bundesregierung nicht vorschreiben, wie mit lokalen Einzelfällen umzugehen ist. Aber ich will, dass der Bund hier Orientierung gibt. Denn Wasser macht nicht an Gemeinde- oder Ländergrenzen halt.

Eine Nationale Wasserstrategie braucht im Vorfeld einen breiten Dialog. Gemeinsam mit allen Beteiligten, mit der Wasserwirtschaft, der Landwirtschaft, der Wissenschaft und den Verbänden, mit Ländern und Kommunen hat das Bundesumweltministerium daher bereits im Jahr 2018 einen Nationalen Wasserdialog gestartet. Anfang Oktober 2020 mündet dieser Prozess in Empfehlungen. Ich bin zuversichtlich: Das wird eine gute Grundlage für eine Nationale Wasserstrategie. Denn der nächste Hitzesommer kommt bestimmt.

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