Debatte über Militäreinsatz "Wir müssen die Menschen vor Ort in Syrien schützen"

Soll sich die Bundeswehr militärisch in Syrien engagieren? Nach dem Vorstoß des Chefs der Münchner Sicherheitskonferenz, Ischinger, ist darüber eine heftige Debatte entbrannt. Auch in den Regierungsparteien gibt es Befürworter.
Zerstörte Altstadt von Aleppo: In dem Bürgerkrieg starben bisher mehr als 250.000 Menschen

Zerstörte Altstadt von Aleppo: In dem Bürgerkrieg starben bisher mehr als 250.000 Menschen

Foto: REUTERS

Wie lassen sich Flucht und Bürgerkrieg in Syrien beenden? Der Chef der Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, präsentierte am Dienstag eine klare Meinung zu dieser Frage. Er sprach in einem Interview  von "militärischen Handlungsoptionen": Die EU müsse imstande sein, über Fragen wie Schutzzonen in Syrien ernsthaft zu reden. Dabei gehe es auch um Flugverbote in und um Syrien. "Wer sich dazu nicht aufrafft, darf sich nicht wundern, wenn weitere hunderttausende oder Millionen Flüchtlinge bei uns landen."

Für sein Statement bekam er viel Kritik - aber auch Zustimmung aus CDU und SPD. So unterstützte etwa der Hamburger CDU-Chef Roland Heintze die Überlegungen: "Wir müssen die Menschen vor Ort in Syrien schützen, damit sie keinen Fluchtgrund mehr haben." Das sei nur militärisch, mit einem internationalen Mandat möglich, sagte er der "Bild" vom Mittwoch. Es gehe darum, "in Syrien Auffanglager für Flüchtlinge zu schaffen, die militärisch gesichert sind". Über diesen Auffanglagern müssten Flugverbote durchgesetzt werden.

Auch der SPD-Verteidigungsexperte Thomas Hitschler sprach sich für einen Einsatz der Bundeswehr in Syrien aus. "Wir müssen darüber nachdenken, wie wir unsere Verbündeten bei den Luftschlägen in Syrien unterstützen können", sagte er ebenfalls der "Bild". Dass die Luftwaffe selbst Bomber ins Krisengebiet schickt, schloss Hitschler zwar aus. Aber die Bundeswehr könne zumindest mit Aufklärungsflügen einen Beitrag leisten.

Entwicklungshilfeminister Gerd Müller schloss dagegen ein militärisches Engagement Deutschlands in Syrien aus. "Ein Militäreinsatz ist für mich keine Option, aus deutscher Sicht erst recht nicht", sagte er dem "Münchner Merkur". Ich setze auf eine rein diplomatische Initiative." Er fordert ein Zehn-Milliarden-Programm der EU, auch um die Region zu stärken.

SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich lehnte Ischingers Forderungen ebenfalls ab. "Ischinger hat ja schon im Ukrainekonflikt deutsche Waffenlieferungen empfohlen, ohne Rücksicht auf das Eskalationsrisiko", sagte Mützenich dem "Münchner Merkur". "Wo wir heute wären, wenn wir seinem Rat gefolgt wären, kann sich jeder denken."

Frankreich stellt Nachbarländern Syriens Hilfe in Aussicht

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warnte, mehr Militär, wie es Russland und Frankreich überlegten, werde den Konflikt nur weiter eskalieren lassen "und könnte noch mehr Menschen zur Flucht zwingen". Hofreiter forderte ebenfalls im "Münchner Merkur" einen politischen Prozess "unter Einschluss Russlands, sowie der wichtigsten Nachbarstaaten".

Präsident Wladimir Putin verteidigte inzwischen die russische Militärhilfe an Syrien und fügte hinzu, dass ohne sie die Flüchtlingszahlen in Europa noch höher wären. In Syrien seien die meisten Menschen nicht vor der Armee, sondern vor islamistischen Gruppen wie der Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) auf der Flucht.

Aus Frankreich hieß es inzwischen, die Regierung sei bereit, regionale Truppen im Fall eines Eingreifens gegen den IS zu unterstützen. Einen Einsatz französischer Bodentruppen bezeichnete Regierungschef Manuel Valls in der Nationalversammlung in Paris erneut als unrealistisch. "Aber falls Länder der Region sich zu einer Koalition verbünden, um Syrien von der IS-Tyrannei zu befreien, dann hätten diese Länder die Unterstützung Frankreichs."

In Syrien tobt ein blutiger Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime, mehreren Rebellengruppen und den IS-Milizen. Frankreichs Luftwaffe beteiligt sich seit einem Jahr bereits an Angriffen einer US-geführten Koalition gegen den IS im Irak, schlug jedoch bislang anders als die USA nicht in Syrien zu. Vergangene Woche schickte Paris dann Aufklärungsflüge über IS-beherrschte Gebiete im Osten des Landes, um auch dort Luftschläge vorzubereiten.

ler/AFP/dpa
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