
Syrische Agenten in Berlin Der lange Arm des Assad-Regimes
Berlin - Bevor die Beamten des Bundeskriminalamts (BKA) und der Landesbehörden am Dienstagmorgen in der Hauptstadt zuschlugen, sendeten sie eine kurze und doch brisante Mitteilung ans Auswärtige Amt (AA). Durch die geplante Festnahme von zwei mutmaßlichen Agenten des syrischen Geheimdienstes und mehrere Razzien könne es durchaus zu diplomatischen Verwicklungen mit Syrien kommen, hieß es in der kurzen Note. Deswegen wolle man die Diplomaten lieber vorab in Kenntnis setzen.
Kurz danach begannen rund 70 Beamte mit ihrem Auftrag und nahmen den 34-jährigen syrischen Staatsangehörigen Akram O. und den 47-jährigen Deutsch-Libanesen Mahmoud El A. fest. Außer bei den beiden Festgenommenen durchsuchten sie auch noch die Wohnungen von fünf anderen Personen, darunter zwei weitere Syrer, zwei Syrer mit deutschem Pass und ein weiterer Libanese mit deutschem Pass. Der Vorwurf gegen die Männer ist schwerwiegend: Über Jahre hinweg, heißt es in einer Mitteilung der Generalbundesanwaltschaft, sollen sie im Auftrag des syrischen Geheimdienstes systematisch in Deutschland lebende Exil-Syrer ausgeforscht haben.
Die ermittelnden Behörden hielten sich am Tag der Festnahmen mit weiteren Details zurück, zunächst wollen sie die beiden Verdächtigen am Mittwoch einem Haftrichter vorführen. Aus Sicherheitskreisen aber hieß es, der für die Spionageabwehr zuständige Verfassungsschutz habe das Duo schon länger beobachtet. Es wurden Beweise gesammelt, wie die beiden Beschuldigten mit Hilfe der anderen Verdächtigen in Deutschland Exil-Syrer ausgeforscht und Informationen über eine mögliche Unterstützung von hier lebenden Oppositionellen gesammelt haben soll.
Besonders aktiv seien die Verdächtigen geworden, nachdem es im Zuge des Arabischen Frühlings auch in Syrien erste massive Aufstände gegen das Regime von Diktator Baschar al-Assad gab.
Nach den Festnahmen kursierten Gerüchte, die mutmaßlichen Spione könnten mit dem Überfall auf einen syrischen Oppositionellen in Berlin im Dezember 2011 zu tun haben: Ferhad Ahma war damals von zwei Unbekannten an der Haustür seiner Wohnung angegriffen und schwer verletzt worden. Er beschuldigte den syrischen Geheimdienst, für die Attacke verantwortlich zu sein. Gegenüber SPIEGEL ONLINE aber sagten mehrere Fahnder, es gebe zwischen dem Angriff auf den Oppositionellen, den Ermittlungen und aktuellen Festnahmen der beiden mutmaßlichen Agenten keinen Zusammenhang.
Gegen beide Männer war bereits Ende Januar ein Haftbefehl wegen des Verdachts der Tätigkeit für einen ausländischen Nachrichtendienst erlassen worden. Ihre Festnahme kommt zu einem Zeitpunkt, da der diplomatische Druck gegen Syrien und Assad einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat: Bis auf den letzten Verbündeten Russland ist Damaskus so isoliert wie noch nie, trotzdem aber gehen die Sicherheitskräfte von Assads Regierung jeden Tag weiter brutal gegen die Opposition im eigenen Land vor. Den Versprechen des Staatschefs, er sei an einer politischen Lösung interessiert, glaubt mittlerweile niemand mehr.
Westerwelle bestellt Botschafter zum Rapport
Das Amt von Außenminister Guido Westerwelle spielt bei den internationalen Bemühungen gegen Assad eine sehr aktive Rolle. Der FDP-Politiker hatte übers Wochenende selbst intensiv verhandelt, um das russische Veto gegen eine Resolution des Uno-Sicherheitsrats zu Syrien aufzuweichen. Einen Tag vor dem Zugriff bestellte das Außenamt am Montag den syrischen Botschafter in Berlin ein und protestierte massiv gegen das brutale Vorgehen in den Hochburgen der Proteste wie Homs. Außerdem engagiert sich Westerwelle durch Telefonate unter seinen Amtskollegen intensiv im sogenannten Freundeskreis eines demokratischen Syriens und wirbt dort um Einigkeit.
Kurz nach der Festnahme der beiden mutmaßlichen Spione ließ Westerwelle den Gesandten aus Damaskus erneut einbestellen. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, dem Botschafter sei der Ernst der Lage durch die beiden Festnahmen klargemacht worden. Westerwelle selber sagte kurz darauf, ein "etwaiges Vorgehen gegen syrische Oppositionelle" durch den syrischen Geheimdienst auf deutschem Boden könne auf keinen Fall hingenommen werden. Dass der Minister bei einem solchen Vorgang selber Stellung nimmt, ist selten und belegt, dass der Vorfall in seinem Haus sehr ernst genommen wird.
Hintergrund für die scharfe Reaktion ist offenbar die Identität eines der Festgenommenen. In Sicherheitskreisen wurde eine Meldung der Zeitschrift "Zenith" bestätigt, dass es sich bei Akram O. um einen syrischen Botschaftsmitarbeiter handelt, der bisher in Berlin mit der Auswertung deutscher Medienberichterstattung und der Bearbeitung von Medienvisa befasst war.
Offenbar war der Mann, der seit Jahren bei der Botschaft arbeitet, nicht offiziell als Diplomat akkreditiert, hieß es, denn dann hätten ihn die Fahnder wegen der Immunität solcher Gesandter nicht festnehmen können. Bei der Botschaft war niemand für eine Stellungnahme zu erreichen, das Handy des Mitarbeiters war abgeschaltet.
Die Details machen den Fall brisant. Zwar ist es in der Diplomatie durchaus normal, dass Geheimdienstmitarbeiter bei den Botschaften akkreditiert sind. Gezielte Operationen wie die Ausforschung von Oppositionellen hingegen wären ein offener Affront gegen die Bundesrepublik. Bisher war der betroffene Mitarbeiter der Botschaft bei seinen zahlreichen Gesprächen mit deutschen Journalisten vor allem durch sein erkennbares Interesse aufgefallen, Details über deren Informationsbeschaffung in Syrien und über mögliche illegale Einreisen von ausländischen Reportern in Syrien zu erfahren.
Dass Damaskus alles versucht, um auch im Ausland an Informationen über die Opposition zu kommen, ist für die Geheimdienste keine Überraschung. "Da ein Großteil der Regimegegner im Ausland sitzt, ist dieses Vorgehen nachvollziehbar", sagte ein Experte der Behörden. In einem Memo des Verfassungsschutzes aus dem Sommer 2011 liest sich das noch etwas konkreter: "In Anbetracht der politischen Situation in Syrien ist mit verstärkten Aktivitäten des dortigen Nachrichtendienstes zu rechnen." Demnach würden syrische Nachrichten- und Sicherheitsdienste oppositionelle Gruppierungen und Einzelpersonen auch in Deutschland überwachen.