"Ein langer Weg", "ein Wunder", "ein Auftrag" Das sagen Spitzenpolitiker zum Tag der Deutschen Einheit

Angela Merkel am Tag der Deutschen Einheit
Foto: Jörg Carstensen/ dpa
Angela Merkel am Tag der Deutschen Einheit
Foto: Jörg Carstensen/ dpaAm 28. Jahrestag der Wiedervereinigung haben viele deutsche Politiker einen stärkeren gesellschaftlichen Dialog im Land gefordert. "Das Wichtigste ist, dass die Gesellschaft mit sich selbst ins Gespräch kommt", sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Rande der zentralen Feierlichkeiten zum Einheitsjubiläum in Berlin. Es gelte, die Gesellschaft zusammenzuhalten.
Neben dem Bundespräsident äußerten sich prominente Vertreter aller großen Parteien. Unsere Fotostrecke versammelt einige Reaktionen deutscher Politiker. Per Klick oder Tipp aufs Foto kommen Sie zum nächsten Zitat.
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Angela Merkel: "Einander zuhören, aufeinander zugehen"
Nach den Worten der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist die Einheit der Deutschen in Ost und West noch lange nicht vollendet. "28 Jahre später wissen wir aber, dass das, was wir Deutsche Einheit nennen, ein Prozess ist, ein langer Weg", sagte Merkel. Es sei wichtig, "einander zuzuhören, aufeinander zuzugehen, nicht nachzulassen". Dies gelte nicht nur für Politiker, sondern für alle Bürger. Merkel stellte fest: "Die Deutsche Einheit ist nicht beendet", sondern fordere die Menschen bis heute immer wieder heraus.
Michael Müller: "Für ein offenes und tolerantes Land"
Bundesratspräsident Michael Müller (SPD) sieht im Einheitsjubiläum einen Tag der Freude, aber auch der Mahnung. "Es ist ein fröhlicher Tag, der uns aber auch gerade in diesen Zeiten mahnt, für unsere Demokratie einzustehen und zu kämpfen", erklärte Berlins Regierender Bürgermeister via Facebook. "Jeder und jeden Tag. Gegen Ausgrenzung, gegen Hass für ein offenes und tolerantes Land."
Horst Seehofer: "Ein historisch einmaliger Prozess"
Bundesinnenminister Horst Seehofer nutzte den Twitteraccount seines Ministeriums, um zu betonen, dass am Tag der Deutschen Einheit mit der Wiedervereinigung "ein historisch einmaliger Prozess" gefeiert werde: "ein Deutschland der Gemeinschaft und Vielfalt": "Zugleich sollte uns dieser Tag daran erinnern, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist und dass es unsere Aufgabe ist, sie zu bewahren."
Leif-Erik Holm: "Was für ein Irrsinn"
Der stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Leif-Erik Holm, schrieb in einer Stellungnahme zum Feiertag: "Jeder, der dem Kunterbunt-Traum von ganz links bis zur Merkel-Union widerspricht, wird in die böse Ecke gestellt. Kennen wir alles, zu DDR-Zeiten hießen sie Konterrevolutionäre, heute sind sie angeblich Fremdenfeinde. Was für ein Irrsinn." Es sei "gut und richtig, wenn die Bürger ihren Unmut heute wieder auf friedlichen Demonstrationen kundtun": Die Freiheit müsse "offensichtlich immer wieder neu erkämpft" werden.
Christian Lindner: "Dialog, der von Respekt gekennzeichnet ist"
FDP-Chef Christian Lindner betonte auf Twitter, die Wiedervereinigung sei "keine Selbstverständlichkeit" gewesen, "sie wurde jahrelang errungen". Außerdem merkte er an: "Heute scheint die gesellschaftliche Einheit oft in Gefahr. Es liegt an uns, sich für sie einzusetzen - durch Dialog, der von Respekt gekennzeichnet ist."
Bodo Ramelow: "Es fehlt der Respekt"
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat zum 3. Oktober einen Mentalitätswechsel angemahnt. So wichtig es sei, in einer gesamtdeutschen Anstrengung den noch vorhanden Rückstand des Ostens aufzuholen, so überfällig sei ein Mentalitätswechsel, "der endlich die wirtschaftlichen Leistungen und die Innovationskraft des Ostens als Bereicherung würdigt", erklärte Ramelow nach Angaben der Staatskanzlei. "Es fehlt der Respekt. Die Angleichung der Lebensverhältnisse umfasst mehr als die Fragen von Lohn und Lebenshaltungskosten."
Robert Habeck: "Ein Auftrag, diese Spaltung zu überwinden"
Der Bundesvorsitzende der Grünen, Robert Habeck, wurde von seiner Partei auf Facebook zitiert. "Heute ist der Tag der Deutschen Einheit, aber die Gesellschaft scheint tief gespalten", heißt es in dem Posting - und Habeck sagt: "Für uns ist das ein Auftrag, diese Spaltung zu überwinden und den Zusammenhalt zu stärken."
Ralph Brinkhaus: "Immer noch ein Wunder"
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) sprach sich für eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte der Wiedervereinigung aus. "Dies kann helfen, emotionale Wunden zu heilen", sagte er. Viele Ostdeutsche seien nach 1990 nicht fair behandelt worden - dies sei lange nicht genügend beachtet worden.
Dank des Muts, der Tatkraft und des Fleißes der Ostdeutschen und einer nationalen Kraftanstrengung sei seit 1990 viel erreicht worden, sagte Brinkhaus noch. Die Deutsche Einheit bleibe "ein Glücksfall unserer Geschichte". Und: "Es ist immer noch ein Wunder."
Katrin Budde: "Schnelles Internet ist die Währung für Ansiedlung und Wachstum"
Die langjährige SPD-Chefin in Sachsen-Anhalt, Katrin Budde, hat zum Tag der Deutschen Einheit eine Internetoffensive für Ostdeutschland gefordert, um das Abwandern gerade junger Leute zu stoppen. "Wir brauchen ein Sonderprogramm flächendeckendes Internet, denn schnelles Internet ist die Währung für Ansiedlung und Wachstum", sagte Budde. Um mehr Menschen in der Region zu halten und um das Leben reicher zu machen, müsse mehr gegen die Verödung unternommen werden. "Wir brauchen ein Wieder-Beleben der ostdeutschen Städte - zum Beispiel durch den Auf- und Ausbau der kulturellen Infrastruktur", sagte Budde. Es müsse auch die Lebensleistung der Bürger viel stärker anerkannt werden.
Michael Kretschmer: "Wie sind wir alle miteinander Vorbild?"
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat an den Anstand der Sachsen appelliert, Ausfälle und Attacken gegen ausländische Mitbürger nicht zuzulassen. Rechtsextremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit seien die größten Gefahren für die Demokratie, sagte er im sächsischen Landtag. "Wenn ein ausländischer Mitbürger in einem Bus oder einer Straßenbahn oder auf der Straße angegriffen wird und beschimpft wird, dann ist das einmal die Frage von Haltung und von Anstand, und auch die Frage, ob man dieses Unrecht zulässt. Aber es ist auch eine Frage: Wie sind wir alle miteinander Vorbild für die jungen Leute in diesem Land?", sagte Kretschmer.
Annegret Kramp-Karrenbauer: "Naziparolen dürfen keine Resonanz finden"
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hat eine Kraftanstrengung der politischen Mitte gegen Rechtsextremisten und Populisten von rechts und links gefordert. Zum Tag der Deutschen Einheit schrieb sie auf T-Online: "Gerade Naziparolen dürfen keine Resonanz finden, egal, ob sie in Chemnitz oder in Dortmund gegrölt werden. Und Menschen, die sich dagegen wehren wollen, müssen Rückhalt und Unterstützung aus der politischen Mitte erhalten und nicht vom extremen linken Rand." Das sei eine Aufgabe für das ganze Land.
Wolfgang Schäuble: "Populistische Anmaßung"
Bundestagspräsident Schäuble (CDU) warnt davor, Minderheiten und Volksvertreter zum Feindbild zu machen. Er sagte in Berlin: "Auch in Deutschland begegnet uns die populistische Anmaßung, wieder das 'Volk' in Stellung zu bringen, gegen politische Gegner, gegen vermeintliche und tatsächliche Minderheiten, gegen die vom Volk Gewählten." Niemand habe aber das Recht zu behaupten, er allein vertrete "das Volk". Denn der Souverän sei eben keine Einheit, sondern eine "Vielheit widerstreitender Kräfte".
"Vielfalt" sei dabei nicht nur ein Wort, um die gesellschaftliche Realität zu benennen, betonte Schäuble. Sie sei auch ein Wert an sich.
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