Terrorbekämpfung Verzweifelte Suche nach neuen Konzepten
Berlin - Laut "Berliner Zeitung" gibt es sowohl in der CDU als auch in der SPD Überlegungen, den Verfassungsschutz umzustrukturieren. Der nordrhein-westfälische CDU-Chef Jürgen Rüttgers wolle in der kommenden Woche ein mit Parteifreunden aus anderen Bundesländern abgestimmtes Strategiepapier zur inneren Sicherheit vorlegen, in dem auch eine Reform des Inlandsgeheimdienstes vorgeschlagen wird.
Die Initiative von Rüttgers soll in der kommenden Woche vorgestellt werden. Sie sieht die Abschaffung der 16 Landesämter für Verfassungsschutz vor. Künftig solle es stattdessen nur noch ein Bundesamt für Verfassungsschutz mit nachgeordneten Länderdependancen geben.
Auf Widerstand stößt Rüttgers bereits bei Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU). "Davon halte ich gar nichts", sagte er der Zeitung und fügte hinzu: "Ich bin überzeugt, dass eine Behörde, die dezentral organisiert ist, einer zentralen Behörde überlegen ist."
Beckstein lehnte auch die Idee ab, eine Bundespolizei mit weit reichenden Kompetenzen nach US-Vorbild einzurichten. "Statt auf Zentralisation zu setzen, sollten wir uns um intensiveren Informationsaustausch zwischen allen Sicherheitsbehörden kümmern", sagte Beckstein.
Die SPD plant ebenfalls eine Verfassungsschutzreform. Sie lehnt jedoch eine zentralistische Struktur des Dienstes ab. Der innenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, favorisiert die Beibehaltung von Landesbehörden für Verfassungsschutz. Allerdings soll ihre Zahl drastisch verringert werden, indem man die Ämter mehrerer Länder zusammenlegt, sagte Wiefelspütz der Zeitung. Auf diese Weise könnte es künftig Verfassungsschutzämter Nord, Süd, West und Ost geben.
Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hat zur Terrorbekämpfung einen verstärkten Einsatz der Bundeswehr im Inland gefordert. Sie sollte beispielsweise die Polizei beim Objektschutz entlasten, insbesondere bei der Bewachung der Wohnanlagen der in Deutschland stationierten amerikanischen Soldaten und ihrer Familien, sagte Schönbohm in einem Interview mit dem "Tagesspiegel". Der Bundeswehrgeneral a.D. forderte eine entsprechende Modernisierung des Grundgesetzes.
Nach Ansicht Schönbohms ist der islamistische Terrorismus nach den Anschlägen von Madrid "fast auf Augenhöhe zu uns Deutschen". Als "schwerwiegende Fehleinschätzung" kritisierte Schönbohm, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) noch am Samstag gesagt hatte, dass die Sicherheitslage sich nicht geändert habe.
Schönbohm forderte außerdem die Einführung fälschungssicherer Ausweise mit biometrischen Merkmalen, verdachtsunabhängige Ermittlungen gegen Islamisten sowie einen besseren Austausch von Sicherheitsdaten zwischen Bund und Ländern sowie mit dem Nachbarland Polen.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) warnt die Deutschen wegen der gewachsenen terroristischen Bedrohung vor einem falschen Sicherheitsgefühl. "Wir können nicht denken, wir sind hier eine Insel der Seligen", sagte er am Montagabend. Gefahr gehe nicht nur vom Terrornetzwerk al-Qaida aus, sondern auch von Gruppen, die unabhängig von al-Qaida operierten. Um weitere Maßnahmen zur Abwehr terroristischer Gefahren zu beraten, treffen sich die Innen- und Justizminister der EU am Freitag zu einer Dringlichkeitssitzung in Brüssel, teilte ein Sprecher der irischen Ratspräsidentschaft mit.