Terrorismus Schäuble hält Atom-Anschlag für eine Frage der Zeit
Frankfurt am Main - Sicherheitsexperten warnen schon seit langem, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis es zu einem Terroranschlag mit nuklearem Material komme. Von ranghohen Regierungsvertretern aber kamen solche finsteren Warnungen bisher so gut wie nie. Umso dramatischer wirken deshalb jetzt die Sätze von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU).
"Die größte Sorge aller Sicherheitskräfte ist, dass innerhalb des terroristischen Netzwerkes ein Anschlag mit nuklearem Material vorbereitet werden könnte", sagte Schäuble der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Viele Fachleute sind inzwischen überzeugt, dass es nur noch darum geht, wann solch ein Anschlag kommt, nicht mehr, ob."
Ein wenig fatalistisch klang Schäubles Rat zur Gelassenheit: "Es hat keinen Zweck, dass wir uns die verbleibende Zeit auch noch verderben, weil wir uns vorher schon in eine Weltuntergangsstimmung versetzen."
Über die Anfang September vereitelten Anschläge auf US-Einrichtungen in Deutschland sagte er: "Ich schlafe nicht ruhiger seit den Verhaftungen." Nun sei noch klarer, dass Deutschland im Fadenkreuz des islamistischen Terrorismus stehe. Er verwies auf eine Drohung der "Islamischen Dschihad Union", die sich für die Pläne verantwortlich erklärt hatte. "Die Terroristen wollen ja weitere Anschläge ausführen."
123 Millionen Euro für die Sicherheitsforschung
Den Sicherheitsbehörden seien nicht alle möglichen Gefahren bekannt. "Einen vollständigen Überblick haben wir auch heute nicht", sagte Schäuble. Er kündigte größere Anstrengungen zur Verbesserung der Sicherheitstechnik an. Um der schnellen technischen Entwicklung zu folgen, würden in den kommenden drei Jahren 123 Millionen Euro in die Sicherheitsforschung fließen, sagte der Minister der "Bild am Sonntag".
Die EU investiere in den kommenden sieben Jahren 1,4 Milliarden Euro in diese Forschung. Dabei gehe es etwa um den Schutz vor Terrorismus und um die Sicherung der Infrastruktur. "Die Aufklärung durch Roboter gehört ebenso dazu wie die Technologieentwicklung gegen Bioterror", sagte Schäuble.
Die Kommunikation über Mobiltelefone oder im Internet werde zunehmend verschlüsselt. Das erschwere die Arbeit der Sicherheitsbehörden, die deshalb mit den notwendigen technischen Mitteln ausgestattet werden müssten.
Online-Durchsuchungen: Schäuble bleibt hart
In der Diskussion über heimliche Online-Durchsuchungen lehnte Schäuble den Vorschlag ab, die Einführung auf das kommende Jahr zu verschieben. "Wir werden keinen Entwurf eines BKA-Gesetzes vorlegen, ohne dass es die Möglichkeit der Online-Durchsuchung enthält." Schäuble wies darauf hin, dass SPD-Chef Kurt Beck im Grundsatz für ein Gesetz zur Online-Durchsuchung sei. "Da muss ich doch nicht warten, ob ein Landesgesetz vom Verfassungsgericht gutgeheißen wird", sagte der Minister im Hinblick auf ein für kommendes Jahr erwartetes Urteil über eine Regelung zur Online-Durchsuchung in Nordrhein-Westfalen.
Justizministerin Brigitte Zypries will dagegen die vorhandenen Möglichkeiten des Mithörens von Telefonaten im Internet verstärkt nutzen. Die SPD-Politikerin forderte in der "Welt am Sonntag" die Behörden auf, die technischen Voraussetzungen zu verbessern. "Viele, die lautstark die Überwachung der Internetkommunikation von potentiellen Terroristen fordern, wissen offenbar gar nicht, dass dies in weiten Teilen nach geltendem Recht schon möglich ist."
mbe/AP/dpa