Terrorpropagandist Harrach Al-Qaida veröffentlicht neue Rede von deutschem Islamisten
Berlin - Die neue Audiobotschaft von "Abu Talha al-Almani" wurde am Donnerstagmorgen veröffentlicht, sie ist knapp 45 Minuten lang und trägt den Titel "Der Islam und die Finanzkrise". In der teils wirren Propagandarede stellt er die Krise als göttliche Strafe dar. Erlösung biete allein ein Wirtschaftssystem auf Grundlage des Korans.
Das Band, das SPIEGEL ONLINE vorliegt, enthält keine expliziten Drohungen oder Warnungen vor Terroranschlägen. Wohl aber sagt Bekkay Harrach: "Deutschland ist mit einem blauen Auge davongekommen, da es nicht mit so viel Blut befleckt ist." Das sei "eine Auszeichnung". Halte Deutschland sich jedoch künftig nicht "vom Übel und den Verbrechern" fern, werde es nicht verschont bleiben von Gottes Strafe. Grundsätzlich hätten "die Mudschahidin" jedoch kein Interesse an einem "Konflikt" mit Deutschland.
Die Echtheit der Aufnahme, die aus einem Standbild von Harrach und einer Tonspur besteht, ist unmittelbar und unabhängig nicht zu bestätigen. Aber etliche Indizien sprechen dafür. Zum Beispiel der Klang der Stimme - er passt zur letzten Propagandabotschaft von Mitte Januar ebenso wie zu den SPIEGEL ONLINE vorliegenden Audiolektionen Harrachs aus den Jahren vor seinem Untertauchen.
Zudem wurde die Aufnahme auf einer arabischen Pro-Terror-Website veröffentlicht, die al-Qaida seit Monaten regelmäßig für die Verbreitung von Propaganda und Kommuniqués nutzt. Und schließlich trägt die Veröffentlichung das Logo von al-Sahab, der offiziellen Medienabteilung al-Qaidas.
"Eine Auszeichnung für Deutschland"
Die neuerliche Botschaft Harrachs ist im Kern ein verworrener Versuch, die Finanzkrise als zwangsläufiges Ergebnis von Säkularismus, Liberalismus und Missachtung des Korans zu deuten. Verschont geblieben seien, so "Abu Talha", bisher deshalb Grund nur fromme Muslime. Denn der Islam verbiete viele jener Praktiken, die den Kollaps des Systems verursacht hätten, etwa den Handel mit nichtdefinierten Waren oder das Berechnen von Zinsen.
Allerdings ist praktisch keines der Argumente kohärent, es gibt zudem innere Widersprüche. Der 31-Jährige, der eine Zeit lang in Deutschland Wirtschaftsmathematik studierte , vergleicht Gott in seiner Rede unter anderem mit einem Autohersteller, der seinem Kunden sagt, wie er sein Fahrzeug zu behandeln habe. In diesem Sinne sei der Koran eine "vollkommene Bedienungsanleitung".
Die Rede besteht im Wesentlichen aus Versatzstücken gängiger islamistischer Kapitalismus-Kritik. Harrach versucht, durch Anspielungen auf hiesige Verhältnisse ein deutsches Publikum anzusprechen. So werden der Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück ebenso erwähnt wie die gewährten Staatsgarantien für Banken und Kreditwesen.
Vermehrte Propaganda auf Deutsch
Ausführlich versucht Harrach des Weiteren, seine Interpretation der islamischen Regeln für gottgefälliges Wirtschaften zu erklären. Hinzu kommen merkwürdige Passagen, in denen er die emotionale Ansprache übt. "Tut dein Herzlein dir weh", rät er etwa, solle man Koransuren lauschen.
Bekkay Harrach, ein gebürtiger Marokkaner, der als Kind nach Deutschland kam, wird von deutschen Sicherheitsbehörden seit 2007 im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet vermutet, wo er auch eine Ausbildung in einem Terror-Camp durchlaufen haben soll. Davor war er vermutlich im Irak. Seine erste Rede, die Mitte Januar veröffentlicht wurde, deutete darauf hin, dass Harrach es bis ins engere Qaida-Umfeld geschafft hat. Denn schon diese Botschaft erschien mit dem Sahab-Logo, das al-Qaida exklusiv nutzt.
Propagandavideos von islamistischen Terrorgruppen in deutscher Sprache haben seit 2008 deutlich zugenommen. Vor al-Qaida haben bereits die Islamische Dschihad-Union (IJU) und die Islamische Bewegung Usbekistans (IBU) deutsche Rekruten in Videos präsentiert.
Al-Qaida wiederum scheint Harrach als Propagandisten aufbauen zu wollen. So wird am Ende des Bandes bereits die nächste Rede angekündigt. "Was der Westen dem Islam alles verdankt", wird sie heißen. Es steht zu vermuten, dass sie ähnlich wirr ausfällt.
Deutsche Sicherheitsbehörden nehmen die Zunahme der deutschen Propaganda allerdings mit Sorge zur Kenntnis. Insbesondere das erste Video Harrachs wurde als bedrohliches Signal gewertet.