Thomas de Maizières Leitkultur "Wir sind nicht Burka"

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) (Archivbild)
Foto: Britta Pedersen/ dpaEs sind die großen Fragen, die der deutsche Bundesinnenminister Thomas de Maizière an den Anfang stellt: "Wer sind wir? Und wer wollen wir sein? Als Gesellschaft. Als Nation." Der CDU-Politiker weiß, dass sie schwer zu beantworten sind, wie er in seinem Gastbeitrag in der "Bild am Sonntag" einräumt. Er versucht es dennoch - in zehn Thesen über eine Leitkultur für Deutschland. "Wer sich seiner Leitkultur sicher ist, ist stark", schreibt de Maiziere.
Zentraler Punkt ist für den Bundesinnenminister eine zur Leitkultur gehörende "bestimmte Haltung": "Wir sagen unseren Namen. Wir geben uns zur Begrüßung die Hand." Und weiter: "Wir sind eine offene Gesellschaft. Wir zeigen unser Gesicht. Wir sind nicht Burka."
Bildung und Erziehung würden als "Wert und nicht allein als Instrument" gesehen.
Teil der Leitkultur sei zudem der Leistungsgedanke, so de Maizière: "Wir fordern Leistung. Leistung und Qualität bringen Wohlstand. Der Leistungsgedanke hat unser Land stark gemacht."
Das Erbe der deutschen Geschichte "mit all ihren Höhen und Tiefen" gehöre ebenfalls zur deutschen Leitkultur. "Unsere Vergangenheit prägt unsere Gegenwart und unsere Kultur. Wir sind Erben unserer deutschen Geschichte." Dies schließe ein besonderes Verhältnis zum Existenzrecht Israels ein.
Auch die Kultur gehöre zur deutschen Leitkultur, schreibt de Maizière. "Bach und Goethe 'gehören' der ganzen Welt und waren Deutsche." Und weiter: "Es ist selbstverständlich, dass bei einem politischen Festakt oder bei einem Schuljubiläum Musik gespielt wird."
Zur Rolle der Religion schreibt der Innenminister, sie müsse Kitt und nicht Keil der Gesellschaft sein. "Unser Staat ist weltanschaulich neutral, aber den Kirchen und Religionsgemeinschaften freundlich zugewandt. Kirchliche Feiertage prägen den Rhythmus unserer Jahre. Kirchtürme prägen unsere Landschaft. Unser Land ist christlich geprägt." Grundlage für den religiösen Frieden im Land sei der "unbedingte Vorrang des Rechts über alle religiösen Regeln im staatlichen und gesellschaftlichen Zusammenleben".
Von einer Zivilkultur ist in dem Beitrag die Rede. "Vielleicht sind wir stärker eine konsensorientierte Gesellschaft als andere Gesellschaften des Westens. Zum Mehrheitsprinzip gehört der Minderheitenschutz. Wir stören uns daran, dass da einiges ins Rutschen geraten ist."
Zum Patriotismus schreibt de Maizière: "Wir sind aufgeklärte Patrioten. Ein aufgeklärter Patriot liebt sein Land und hasst nicht andere. Auch wir Deutschen können es sein." Es habe in der Vergangenheit zwar Probleme mit dem deutschen Patriotismus gegeben. Doch das sei vorbei, vor allem in der jüngeren Generation. "Unsere Nationalfahne und unsere Nationalhymne sind selbstverständlicher Teil unseres Patriotismus: Einigkeit und Recht und Freiheit."
Dazu gehört für das Regierungsmitglied auch, dass Deutschland "Teil des Westens" ist und die Bürger ein "gemeinsames kollektives Gedächtnis für Orte und Erinnerungen" haben.
Natürlich erinnert sich de Maizière an die Vorgeschichte des belasteten Begriffes. Im Jahr 2000 gab es heftigen Streit, als der damalige Unions-Fraktionschef Friedrich Merz eine Leitkulturdebatte lostrat. Seit dem Jahr 2015, im Zuge des Flüchtlingszuzugs, wird wieder häufiger über den Begriff diskutiert, wenn auch gelassener. Zuletzt hatte die CDU auf ihrem Bundesparteitag im Dezember die "Leitkultur" auf ihre Agenda gesetzt.
De Maizière geht indirekt auf die zu erwartende Kritik ein: "Ich finde den Begriff 'Leitkultur' gut und möchte an ihm festhalten."