Gleichstellung in Thüringen Ramelow kuscht vor AfD und FDP

Eigentlich müssten die Parteien in Thüringen ihre Wahllisten für die nächste Landtagswahl paritätisch besetzen. Ministerpräsident Ramelow will das Gesetz aber erstmal außer Kraft setzen.
Ministerpräsident Ramelow allein im Thüringer Landtag: Mit der Wahl ist der Anteil weiblicher Abgeordneter von 42 auf 31 Prozent zurückgegangen

Ministerpräsident Ramelow allein im Thüringer Landtag: Mit der Wahl ist der Anteil weiblicher Abgeordneter von 42 auf 31 Prozent zurückgegangen

Foto: JENS SCHLUETER/ AFP

Seit Januar 2020 haben einige Parteien im Thüringer Landtag ein großes Problem: Denn seit diesem Jahr gilt in Thüringen das Paritätsgesetz. Demnach müssen die Parteien ihre Wahllisten zu 50 Prozent mit Frauen besetzen - sonst werden sie im Extremfall gar nicht zur nächsten Wahl zugelassen oder die Liste dort abgeschnitten, wo die Parität endet.

Das Problem ist vor allem für die Parteien groß, denen ohnehin nur wenige weibliche Mitglieder angehören: CDU, FDP und AfD. Von den 35 Listenkandidaten der AfD, die bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr angetreten sind, waren etwa gerade einmal fünf Frauen. Auch bei der FDP machten Kandidatinnen weniger als ein Drittel aus. Und so schrumpfte der Anteil der weiblichen Abgeordneten im Thüringer Landtag nach der Wahl von 42 auf 31 Prozent.

Die CDU hat zwar allgemein nicht besonders viele Frauen in der Partei, aber bei der Wahl in Thüringen zumindest die vorderen Plätze ihrer Wahlliste in diesem Jahr erstmals je zur Hälfte zwischen Männern und Frauen aufgeteilt. Sie gewann ihre Mandate ausschließlich über Direktkandidaten – die Direktmandate werden von dem neuen Gesetz allerdings nicht berührt.

"Der Sexismus der AfD wird durch die FDP gestützt"

Für die nächste Landtagswahl 2021 müssten deshalb vor allem AfD und FDP zunächst einmal neue Kandidatinnen finden. Weil das schwierig werden dürfte, hat die FDP Anfang des Jahres eine Gesetzesänderung beantragt. Am 22. Januar 2020 reichte die Thüringer Fraktion einen Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Wahlgesetzes ein. Demnach soll das Paritätsgesetz rückgängig gemacht werden.

Die AfD reichte am 24. Januar 2020 Klage gegen das Paritätsgesetz beim Landesverfassungsgericht in Weimar ein. Die Rechtswissenschaftlerin Silke Laskowski glaubt nicht an einen Zufall. Sie hat das Brandenburger Paritätsgesetz beratend mitgestaltet und pocht darauf, dass Paritätsgesetze nicht verfassungswidrig , sondern verfassungsmäßig geboten sind.

Dem SPIEGEL sagte sie: "Wenn Sie sich die Termine anschauen, an denen die AfD Klage eingereicht und die FDP eine Gesetzesänderung beantragt hat, dann sieht es schon so aus, dass Einigkeit darüber besteht, das Paritätsgesetz auf zwei verschiedenen Wegen anzugreifen". Für Laskowski ist klar: "Der Sexismus der AfD wird durch die FDP gestützt".

Am Paritätsgesetz in Thüringen werden somit die Fragen, die sich gerade alle Parteien seit dem Wahldebakel in Thüringen in Bezug auf die AfD stellen, noch einmal konkret: Eine Gesetzesänderung hätte im Parlament nur dann eine Chance, wenn CDU, FDP und AfD gemeinsam dafür stimmen würden.

Das Problem von FDP und AfD ist offenbar auch eines für den frisch gewählten Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Denn er fürchtet eine Blockierung der geplanten Landtagswahlen im April 2021. Deshalb will er es den Parteien offenbar leichter machen, indem er das Paritätsgesetz des Bundeslandes vorübergehend außer Kraft setzt. "Mit dem Gesetz hat Rot-Rot-Grün durchgesetzt, dass die Wahllisten künftig jeweils zur Hälfte mit Männern und Frauen besetzt sein müssen. Aber durch die zu erwartenden Klagen und den FDP-Antrag würde jede Landtagswahl blockiert. Deshalb wollen wir das Inkrafttreten außer Kraft setzen", sagte Ramelow der "Thüringer Allgemeinen". Das Gesetz würde damit erst zur übernächsten Landtagswahl greifen.

Der Erfolg von Ramelows Regierung bei diesem wichtigen Gleichstellungsthema wäre in diesem Fall erst einmal zunichte - dürften sich FDP und AfD doch auch zu einem späteren Zeitpunkt gegen das Gesetz stemmen.

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