Thüringen Reinregieren statt Mitregieren

Thüringens Ministerpräsident Ramelow, CDU-Chef Mohring: "Parlament gestärkt"
Foto: Martin Schutt/ dpaVertreter von gleich fünf Parteien haben sich an diesem Montag im Erfurter Radisson-Hotel getroffen, um über eine mögliche - wie auch immer bezeichnete - Zusammenarbeit zu sprechen. Dass der Termin überhaupt zustande kam, gleicht einer kleinen Revolution. CDU und FDP haben gewissermaßen am Verhandlungstisch mit den Linken gesessen, was die beiden Parteien wochenlang ausgeschlossen hatten.
Was hat das gebracht? Es kommt offenbar ein klein wenig Bewegung in das Ringen um Mehrheiten im Landtag, die CDU stellt Unterstützung für gewisse gemeinsame "Projekte" in Aussicht. Mehr aber auch nicht. Reicht das für stabile Verhältnisse?
Seit der Wahl Ende Oktober läuft es in Thüringen mangels Alternativen auf eine Fortsetzung der rot-rot-grünen Regierung unter Linken-Ministerpräsident Bodo Ramelow hinaus, diesmal allerdings als Minderheitsregierung. Ramelow soll im Februar im dritten Wahlgang mit den Stimmen der drei Parteien gewählt werden, was per Landesverfassung möglich ist. Das ist der Plan.
Das Problem dabei ist allerdings bislang: Eine solche Minderheitsregierung braucht wenigstens den Hauch von Verbindlichkeit von der Opposition, in diesem Fall also von CDU und FDP, die AfD spielt keine Rolle. Rot-Rot-Grün fehlen vier Stimmen zur Mehrheit, der Gestaltungsspielraum der Regierung ist eingeschränkt.
CDU, FDP und AfD haben entsprechend eine Mehrheit im Parlament. Jeder Gesetzentwurf könnte so gegen die Regierung durchs Parlament gebracht werden. Die Opposition könnte der Landesregierung sogar die Verordnungsermächtigungen entziehen.
Kurzum: Rot-Rot-Grün braucht CDU und FDP, die jedoch per Beschluss auf allen Ebenen und Gremien jegliche Zusammenarbeit mit den Linken ausschließen.
Zuletzt schaltete sich Ex-Bundespräsident Joachim Gauck ein. In einem Interview mit dem ZDF warnte er: Die CDU solle nicht die Regierungsarbeit der drei Parteien blockieren, sonst werde ihr am Ende von der Bevölkerung der Schwarze Peter zugeschoben. Die CDU dürfe eine Regierungsbildung nicht verhindern.
Die Reaktion der CDU aus Thüringen kam prompt: Alt-Ministerpräsident Dieter Althaus sprach in der "Thüringer Allgemeinen" plötzlich von einer möglichen "Projektregierung" von CDU und Linken. Gestützt schien Althaus vom CDU-Landesvorsitzenden Mike Mohring.
Rasch zeigte sich aber, dass eine wie auch immer bezeichnete Regierungsarbeit inklusive der Entsendung von Unionsministern in ein Kabinett Ramelow nicht durchsetzbar wäre. Vor allem in der Bundespartei verwiesen sie stets entschlossen auf die Beschlusslage.
Ramelow und Mohring trafen sich am Sonntag zu einem gemeinsamen Abendessen mit Joachim Gauck, der zwischen den Fronten vermitteln sollte. Das Gespräch an diesem Montag im Radisson-Hotel, das bereits vorher geplant war, brachte dann keine konkreten Ergebnisse, nur Absichtserklärungen.
Mohring stellte Rot-Rot-Grün bei wichtigen Themen eine "unvoreingenommene Prüfung" in Aussicht. Er sehe eine "Chance auf der Basis der Idee von Dieter Althaus, im Parlament ein Thüringer Modell zu entwickeln, das ausschließlich auf die Situation im Freistaat bezogen ist". Beim Treffen mit Rot-Rot-Grün, so Mohring, habe die CDU deutlich gemacht, "dass wir das Parlament gestärkt sehen, weil dort künftig die Aushandlungsprozesse stattfinden werden". Weitere "institutionelle Zusammenkünfte" zwischen Rot-Rot-Grün auf der einen sowie CDU und FDP auf der anderen Seite brauche es nicht. Heißt: Keine Koalition, keine Tolerierung, keine CDU-Minister im Kabinett, nichts Formalisiertes.
Mohrings Aussagen nun lassen Interpretationsspielraum, Ramelow wird am Ende stets zurückgeworfen sein auf seine Minderheit.
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer unterstützte diesen neuen Kurs via "Funke-Mediengruppe" vorsichtig: "Wenn es sinnvolle Projekte gibt, die gut für Thüringen sind, dann ist es vertretbar darüber zu reden, ob es dafür parlamentarische Mehrheiten gibt."
Das "große ideologische Projekt Rot-Rot-Grün" wolle seine Partei nicht verlängern, sagte Mohring nach dem Termin in Erfurt. Auch auf den Vorschlag, dass die Minister bei jedem ihrer Projekte zuvor in die Fraktionen kommen und sich um eine Lösung bemühen, reagierten CDU und FDP kühl, wie es nach der Runde aus Regierungskreisen heißt.
Rot-Rot-Grün will nun zeitnah eine Regierung bilden und es drauf ankommen lassen. Die alt-neuen Partner haben in den vergangenen Wochen ein 40-seitiges Papier mit verschiedenen Überlegungen ausgearbeitet. Konkret planen können sie ohne Klarheit über den Haushalt 2021 jedoch nicht.
So heißt es auch in der CDU-Fraktion, wenn es darum gehe, mehr Lehrer und Polizisten einzustellen, werde man sich bei Rot-Rot-Grün nicht querstellen. Wenn jedoch "das Land mit Windkrafträdern zugebaut" werden soll, werde die CDU versuchen, das zu verhindern. Wenn die AfD die Union im Parlament bei ihren Vorschlägen unterstütze, so soll es auch Mohring in der Runde am Montag klargemacht haben, könne man dagegen nichts tun.
Von "Projektregierung" jedenfalls will nun kaum einer mehr sprechen. Ein CDU-Abgeordneter zeigt sich rückblickend verwundert: "Abgesprochen war das nicht. Wir haben da eigentlich eine Beschlusslage." Und Thüringens SPD-Chef Wolfgang Tiefensee betonte: "Eine Projektregierung spielt überhaupt keine Rolle mehr."