Thüringen Die Suche nach dem Ausweg

Bodo Ramelow: bald wieder Ministerpräsident?
Foto:Martin Schutt/ DPA
In Thüringen sind gerade Winterferien, normalerweise ruht der Politikbetrieb in dieser Zeit. Tatsächlich haben sich einige Landespolitiker für ein paar Tage in den Urlaub verabschiedet. Einmal durchatmen. Dabei gibt es noch keinen Grund zur Entspannung: Nach dem Tabubruch bei der Ministerpräsidentenwahl hängt der Freistaat weiter im politischen Schwebezustand - auch wenn das Berliner CDU-Beben, ausgelöst durch die Turbulenzen in Erfurt, das Chaos gerade überschattet.
Wie geht es weiter in Thüringen?
Eine Lösung ist noch immer nicht in Sicht. Der FDP-Landesvorsitzende Thomas Kemmerich ist als Ministerpräsident zurückgetreten, aber noch so lange geschäftsführend im Amt, bis ein neuer Ministerpräsident im Landtag gewählt wird. Minister gibt es keine, sondern nur die beamteten Staatssekretäre, die derzeit die Regierungsgeschäfte führen.
Kann Bodo Ramelow doch noch zum Ministerpräsidenten gewählt werden?
Bei einer erneuten Wahl des Ministerpräsidenten im Landtag könnte Bodo Ramelow wieder antreten, seine Bereitschaft dazu hat er bereits erklärt. Allerdings machte die Linke deutlich, dass sie dieses Wagnis ohne Aussicht auf eine klare Mehrheit für Ramelow nicht noch einmal eingehen wolle. Rot-Rot-Grün fehlen vier Stimmen für die absolute Mehrheit. Deshalb appelliert die Linke nun an die staatspolitische Verantwortung der CDU. Sollten sich dort vier Abgeordnete bereit erklären, für Ramelow zu stimmen, stünde einer Mehrheit schon im ersten Wahlgang nichts im Wege.
Wird die CDU Ramelows Regierung tolerieren?
Die Christdemokraten bleiben bei ihrer Haltung, dass sie einen Linkenpolitiker nicht zum Ministerpräsidenten wählen wollen. In Berlin wird die Äquidistanz zur Linken und zur AfD aufrechterhalten, aber auch im CDU-Landesverband Thüringen gibt es etliche Stimmen, die gegen eine aktive Wahl Ramelows sind. Dennoch gibt es Signale der Christdemokraten, sich in den drei Wahlgängen zu enthalten, ebenso bei der FDP. Schon bei der Wahl Kemmerichs gab es eine Enthaltung und zwei Stimmen für Ramelow aus diesem Lager. Bei einer geschlossenen Enthaltung wäre die Wahl Ramelows zum Regierungschef zumindest in einem dritten Wahlgang gesichert, bei der laut Verfassung "die meisten Stimmen" reichen, also keine absolute Mehrheit mehr notwendig ist.
Was ist, wenn die AfD für Bodo Ramelow stimmt?
AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland hatte der Thüringer AfD-Fraktion vorgeschlagen, "das nächste Mal Herrn Ramelow zu wählen, um ihn sicher zu verhindern - denn er dürfte das Amt dann auch nicht annehmen". Würde die AfD im ersten Wahlgang für Ramelow stimmen und würden sich CDU und FDP enthalten, wäre der Linke mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt. Auch Kemmerich wurde dank der Unterstützung der AfD ins Amt gewählt. Dennoch macht es einen Unterschied, weil Ramelow sich im dritten Wahlgang auch ohne die AfD wählen lassen könnte, also nicht wie Kemmerich auf die Stimmen der Rechten angewiesen wäre. Die AfD in Thüringen erteilte Gaulands Vorschlag ohnehin bereits eine Absage. Vertrauen möchte man in Erfurt nach der letzten Erfahrung auf die Versprechen der AfD allerdings nicht.
Wie sieht es mit einem anderen Kandidaten aus?
Der FDP-Chef Christian Lindner brachte zunächst einen Übergangsregierungschef etwa aus den Reihen von SPD oder Grünen ins Spiel. Auch CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer hatte die beiden Parteien noch vor ihrer Rückzugsankündigung in die Pflicht genommen, einen Kompromisskandidaten vorzuschlagen. Mit dieser Lösung würde man umgehen, dass CDU und FDP für einen linken Ministerpräsidenten stimmen müssten. SPD und Grüne in Erfurt erteilten dem Vorschlag aber bereits eine Absage. Sie verweisen auf das Wählervotum in Thüringen, bei dem die Linke mit Abstand am stärksten abschnitt. Die große Mehrheit der Thüringer ist laut Umfragen dafür, dass Bodo Ramelow Ministerpräsident bleibt - oder besser gesagt: eben wieder wird.
Am Dienstag versuchte Lindner es mit einem neuen Vorschlag: Im "Tagesspiegel" brachte er den Thüringer Verfassungsgerichtspräsidenten Stefan Kaufmann als Übergangsregierungschef ins Spiel. Kaufmann komme "analog zum Modell Österreich" infrage, sagte Lindner. Nach der Ibiza-Affäre war die Präsidentin des österreichischen Verfassungsgerichtshofs, Brigitte Bierlein, zur Interimskanzlerin ernannt worden.
Wie sieht es mit Neuwahlen aus?
Vor allem die CDU hat kein Interesse an Neuwahlen. Ein Blick in die jüngste Umfrage verrät warum: Der Union droht der Absturz. Die FDP müsste gar befürchten, aus dem Landtag zu fliegen. Aber auch die anderen Parteien reagieren zurückhaltend auf die Neuwahlrufe, die vor allem aus Berlin kommen. Allerdings könnte ein erneutes Votum der Bevölkerung zumindest für klare Verhältnisse im Parlament sorgen. Glaubt man den Demoskopen, hätte Rot-Rot-Grün die Chance auf eine satte Mehrheit und wäre nicht mehr auf CDU und FDP angewiesen.
Der Weg zu Neuwahlen wäre aber kein einfacher: Ein Drittel der Abgeordneten müsste diese beantragen, zwei Drittel dafür stimmen. Dann sieht die Verfassung eine Neuwahl binnen 70 Tagen vor. Sondierungen, Koalitionsverhandlungen, Ministerpräsidentenwahl - bis eine Regierung stünde, verginge viel Zeit. Und dann ist da auch noch die Kostenfrage: Wahlkampf ist teuer, die Kassen der Parteien sind aber leer.
Und selbst wenn es am Ende auf Neuwahlen hinausläuft: Da es derzeit mit dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Kemmerich keine richtige Regierung in Thüringen gibt, wollen Linke, SPD und Grüne so oder so erst einmal einen neuen Ministerpräsidenten wählen, der dann vorübergehend im Amt bliebe. Sonst, so die Sorge, droht Thüringen ein mehrmonatiger Stillstand.
Was ist nun der nächste Schritt?
Am kommenden Montag, 17. Februar, wollen sich Vertreter von Rot-Rot-Grün mit der CDU treffen. Dabei soll es um die Wahl des Ministerpräsidenten und die Planung des Haushalts gehen. Der noch amtierende CDU-Fraktionsvorsitzende Mike Mohring soll ausdrücklich nicht an der Sitzung teilnehmen. Mohring will im Mai sein Amt zur Verfügung stellen. Am Montag machte er den Vorschlag, eine große Basiskonferenz seiner Partei einzuberufen, um die Mitglieder über die Lage im Land und seiner Partei diskutieren zu lassen.