- • Ukraine: Timoschenkos Hasstiraden alarmieren Bundesregierung
- • Ukraine: Timoschenko kandidiert für Präsidentenamt
Ukrainische Politikerin Timoschenko: Nach Hasstiraden in Erklärungsnot
Foto: Facundo Arrizabalaga/ dpaBerlin - Das öffentliche Bild von Julija Timoschenko hat sich vom Image einer Hoffnungsträgerin zu dem einer unberechenbaren Problempolitikerin gewandelt. Jüngster Auslöser ist ein abgehörtes Telefonat der ukrainischen Ex-Regierungschefin. Seit Mittwoch sorgt der Mitschnitt, in dem Timoschenko mit unflätigen Worten Todesdrohungen gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin ausstößt, für Aufregung. Die Bundesregierung hatte den Vorfall scharf kritisiert.
Die 54-Jährige lässt sich von der Welle des Protests bislang nicht beeindrucken. Am Donnerstag gab Timoschenko ihre Kandidatur für das Präsidentenamt in der Ukraine bekannt. Dort soll am 25. Mai gewählt werden. "Ich habe vor, für den Präsidentenposten zu kandidieren", sagte sie in Kiew.
Doch ihre politischen Karrierepläne stoßen, gerade vor dem Hintergrund der Verbalattacke, auf Widerstand. Am Donnerstag meldete sich Parlamentspräsident Norbert Lammert zum Fall Timoschenko zu Wort. "Die Äußerungen von Frau Timoschenko sind indiskutabel", sagte Lammert SPIEGEL ONLINE. "Sie bestätigen die Vermutung, dass sie für die politische Führung der Ukraine ebenso wenig geeignet ist wie der aus dem Präsidentenamt getriebene Wiktor Janukowitsch", fügte der Bundestagspräsident hinzu.
Indirekt warf Lammert Timoschenko vor, sie würde dem Land Schaden zufügen. Ihre Äußerungen seien vor allem "mit Blick auf die notwendige innere Befriedung des Landes als auch mit Blick auf die Reputation und Akzeptanz, die für die Vertretung des Landes nach außen und gerade im Verhältnis zu Russland erforderlich ist" problematisch, so Lammert weiter.
Chancen auf ein Comeback?
Timoschenko war bereits zweimal Regierungschefin in ihrem Land. Zuletzt trat sie 2010 bei der Präsidentenwahl an. Damals unterlag sie knapp ihrem Rivalen Wiktor Janukowitsch. Nach dessen Amtsantritt wurde Timoschenko festgenommen und wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt. Im Zuge des Umsturzes in der Ukraine wurde Timoschenko aus der Haft entlassen und vor kurzem wegen eines Rückenleidens in der Berliner Charité medizinisch behandelt.
In jüngsten Umfragen zur Präsidentschaftswahl liegt Timoschenko nur bei rund zehn Prozent. Damit liegt sie gleichauf mit Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko, aber weit abgeschlagen hinter dem Milliardär Pjotr Poroschenko. Beobachter in der Ukraine halten es aber für möglich, dass Timoschenko noch aufholen kann.
In dem abgehörten Telefonat, das auf YouTube veröffentlicht wurde, hatte Timoschenko gesagt: "Ich bin selbst bereit, eine Kalaschnikow in die Hand zu nehmen und dem Dreckskerl in den Kopf zu schießen." Timoschenko bestätigte die Echtheit des brisanten Telefonats, bezeichnete Teile der Aussagen aber als manipuliert.
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Wüste Pöbeleien gegen Wladimir Putin: In einem abgehörten Telefonat giftet Julija Timoschenko über den russischen Präsidenten, sie sei bereit, "diesem Drecksack in die Stirn zu schießen". Auch in Deutschland wurden ihre Entgleisungen registriert - mit Sorge.
Von "Grenzen in Sprache und Denken, die nicht überschritten werden dürfen", sprach Kanzlerin Angela Merkel (hier im Juni 2013 mit Putin) in einer ersten Reaktion. Und dann noch: Solche "Gewaltphantasien sind jenseits dieser Grenzen". Insgesamt wurden Timoschenkos Tiraden auf breiter Front kritisiert.
Ihr Fall hatte weltweit für Aufsehen gesorgt: Seit 2011 saß Timoschenko in einem Gefängnis in Charkow, rund 450 Kilometer östlich von Kiew, eine Haftstrafe wegen Amtsmissbrauchs ab. Erst durch die Umwälzungen in der Ukraine kam sie Ende Februar frei.
Prominenter Fall: Immer wieder gab es zuvor Initiativen, um Timoschenko aus der Haft zu holen. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mischte sich ein.
Dieser hatte die Ukraine im April 2013 wegen der Inhaftierung von Ex-Regierungschefin Timoschenko verurteilt: Die Untersuchungshaft der Oppositionspolitikerin im Jahr 2011 sei "willkürlich und rechtswidrig" gewesen.
Timoschenko hatte wegen der Haftbedingungen geklagt und wirft der Ukraine vor, das Strafverfahren gegen sie sei politisch motiviert gewesen. Sie verbüßt eine siebenjährige Hartstrafe wegen Amtsmissbrauchs und ist gesundheitlich schwer angeschlagen. Hier zeigt sie im März 2012 ein Hämatom am Bauch. Immer wieder hatte sie mit Hungerstreik gedroht - und einen solchen Ende 2013 auch zwölf Tage lang durchgehalten.
Ärzte der Berliner Charité hatten die inhaftierte Timoschenko wiederholt untersucht und behandelt. Die Politikerin plagt ein schweres Rückenleiden. Zuletzt wurde sie in Deutschland behandelt.
Zuvor trat die Politkerin jedoch vor einer begeisterten Menge auf dem Maidan in Kiew auf. Nun rechnet sie sich auch Chancen bei der Präsidentschaftswahl am 25. Mai aus.
Von "Grenzen in Sprache und Denken, die nicht überschritten werden dürfen", sprach Kanzlerin Angela Merkel (hier im Juni 2013 mit Putin) in einer ersten Reaktion. Und dann noch: Solche "Gewaltphantasien sind jenseits dieser Grenzen". Insgesamt wurden Timoschenkos Tiraden auf breiter Front kritisiert.
Foto: ALEXANDER DEMIANCHUK/ REUTERSMelden Sie sich an und diskutieren Sie mit
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