Hetzkampagne Dortmunder Neonazis verbreiten falsche Todesanzeigen

Falsche Todesanzeige: Versandhändler weist die Vorwürfe zurück
Dortmund - "Journalist Felix Huesmann", steht in dem schwarz umrandeten Feld, "in unseren Herzen lebst du auf keinen Fall weiter. Bald ist es Zeit zu gehen." Die falsche Todesanzeige, die seit einigen Tagen im Internet kursiert, ist offenbar Teil einer besonders perfiden Einschüchterungskampagne Dortmunder Neonazis. Auch andere engagierte Reporter der Stadt erhielten zuletzt ähnliche Botschaften.
"Es war schon ein komisches Gefühl und ich habe mich zweimal umgedreht, als ich abends das Haus verlassen habe", sagte der freie Journalist Huesmann SPIEGEL ONLINE. "Ich will mich aber auf keinen Fall einschüchtern lassen."
In einem Text für das Magazin "Vice" hat Huesmann die Drohungen aufgearbeitet, darin schreibt er: "Die Nazis gehen mit diesen Morddrohungen tief unter die Gürtellinie." Als Reaktion denke er darüber nach, die Extremisten bloßzustellen, ihren Alkohol- und Drogenmissbrauch zu thematisieren. Doch das sei eigentlich unnötig. Um Menschen zu entlarven, "die über die Ermordung Anne Franks lachen, reicht es vollkommen aus, sie als das zu bezeichnen, was sie sind: Nazis. Und das werde ich auch tun. Immer wieder."
Angriff auf die Pressefreiheit
Inzwischen zeigt sich jedoch auch der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) alarmiert und erklärt sich solidarisch mit den Betroffenen: "Die Hetze von Rechtsextremisten auf Journalisten ist ein Angriff auf die Pressefreiheit. Sie ist ein hohes Gut, das es zu schützen gilt", sagte Jäger SPIEGEL ONLINE. "Mit diesen Nazimethoden sollen Journalisten gezielt eingeschüchtert werden." Dagegen gehe die Dortmunder Polizei entschlossen vor, sagte der Minister.
Tatsächlich ermitteln Staatsschutz und Staatsanwaltschaft inzwischen gegen Unbekannt, doch als Drahtzieher der Kampagne gilt ihnen der Dortmunder Neonazi-Kader Michael Brück. Die Werbung seines Internetshops für Szene-Devotionalien war auf den Todesanzeigen aufgetaucht. Darüber werden unter anderem Mützen der rechtsextremen griechischen Partei "Goldene Morgenröte" und Reichskriegsflaggen vertrieben. Der Versandhändler weist die Vorwürfe zurück: Man habe mit den Anzeigen nichts zu tun.
Brück, ein zeitweiliger Jura-Student, gehört zum Führungszirkel der starken Dortmunder Neonaziszene und fungiert als Vize-Landeschef der "Rechten". Diese vor zwei Jahren gegründete Partei des Hamburger Neonazis Christian Worch mischte auch vor einigen Monaten in Köln mit, als Hooligans in der Innenstadt randalierten. Zu der Reisegruppe gehörten damals neben Siegfried Borchardt, genannt "SS-Siggi", "Rechte"-Vorsitzender in Dortmund und Ex-Stadtrat, auch Michael Brück.
"Die Rechte" gilt seit ihrer Gründung als Auffangbecken für verbotene Neonazi-Kameradschaften, ihre Verbindungen ins Milieu der Fußball-Hooligans sind unübersehbar. "Etliche Akteure der Partei 'Die Rechte' weisen eine Affinität zum Fußball auf", heißt es im aktuellen Verfassungsschutzbericht für NRW. Das gilt vor allem für Dortmund, wo der aktivste Kreisverband der Partei zu finden ist.
Das Strafregister einiger Funktionäre lässt erahnen, dass es den meisten nicht so sehr um Parteipolitik geht. Sie fühlen sich im rechtsradikalen Straßenkampf wohler, dem die Szene auch bei den Ausschreitungen in Köln nachgehen konnte. Im nordrhein-westfälischen Innenministerium denkt man daher schon länger darüber nach, "Die Rechte" im Land zu verbieten: Sie sei nur eine Alibi-Partei, für die das im Grundgesetz festgeschriebene Parteienprivileg nicht gelten dürfe.
Bezogen auf die aktuellen Drohungen gegen Journalisten in Dortmund sagte Innenminister Jäger, es sei "unerträglich", dass eine solche Gruppierung mit ihren antisemitischen und ausländerfeindlichen Ansichten in Stadträten vertreten sei. "'Die Rechte' bleibt im Visier der nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden. Wir werden alle rechtsstaatlichen Mittel nutzen, um gegen diesen braunen Mob vorzugehen", sagte Jäger.