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Afghanistan: Deutsche Soldaten sterben bei Taliban-Attacke

Foto: DPA / Bundeswehr

Tote Soldaten Koalitionspolitiker fordern nach Taliban-Attacke Gegenschlag

Der blutige Anschlag in Nordafghanistan befeuert die Diskussion um Auslandseinsätze der Bundeswehr: In der Koalition werden Forderungen laut, die Taliban mit einer Gegenoffensive zu schwächen. Zwei deutsche Soldaten wurden getötet, ein Kommandeur verletzt - eine Soldatin schwebt weiter in Lebensgefahr.

Berlin/Masar-i-Sharif - Zwei Tage nach dem tödlichen Taliban-Anschlag auf ein Treffen hochrangiger Sicherheitskräfte in Nordafghanistan ist die Diskussion um die Sicherheit bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr neu entfacht. Auch Forderungen nach einer neuen Offensive gegen die Taliban werden laut.

"Der Anschlag kann nicht ohne Folgen bleiben", sagte Unions-Verteidigungsexperte Ernst-Reinhard Beck (CDU). Nach einer solchen Attacke müsse "ein entsprechender Gegenschlag gegen die Taliban-Organisation in dieser Provinz" erfolgen. Er sprach von einer "Eskalation der Ereignisse im Regionalkommando Nord".

Ähnlich äußerte sich die FDP-Expertin Elke Hoff. "Die Brutalität wird in den nächsten Monaten noch zunehmen", prognostizierte sie. Auch Hoff forderte stärkere Kontrollen der afghanischen Sicherheitskräfte.

Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus forderte einen besseren Schutz der deutschen Soldaten. Es müsse besser kontrolliert werden, "ob in jeder afghanischen Uniform ein vertrauenswürdiger Partner steckt", sagte er am Sonntag.

Soldatin weiter in Lebensgefahr

Zum zweiten Mal binnen weniger Tage waren Bundeswehrsoldaten in Afghanistan bei einem Anschlag getötet worden. Ein als Polizist getarnter Selbstmordattentäter hatte sich am Samstag Zugang zu einem hochrangig besetzten Treffen verschafft. Ein 43 Jahre alter Major und ein 31-jähriger Hauptfeldwebel starben nach Angaben des Einsatzführungskommandos in Potsdam.

Fünf weitere Deutsche wurden verletzt, darunter auch General Markus Kneip, der im Norden Afghanistans die internationalen Schutztruppen führt. Zu dem Angriff bekannten sich die Taliban. Erst am Mittwoch starb dort ein deutscher Soldat bei einem Angriff auf eine Patrouille der Bundeswehr.

Im Laufe des Tages sollen die Leichen der getöteten Bundeswehrsoldaten am Montag in die Heimat geflogen werden. Eine Soldatin befand sich am Sonntag noch in Lebensgefahr. Ihr Zustand sei "kritisch", sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, reiste spontan an den Hindukusch. Wieker traf am Sonntagmorgen in Masar-i-Scharif, dem größten Feldlager der Bundeswehr in Afghanistan, ein. Zusammen mit dem Isaf-Oberkommandierenden, dem US-General David Petraeus, stattete Wieker dem verletzten Kneip einem Besuch im Feldlazarett ab.

Nach Aussagen des ebenfalls verletzten Gouverneurs der Provinz Takhar, Abdul Jabar Taqwa, war vermutlich der nordafghanische Polizeichef Daud das eigentliche Ziel der Attacke. Unmittelbar vor dem Treffen in Talokan gab es Warnungen der Geheimdienste über einen drohenden Selbstmordanschlag der Taliban in der Provinzhauptstadt.

Mit dem jüngsten Anschlag stieg die Zahl der in Afghanistan ums Leben gekommenen Bundeswehrsoldaten auf 50. Von ihnen starben 32 bei Gefechten oder Anschlägen.

Die Provinz Takhar galt einst als friedlich. Es gibt dort keine dauerhafte Basis ausländischer Truppen, das Gebiet wird stattdessen von deutschen Soldaten mit überwacht, die ihren Stützpunkt in der benachbarten Provinz Kunduz haben. Zuletzt hat aber auch in Takhar die Gewalt stark zugenommen.

Am "Partnering" soll nicht gerüttelt werden

Der afghanische Präsident Hamid Karzai sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine umfassende Untersuchung des Anschlages zu. Am Telefon habe Karzai der Kanzlerin noch einmal "die hohe Wertschätzung des afghanischen Volkes für das deutsche Engagement in seinem Land" zum Ausdruck gebracht, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Für die Bundesregierung steht die Afghanistanstrategie indes nicht infrage. Auch an der Zusammenarbeit mit den afghanischen Sicherheitskräften bei der Ausbildung will man festhalten. Obwohl der uniformierte Attentäter zu den Sicherheitskräften gehört haben soll, die die Konferenz schützen sollten, will die Bundesregierung bei dieser Strategie des sogenannten Partnerings bleiben. "Wenn wir die Sicherheit allmählich in afghanische Hände übergeben wollen, dann geht es nur so, dass wir es mit den Afghanen zusammen tun", sagte Verteidigungsminister Thomas de Maizière am Sonntag.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) bekräftigte bei einem Besuch im Golfstaat Oman, dass die afghanischen Sicherheitskräfte innerhalb der nächsten Wochen die Verantwortung in ersten Regionen übernehmen sollen. Gegen Ende des Jahres soll dann wie geplant der Abzug der ersten deutschen Soldaten beginnen.

Mehrere tote Zivilisten bei Nato-Angriff

Die Nato entschuldigte sich am Sonntag für einen Luftangriff, bei dem in der Nacht im Süden Afghanistans auch viele Kinder getötet worden waren - einer der schwersten Zwischenfälle dieser Art seit Monaten. "Ich entschuldige mich von ganzem Herzen bei den Familien und Freunden der Getöteten", sagte der Kommandeur der Internationalen Schutztruppe Isaf im Südwesten Afghanistans, der US-Generalmajor John Toolan, nach Berichten des US-Senders CNN.

Er bat die Afghanen um Vertrauen und forderte sie auf, die eigenen Sicherheitskräfte weiter zu unterstützen. Die Entschuldigung erfolge im Namen der Isaf und ihres Oberkommandierenden David Petraeus, sagte er.

Der Nato-Luftangriff dürfte den Unmut unter der afghanischen Bevölkerung weiter schüren. Präsident Karzai verurteilte den Angriff scharf und bezeichnete ihn als "schweren Fehler" und "Mord". Karzai forderte Armee und Regierung der USA in einer "letzten Warnung" auf, ihre "einseitigen und unsinnigen" Einsätze zu unterlassen.

Generalmajor Toolan zufolge kamen bei dem Angriff in der Provinz Helmand neun Zivilisten ums Leben. Laut CNN hatte die Isaf zuvor - ebenso wie die Provinzregierung - von zwölf getöteten Kindern und zwei Frauen gesprochen. Einen Grund für unterschiedlichen Angaben nannte Toolan nicht.

Bei einem weiteren Luftangriff im Nordosten Afghanistans wurden "versehentlich" 18 Zivilisten und 20 afghanische Polizisten getötet, wie Dschalamuddin Badr, Gouverneur der Provinz Nuristan, mitteilte. Bei dem Angriff von US-Kampfjets, der allerdings schon am Donnerstag erfolgte, seien 85 Taliban getötet worden.

Bombenanschlag in Helmand

Unterdessen sind bei einem Bombenanschlag im Süden Afghanistans nach Regierungsangaben vier Polizisten getötet worden. Sie waren gemeinsam mit Nato-Truppen auf Patrouille, als ihr Konvoi von der Explosion eines am Straßenrand versteckten Sprengsatzes getroffen wurde, wie das Innenministerium am Montag mitteilte. Der Anschlag ereignete sich am Sonntagabend im Bezirk Nad Ali in der Provinz Helmand, einer ehemaligen Hochburg der Taliban.

amz/Reuters/dpa/dapd
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