Hamburgs Transparenzportal Wahrheit online - mit Schönheitsfehlern

Wie viel teurer wird die Elbphilharmonie? Was verdient der Chef der Wasserwerke? Wer Behördendeutsch spricht, wird im neuen Hamburger Transparenzportal fündig - ein Novum in einer deutschen Metropole. Doch noch gibt es Lücken.
Elbphilharmonie vernebelt: Hamburg hat sich mehr Transparenz verordnet

Elbphilharmonie vernebelt: Hamburg hat sich mehr Transparenz verordnet

Foto: Ulrich Perrey/ picture alliance / dpa

Hamburg - Eine Baugenehmigung für den "Abbruch Altbalkone und Errichtung einer neuen Balkonanlage" oder zur "Durchgängigkeit der Radstreifen" im Lessingtunnel - auf den ersten Blick wirkt das Transparenzportal der Stadt Hamburg kleinteilig, unübersichtlich, zäh.

Aktivisten feiern es dagegen als Durchbruch.

"Wir sind jetzt weg davon, dass Bürger auf der Suche nach Information bei der Stadt als Bittsteller stehen, und kommen hin zu einer proaktiven Veröffentlichung", sagt Gregor Hackmack, Mitinitiator der Initiative "Transparenz schafft Vertrauen". Heißt: Die Stadt muss - bis auf einige Ausnahmen - alle öffentlichen Pläne, Gutachten oder Senatsbeschlüsse veröffentlichen. Und eben nicht erst dann, wenn jemand fragt.

Seit Anfang Oktober ist das Transparenzportal  online - in Deutschland ein Novum. Lediglich in Bremen gibt es ein ähnliches Verzeichnisportal, es ist jedoch nicht verpflichtend.

Die gezielte Suche ist jedoch nicht ganz einfach, gefragt sind Behördendeutsch-Kenntnisse: Wer herausfinden will, wie viel etwa die Chefs von städtischen Einrichtungen verdienen, findet mit dem Begriff "Gehalt" nichts. Auch die Stichwörter "Geld" oder "Lohn" helfen nicht weiter. Erst die Suche nach "Vergütung" führt zum gewünschten Erfolg . Das seien "Kinderkrankheiten eines Pilotprojekts", erklärt Transparenz-Aktivist Manfred Redelfs, Leiter der Recherche-Abteilung von Greenpeace und bei der Journalistenorganisation Netzwerk Recherche für das Thema "Auskunftsrecht" zuständig.

Esso-Häuser und Flüchtlingsunterkünfte

Bei genauerem Hinschauen finden sich weitere umstrittene Themen: Unterlagen zu den Esso-Häusern etwa, Baupläne für Flüchtlingsunterkünfte oder zur Elbphilharmonie - hart umkämpfte Themen in der Hansestadt. Manche Passagen bleiben dort geschwärzt. Die Adresse der Esso-Häuser  etwa, obwohl doch jeder die Lage der inzwischen abgerissenen Hochhäuser im Stadtteil St. Pauli kannte. Aber eben auch das Prüfergebnis für die Instandsetzungskosten für jene Gebäude.

"Die Schwärzungen sind noch von großer Ängstlichkeit geprägt", sagt Redelfs. "Sie sind ein Spiegel der Haltung, die in manchen Bereichen der Verwaltung noch vorhanden ist." Unkenntlich gemachte Passagen sollen etwa personenbezogene Daten schützen, aber auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.

Prüfung des Nachweises über die wirtschaftliche Unzumutbarkeit: Einige Passagen bleiben schwarz

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Foto: SPIEGEL ONLINE

"Über Schwärzungen entscheidet die jeweilige veröffentlichungspflichtige Stelle in eigener Verantwortung", erklärt ein Sprecher der Justizbehörde. Mit personenbezogenen Daten werde sehr sensibel umgegangen. "Wo uns das Gesetz ausnahmsweise zwingt, personenbezogene Daten offenzulegen, sieht es vor, dass die betroffenen Bürger im Einzelfall zu unterrichten sind." Werde jemand mit seinen Einwänden nicht gehört, könne er den Datenschutzbeauftragten konsultieren oder klagen.

Gleiches gilt für Unternehmen und die Veröffentlichung von möglichen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen: Wenn ein Geschäftspartner ein "engeres Verständnis des Hamburger Transparenzgesetzes als die Stadt" habe, könne der Vertragspartner der Stadt seine Gesichtspunkte einbringen, so der Behördensprecher in Behördendeutsch. "Schwierigkeiten mit Schwärzungen sind uns nicht bekannt", ergänzt er.

Dennoch war das Thema ein Knackpunkt bei den Verhandlungen zum Gesetzentwurf. "Immerhin haben wir die neue Regelung so eng gefasst wie möglich", sagt Aktivist Hackmack. "Darunter darf nun zumindest nicht alles fallen, was Firmen oder Behörden gerne verheimlichen würden."

Suche nach dem Baum vorm Haus

Streitfälle gibt es bereits. Schon seit Februar vergangenen Jahres sträubt sich die mittelbare Staatsverwaltung, also etwa die Universität, der öffentlich-rechtliche Rundfunk oder die Handelskammer, dagegen, ihre Daten offenzulegen. "Juristische Haarspalterei", nennt das Recherche-Experte Redelfs, der auch diese Dokumente gern öffentlich sehen würde: "Vielleicht muss man diesem Wunsch noch etwas auf die Sprünge helfen."

Wo welche Straßenbäume stehen: Das Kataster wird am häufigsten aufgerufen

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Foto: geoportal-hamburg.de

Fernab von heiklen Themen zeigt sich, was die Bürger am meisten interessiert: der Baum vor der Haustür. Laut den Klickstatistiken der Stadt suchten im Oktober 1,8 Millionen Menschen die Seite auf. Spitzenreiter dabei ist das Straßenbaumkataster. Es zeigt etwa, dass der Baum vor der Tür der Autorin eine "Tilia vulgaris 'Pallida'", also eine Kaiser-Linde von 1953 ist, Stammumfang 160 cm, Höhe elf Meter. Diese Angaben sind rasch zu finden.

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