Sophie Garbe

Debatte über Transsexuellengesetz Farbe bekennen geht anders

Sophie Garbe
Ein Kommentar von Sophie Garbe
Die Union gibt sich seit Neuestem LSBTI*-freundlich. Doch ihre Haltung in der Debatte über das Transsexuellengesetz zeigt: Die Toleranz ist nur Fassade.
Regenbogenflagge

Regenbogenflagge

Foto: laverrue was here / Moment RF / Getty Images

Am 17. Mai, dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie, hisste die CDU eine Regenbogenflagge vor der Parteizentrale. Diskriminierung stelle man sich entschlossen entgegen, erklärte der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak dazu auf Twitter.

Auf den ersten Blick eigentlich ein schönes und wichtiges Zeichen: Die LSBTI*-Gemeinschaft als selbstverständlichen Teil der Gesellschaft anerkennen, auf Diskriminierung aufmerksam machen. Auf den zweiten Blick ist aber doch mindestens fraglich, ob es der CDU dabei nicht eher um schöne Symbole als echten Einsatz geht.

Dass die Union nicht unbedingt eine Vorreiterrolle in Sachen LSBTI*-Rechte hat, ist nichts Neues. Man könnte als Beleg etwa die strittigen Aussagen von CDU-Kandidat Friedrich Merz anführen, der Homosexualität und Pädophilie in Verbindung brachte. Oder die Abstimmung über die Ehe für alle im Sommer 2017: Damals stimmten 225 von 309 Unionsabgeordneten dagegen.

Ein hübsches Bild, das nicht der Realität entspricht

Nun könnte man auch sagen, dass seit dieser Entscheidung vier Jahre vergangen sind. Vier Jahre, in denen CDU/CSU zum Beispiel die Lesben- und Schwulenunion als offiziellen Parteiverband anerkannt haben. Vier Jahre, in denen sich die beiden Parteien verändert haben und mit ihnen vielleicht auch ihr Verhältnis zu LSBTI*-Themen.

Allerdings zeigt die aktuelle Debatte über das Transsexuellengesetz jedoch einmal mehr, warum eine Regenbogenfahnen schwenkende Union ein hübsches Bild ist – aber nicht der Realität entspricht.

Regenbogen-Tweet von Paul Ziemiak (CDU)

Regenbogen-Tweet von Paul Ziemiak (CDU)

Foto: Paul Ziemiak / Twitter

Das Transsexuellengesetz fordert von transidenten Personen, dass sie zwei psychiatrische Gutachten vorlegen und ihr Geschlecht von einem Gericht anerkennen lassen müssen, bevor sie ihren Vornamen und Geschlechtseintrag ändern dürfen. Diese Begutachtung ist teuer, dauert lange, und Betroffene beschreiben sie als entwürdigend, da sie pathologisiert werden und intimste Dinge über sich preisgeben müssen. Das Gesetz soll daher schon seit Langem erneuert werden.

Aber eine Reform durch die Große Koalition scheiterte. Die Verantwortung dafür tragen sicherlich beide Koalitionspartner. Aber gerade das Vorgehen der Union bei dem Thema offenbart das tief liegende Unbehagen, das die Partei bei diesen Debatten immer noch zu verspüren scheint – und das ein Werben mit den Farben der LSBTI*-Gemeinschaft doch eher bigott wirken lässt.

Eher befremdet als versiert

So warnte die Union in der Debatte über eine Reform etwa, dass ein zu liberaler Zugang zur Änderung des Personenstandes zum Missbrauch dieser Regelung führen könnte, also dass Menschen unbedarft hin- und herwechseln oder eine Änderung zum persönlichen Vorteil vornehmen. Empirische Evidenz gibt es dafür nicht. In einem Gutachten des Instituts für Menschenrechte zu dem Thema heißt es etwa, »dass sich Befürchtungen wiederholter Wechsel oder Missbrauchsfälle bislang als unbegründet erwiesen haben, wie Studien und Erfahrungen in anderen Ländern ... zeigen.«

Als weiteres Argument wurde von Unionsabgeordneten angeführt, dass man gerade junge Menschen vor nicht mehr rückgängig zu machenden, medizinischen Eingriffen schützen müsste. Bei einer Reform des Transsexuellengesetzes, das vor allem die Änderung des Vornamens und Geschlechtseintrages regelt, geht eine solche Argumentation jedoch am Thema vorbei.

Natürlich kann man darüber diskutieren, ob es vor der Änderung des Personenstandes eine Beratung geben sollte. Und natürlich kann man auch darüber streiten, welche Folgen sich aus so einer Gesetzesänderung ergeben könnten.

Aber der Umgang der Union mit dem Thema wirkt eher befremdet als versiert. Dem realen Leid von Betroffenen stellt sie hypothetische Szenarien gegenüber. Und sie bagatellisiert die Bedürfnisse von transidenten Menschen, indem sie eine Änderung des Personenstandes zum missbrauchsanfälligen Übel erklärt, statt den Schritt auch als das zu betrachten, was er für Betroffene ist: ein Befreiungsschlag.

Opportunismus statt Solidarität

Das zeigt: Zumindest für einen Teil der CDU/CSU ist die LSBTI*-Gemeinschaft offenbar immer noch etwas Exotisches. Man beäugt sie lieber aus sicherer Ferne, als sich mit ihr in einen Austausch auf Augenhöhe zu begeben und ihre Anliegen ernst zu nehmen. Das führt dazu, dass ein 40 Jahre altes, teilweise verfassungswidriges Gesetz nun weiter das Leben von transidenten Personen in Deutschland bestimmen wird.

Der Begriff »Pinkwashing« beschreibt genau das. Eine Organisation solidarisiert sich aus Imagegründen mit LSBTI*, ohne aber wirklich etwas für die Gemeinschaft zu tun – weil sie dann zumindest nach außen hin modern und fortschrittlich aussieht. So wirkt auch das Vorgehen der Union: Sie stellt die Regenbogenfahne vor das Haus, verriegelt dann jedoch schnell die Tür, wenn Betroffene anklopfen.

Aber wer sich mit bunten Farben schmückt, sollte auch die entsprechenden Inhalte liefern. Alles andere ist keine Solidarität, sondern politischer Opportunismus. Und das ist vor allem für die Betroffenen enorm bitter.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren