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Ströbele-Besuch in Moskau Bundesregierung will mit Snowden sprechen

Das Treffen des Grünen-Politikers Ströbele mit Snowden zeigt Wirkung: Nach Wochen des Mauerns deutet Innenminister Friedrich an, dass die Bundesregierung mit dem US-Informanten sprechen könnte. Eine Deutschland-Reise des Ex-NSA-Mitarbeiters ist aber unwahrscheinlich.

Berlin - Die Bundesregierung hat dem ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden nach seinem Treffen mit dem Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele in Moskau ihre Gesprächsbereitschaft signalisiert. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte am Freitag in Berlin: "Wir werden Möglichkeiten finden, wenn Herr Snowden bereit ist, mit deutschen Stellen zu sprechen, dass auch dieses Gespräch möglich ist." Wer genau ein solches Gespräch führen sollte, ließ er offen.

"Wenn die Botschaft heißt, Herr Snowden will uns Informationen geben, dann nehmen wir das gerne auf", sagte Friedrich: "Jede Aufklärung, alles, was wir an Informationen und Fakten bekommen können, ist gut." Die Bundesregierung sei dankbar für alle Informationen, "egal ob durch Herrn Ströbele oder Briefe oder sonstwas", sagte der CSU-Politiker. Die demonstrative Gesprächsbereitschaft ist bemerkenswert: Bisher hatte sich die Bundesregierung stets auf die Haltung zurückgezogen, eine Befragung Snowdens stehe derzeit nicht zur Debatte.

Der Grünen-Abgeordnete Ströbele hatte sich am Donnerstag in Moskau unter strenger Geheimhaltung mit Snowden getroffen. Dabei überreichte dieser dem Parlamentarier einen Brief an Kanzlerin Angela Merkel (CDU), den Bundestag und den Generalbundesanwalt. Details will Ströbele bei einer Pressekonferenz erläutern.

Bei dem Treffen in der russischen Hauptstadt ging es laut Ströbele vor allem um die Frage, unter welchen Bedingungen Snowden bei einer deutschen Staatsanwaltschaft oder einem Untersuchungsausschuss des Bundestags aussagen könnte. Der Ex-NSA-Mitarbeiter habe zu erkennen gegeben, dass er zu einer Aussage in Deutschland bereit sei. "Allerdings müssen die Umstände geklärt werden", sagte Ströbele.

Oppermann sorgt sich um deutsch-amerikanisches Verhältnis

Die SPD bekräftigte ihren Wunsch nach einer Zeugenaussage Snowdens. Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, der in den Koalitionsverhandlungen gemeinsam mit Minister Friedrich die Arbeitsgruppe Inneres und Recht leitet, schrieb auf Twitter: Wenn es eine Möglichkeit gebe, Snowden als Zeugen zu hören, ohne dass er dadurch in Gefahr komme und die Verhandlungen zwischen Deutschland und den USA "komplett zu ruinieren", sollte man sie nutzen.

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Ex-NSA-Mitarbeiter: Ströbele trifft Snowden in Moskau

Foto: TOBIAS SCHWARZ/ REUTERS

Der US-Botschafter in Deutschland, John B. Emerson, reagierte gelassen auf das Treffen Ströbeles mit Snowden. "Es ist das Recht jedes Bundestagsabgeordneten zu reisen, sich mit Leuten zu treffen und mit ihnen zu sprechen", sagte Emerson im ZDF-"Morgenmagazin". Offen ließ Emerson, wie die USA im Fall einer Aussage Snowdens vor einem Untersuchungsausschuss reagieren würden. "Wenn es passiert, werden wir damit umgehen." Das liege jedoch noch in ferner Zukunft und sei eine hypothetische Situation.

Snowdens Anwalt hält Deutschland-Reise für unmöglich

Nach Angaben des Bundesjustizministeriums hat die US-Regierung bereits vorsorglich ein Auslieferungsersuchen nach Deutschland übersandt. Laut einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags könnte Deutschland Snowden freies Geleit zusichern. Snowden gilt seit Entzug seines US-Passes als staatenlos. Ein Aufenthaltstitel könne ihm nicht nur aus völkerrechtlichen und humanitären Gründen ausgestellt werden, sondern auch zur "Wahrung politischer Interessen" der Bundesrepublik.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar forderte die deutschen Behörden auf, Snowden zu helfen. "Er hat Gutes geleistet", sagte Schaar dem MDR. "Wir haben auch einen moralischen Anspruch, ihn zu schützen." Sollte es einen Untersuchungsausschuss geben, müsse man ihm "ein Umfeld gestatten, in dem er sicher vor Auslieferung in die Vereinigten Staaten diese Erkenntnisse preisgeben kann".

Snowdens Anwalt bekräftigte am Freitag, dass der Ex-NSA-Mitarbeiter von deutschen Vertretern nur in Russland befragt werden kann. Snowden werde das Land nicht verlassen, das ihm Asyl gewährt hat, sagte Anwalt Anatoli Kutscherena dem Radiosender Moskauer Echo. Er könne aber "im Rahmen internationaler Vereinbarungen in Russland aussagen", wenn deutsche Stellen dies wünschten. Bereits am Donnerstag hatte der Jurist betont: "Er kann nirgendwohin ins Ausland reisen, sonst verliert er seinen gegenwärtigen Status."

Russland gewährte Snowden im Sommer für ein Jahr politisches Asyl - und schützt ihn damit vorerst vor der Strafverfolgung durch die US-Justiz. Diese sucht ihn per Haftbefehl und wirft ihm Landesverrat vor.

Alternativ zu einer Deutschland-Reise könnte Snowden auch in seinem russischen Asyl Aussagen machen. Vertreter der Bundesgeneralstaatsanwaltschaft könnten schriftlich Fragen stellen oder den 30-Jährigen persönlich in Russland treffen, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf nicht näher benannte Kreise, die mit der Lage vertraut seien. "Eine Ausreise Snowdens aus Russland ist praktisch ausgeschlossen. In diesem Fall verliert er seinen Flüchtlingsstatus", zitierte die Agentur ihre Quelle.

phw/heb/Reuters/dpa/AFP
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