Triell ums Kanzleramt Zwei greifen an, einer hört zu

Die drei Kanzlerkandidaten treffen in der ersten großen TV-Debatte aufeinander. Annalena Baerbock und Armin Laschet mühen sich um Offensive, Olaf Scholz hält sich zurück. Wessen Taktik geht auf?
Laschet, Baerbock, Scholz: Debatte auf großer Bühne.

Laschet, Baerbock, Scholz: Debatte auf großer Bühne.

Foto: -- / dpa

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Am Ende hat – natürlich – jeder gewonnen: Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz haben ihre Unterstützer in ein VIP-Zelt eingeladen, einen Steinwurf von jenem Studio in Berlin-Adlershof entfernt, wo sie eben bei RTL und n-tv im ersten großen TV-Triell aufeinandergetroffen sind. Und dort feiert nun jedes Grüppchen den eigenen Kandidaten beziehungsweise die eigene Kandidatin.

Das gehört nach den 110 Minuten vor laufenden Kameras zum Spiel, über den wahren Sieger sagt es allerdings nichts aus.

Gibt es den überhaupt an diesem Abend?

Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock und ihre Konkurrenten von Union und SPD, Laschet und Scholz, haben fast zwei Stunden über Afghanistan, Corona, Klima, Sozialpolitik, innere Sicherheit und die Ungleichheit zwischen Ost und West diskutiert. Am Ende durfte jeder von ihnen noch eine rund einminütige Bewerbungserklärung an die Zuschauerinnen und Zuschauer richten.

Was danach hängen bleibt: Scholz, dessen persönliche Werte inzwischen weit vor denen der anderen liegen und dessen Partei die Union inzwischen in manchen Umfragen auf Platz zwei verdrängt hat, trat am zurückhaltendsten auf – als ob er glaubte, sich auf seinem Vorsprung ausruhen zu können. Aber reicht das?

Die Grünen-Bewerberin und der Unionskandidat wiederum mussten Boden gut machen im ersten Triell, waren entsprechend angriffslustiger. Abgehängt hat sie Scholz, so viel kann man wohl sagen, an diesem Abend jedenfalls nicht.

Wer hat sich wie geschlagen? Was waren die zentralen Themen – und wo gerieten die Kontrahenten und die Kontrahentin besonders aneinander?

Die zentralen Botschaften

Armin Laschet gibt zu Beginn in außenpolitischen Fragen fast den Oppositionspolitiker, verweist darauf, dass lange klar war, dass die USA aus Afghanistan abziehen, spricht von einem »Desaster«, für den Westen insgesamt, aber auch für die Bundesregierung – was durchaus als harsche Kritik an der CDU-Kanzlerin zu verstehen ist.

Die weiteren zentralen Botschaften sind dann aber ganz auf Parteilinie. Inhaltlich macht er sich vor allem die Forderung stark, bloß keine Steuern zu erhöhen. Das schade der Wirtschaft und bringe sogar weniger Einnahmen. Laschet fordert mehr Videoüberwachung und wirft den beiden anderen vor, mit der Linken koalieren zu wollen, vor allem Scholz bekommt es an dieser Stelle ab.

In seinem einminütigen Schlussstatement kommt Laschet dann ohne einen einzigen Verweis auf Inhalte aus. Allen blase »der Wind der Veränderung ins Gesicht«, sein Angebot lautete: »Stabilität und Verlässlichkeit in schwierigen Zeiten.«

Annalena Baerbocks Botschaft setzt einmal mehr auf den Aufbruch: Zur Wahl stehe das Weiter-so der Groko, sagt sie im Schlussstatement und zeigt auf die beiden anderen, oder Veränderung, für die die Grünen stünden. Nur ihre Partei sei ernsthaft für Klimaschutz, diese Botschaft wiederholt sie in verschiedenen Variationen. Immer wieder kommt sie auch auf die Kinder zu sprechen – ein wiederkehrendes Motiv in ihrem Wahlkampf. Der programmatische Satz: Kitas sollten zu den schönsten Orten werden.

DER SPIEGEL

Olaf Scholz verabschiedet sich von den Zuschauerinnen und Zuschauern mit dem Versprechen, er wolle »Ihnen dienen« – Regierungserfahrung und Vertrauenswürdigkeit als zentrale Botschaft.

In seinem Kurzvortrag stellt er zwei Themen hervor: Löhne und Renten einerseits und Klimaschutz andererseits. In der Debatte über Klimapolitik reagiert Scholz aber auf den Vorwurf, die Politik gehe nicht weit genug, mit dem Hinweis auf »250 Jahre Industriegeschichte«. Gemessen daran sei der Plan zum Umstieg auf erneuerbare Energien sehr weitreichend. Aufbruch und Weiter-so, er will beides sein.

Alle drei vermeiden eine Vorhersage, wann die Coronapandemie vorbei sein wird. Laschet und Scholz schließen einen neuen Lockdown kategorisch aus, Baerbock aktuell auch. Sie betont immer wieder die Wichtigkeit von Impfungen und schließt für die Zukunft eine Impfpflicht für bestimmte Gruppen anders als die beiden Mitbewerber nicht aus.

Der heftigste Schlagabtausch

Vor allem Baerbock und Laschet geraten im Triell immer wieder aneinander – aber den heftigsten Schlagabtausch leisten sich gleich zu Beginn der Diskussion der CDU-Chef und der SPD-Kandidat: Laschet findet direkt scharfe Worte beim Thema Afghanistan. Als er vom »Desaster des Westens und der Bundesregierung« spricht, ist im Studio natürlich Vizekanzler Scholz gemeint.

Aber dann legt der Unionskandidat nach, attackiert den SPD-Finanzminister und dessen Partei direkt. Die Sozialdemokraten hätten die Beschaffung bewaffneter Drohnen aufgehalten, die die Bundeswehr auch für Einsätze wie in Afghanistan dringend brauche, sagt Laschet – und »da haben leider auch Sie, Herr Scholz, die Unterlagen nicht weitergegeben«.

Als dieser auf eine Entscheidung für deutsch-französische Drohnen verweist, sagt Laschet: »Herr Scholz, Sie dürfen jetzt die deutsche Öffentlichkeit nicht täuschen.« Die Reaktion des Vizekanzlers: Es sei »faktisch falsch«, was Laschet da behaupte.

Die größte Überraschung

Um Kanzlerin zu werden, muss Annalena Baerbock sich nach aktuellem Umfragestand vor allem von SPD-Kandidat Scholz distanzieren. Umso überraschender, dass sich die Grünen-Bewerberin an diesem Abend vor allem an Unionskandidat Laschet abarbeitet. Immer wieder attackiert sie den rechts von ihr stehenden CDU-Chef, ob bei Corona, der Klimapolitik oder Steuerfragen – nach links dagegen zu Scholz hält sie sich interessanterweise zurück.

Da wirkt es fast konsequent, dass der Sozialdemokrat später auf eine »gute freundschaftliche Kooperation« mit der Grünenpolitikerin verweist.

Der größte Patzer

Für die unangenehmen Momente sorgen an diesem Abend nicht die Kandidaten, sondern die Moderatoren. Den Block, in dem es um gegenderte Sprache geht, moderiert RTL-Mann Peter Kloeppel mit einem Verweis auf Coronaleugner an: »Viele Menschen schließen sich denen auch an, indem sie gar nicht unbedingt Querdenker sind, sondern sagen, wir können hier in unserem Land gar nicht mehr sagen, was wir eigentlich wollen.« Auf so eine Überleitung muss man erst einmal kommen.

Zum Einstieg wollen Kloeppel und Co-Moderatorin Pinar Atalay von Baerbock, Scholz und Laschet wissen, was die anderen schlechter könnten als sie. Alle drei wehren ab: Auf diesem Niveau wolle man keinen Wahlkampf machen. Und dann sieht sich Baerbock auch noch genötigt zu erklären, dass Gesetze der Bundestag macht und eine Kanzlerin oder ein Kanzler nicht sofort nach Vereidigung im Handstreich Maßnahmen in Kraft setzt.

Der lustigste Moment

Wirklich heiter wird es in der Runde nie. Da sorgt die Bitte der Moderatoren, doch einmal etwas Nettes über einen der Konkurrenten zu sagen, noch für den amüsantesten Moment des Abends: Scholz nennt Baerbock etwas ungelenk eine »sehr engagierte Politikerin«, Baerbock lobt Laschets rheinische Frohnatur.

Und dann fällt Laschet über Scholz als Erstes ein: »Er ist lange dabei.«

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