Trotz dritter Coronawelle Saarland schwenkt auf Öffnungskurs

Kinos, Theater, Fitnessstudios: Im Saarland dürfen von Dienstag an wieder zahlreiche Einrichtungen öffnen. Die Landesregierung will mehr Freiheiten für die Bürger – und ignoriert die Kritik der Kanzlerin.
Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU): »Es muss uns mehr einfallen, als nur zu schließen und zu beschränken«

Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU): »Es muss uns mehr einfallen, als nur zu schließen und zu beschränken«

Foto: Oliver Dietze / dpa

Von Dienstag an darf im Saarland an eine ganze Reihe von Einrichtungen wieder öffnen. Neben der Außengastronomie sind das Kinos, Theater, Konzerthäuser, Fitnessstudios und Tennishallen. Die Gäste und Besucher müssen allerdings einen negativen Schnelltest vorweisen, der nicht älter als 24 Stunden sein darf. Zudem können sich im Freien bis zu zehn Menschen treffen, auch am Biertisch, sofern sie negativ getestet worden sind.

Mit dem Öffnungskurs will die Landesregierung den Bürgern wieder mehr Freiheiten ermöglichen. »Es muss uns nach einem Jahr Pandemie mehr einfallen, als nur zu schließen und zu beschränken«, hatte Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) gesagt. Und: »Mit dem ›Saarland-Modell‹ soll keine Coronainfektion unentdeckt bleiben.« Denn je mehr getestet werde, desto mehr werde aufgedeckt.

In Cafés und Restaurants können etwa auf den Terrassen bis zu fünf Menschen aus zwei Haushalten Platz nehmen, wenn sie ihre Daten angeben und vorher einen Termin gebucht haben. Ein Test ist dafür nicht nötig. Sitzen mehr Menschen zusammen, braucht jeder einen negativen Test. Auch Kontaktsport wie Fußball ist nun wieder erlaubt – mit Testzettel.

Angelika Hießerich-Peter, stellvertretende Vorsitzende der Saar-FDP, sieht allerdings noch offene Fragen. »Nur wenige Testzentren sind auch am Wochenende geöffnet. Mit einem Test am Freitag ist also weder ein Theaterbesuch noch ein Besuch im Biergarten am Sonntag möglich«, sagte sie. »Eine Rückkehr zur Normalität ist nur möglich, wenn Impf- und Testangebote flächendeckend an allen sieben Tagen der Woche zur Verfügung stehen.«

»Mit der Salamitaktik verwirrt und verschreckt man die Leute nur.«

Markus Tressel, Grünenpolitiker aus dem Saarland

Noch deutlich kritischer äußerten sich andere saarländische Politiker. »Ich bin nur ungern Spielverderber«, schrieb am Donnerstag Peter Gillo (SPD), Direktor des Regionalverbands Saarbrücken, auf Facebook . »Bei stark steigenden Infektionszahlen halte ich es für zu riskant, jetzt im ganzen Saarland eine Öffnungsstrategie zu betreiben. So sympathisch mir das auch ist – das ist jetzt einfach nicht der richtige Zeitpunkt.«

»Mit der Salamitaktik verwirrt und verschreckt man am Ende die Leute mehr, als dass es tatsächlich irgendetwas hilft«, warnte auch Markus Tressel, Bundestagsabgeordneter der Grünen aus dem Saarland. »Es gibt weiter keinen verbindlichen Rahmen, ab wann eine Notbremse gezogen wird, an den sich auch die Landesregierung mal länger als fünf Minuten hält.« Alle Pläne und Ampelphasen seien kaum konkret greifbar, kritisierte Tressel; damit verunsichere man die Menschen und gebe auch Unternehmen keine Planungssicherheit.

Der Inzidenzwert im Saarland liegt nach offiziellen Angaben  derzeit bei 88, in manchen Teilen des Landes aber über 100. Wie es im Fall steigender Werte konkret weitergeht, dazu äußerte sich Regierungschef Tobias Hans in einem ZDF-Interview  recht vage: »Sie schließen nicht wieder, wenn die Inzidenzzahlen über 100 klettern. Zunächst gibt es dann eine erweiterte Testpflicht«, sagte er zur Gastronomie und anderen Unternehmen. »Lediglich wenn wir eine drohende Überlastung des Gesundheitssystems feststellen – das ist kein Automatismus –, werden wir uns natürlich auch weiteren Lockdown-Maßnahmen nicht verschließen.«

Erst vor gut einer Woche hatte Kanzlerin Angela Merkel bei »Anne Will« die Ministerpräsidenten einiger Länder kritisiert und den Druck auf sie erhöht. »Es gibt mehrere Bundesländer, die eine sehr weite Interpretation haben«, sagte Merkel, als es um die vereinbarte »Notbremse« ging, die bei den derzeitigen Inzidenzwerten eigentlich überall härtere Coronaregeln verlangt. »Das erfüllt mich nicht mit Freude.«

Die Länder müssten nun das Notwendige tun, fordert sie. Geschehe dies nicht »in sehr absehbarer Zeit«, werde sie auch über bundeseinheitliche Regelungen nachdenken. Möglich sei etwa, so Merkel, »das Infektionsschutzgesetz noch mal anzupacken und ganz spezifisch zu sagen: Was muss in welchem Fall geschehen«. Soll heißen: Wenn die Länder nicht schnellstmöglich durchgreifen, reißt der Bund die Kontrolle an sich.

Inzwischen drängt Armin Laschet auf einen »Brücken-Lockdown«. Der CDU-Chef und nordrhein-westfälische Ministerpräsident sprach sich dafür aus, die für den 12. April geplante Ministerpräsidentenkonferenz auf diese Woche vorzuziehen. Ein harter und kurzer Lockdown im April solle die Phase überbrücken, bis die Inzidenzzahlen so niedrig seien, dass Tests und Nachverfolgungen tatsächlich funktionierten und viele Menschen geimpft seien, sagte Laschet am Ostermontag im Impfzentrum Aachen.

Welche Coronaregeln gelten jetzt wo? Hier finden Sie den Überblick über die Bundesländer und ihre aktuellen Vorschriften.

kha/dpa
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