Verkehrsminister Winfried Hermann: Ungeliebtes Bahnprojekt umsetzen
Foto: Michele Danze/ dpaStuttgart - Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sieht keinen Anlass für Rücktrittsgedanken - trotz des klaren Votums der Bevölkerung für das Bahnprojekt Stuttgart 21. Seine Aufgabe als Regierungsmitglied sei es nun nicht mehr, das Projekt zu verhindern, sondern es "konstruktiv und kritisch" zu begleiten, sagte er am Montag im ZDF-"Morgenmagazin".
Für Hermann ist die Volksabstimmung in Baden-Württemberg eine herbe Niederlage. Am Sonntag hatten 58,8 Prozent gegen den Ausstieg aus dem Projekt votiert. Der Grünen-Politiker ist ein ausgewiesener Gegner des umstrittenen Bahnprojekts, jahrelang kämpfte Hermann vehement gegen das Vorhaben. "Leicht ist es für mich nicht", räumte er am Montag ein. Einen Rücktritt lehnte der Minister aber entschieden ab.
Zu einem Volksentscheid gehöre, dass man ihn respektiere, sagte er. "Was kann diesem Projekt Besseres passieren als ein kritischer Minister?" Er und sein Haus seien sehr kundig, um der Bahn auf die Finger zu schauen. Im Deutschlandfunk gestand Hermann ein, dass die Grünen die Zahl der S21-Befürworter unterschätzt haben. "Wir haben gehofft, dass die Mehrheit für den Ausstieg ist."
Die Deutsche Bahn zeigte sich am Montag erleichtert über das Votum der Baden-Württemberger. Bahn-Chef Rüdiger Grube sprach in Berlin von einem sehr guten Ergebnis für das Land Baden-Württemberg, für die Stadt, die Region und ganz Deutschland.
Die Menschen im Südwesten hätten eine eindeutige Entscheidung getroffen. Es habe sich gezeigt, dass die Bürger verantwortungsvoll mit langfristig notwendigen Investitionsentscheidungen umgingen.
Respekt zollte Grube auch jenen, die gegen Stuttgart 21 gestimmt haben. Ihre Meinung sei der Bahn immer sehr wichtig gewesen. Die Bahn werde sich auch weiterhin dem Dialog mit den Bürgern stellen. Das Unternehmen wolle alles tun, um so schnell wie möglich und innerhalb der veranschlagten Kosten das Bahnprojekt zu realisieren. "Ab heute sollte es kein Gegeneinander mehr, sondern ein Miteinander der Befürworter und Gegner geben."
Kretschmann weist Rücktrittsforderungen gegen Hermann zurück
Ministerpräsident Winfried Kretschmann stellte sich bei einer Pressekonferenz am Montagmorgen in Stuttgart hinter seinen Verkehrsminister. Die Rücktrittsforderungen seien abwegig. "Das ist das Wesen der Demokratie, dass sich eine Regierung dem Votum des Volkes unterwerfen muss", sagte der Grünen-Politiker. Zuvor hatte sich sein rot-grünes Kabinett zu einer Sondersitzung getroffen.
Für die Grünen sei das Ergebnis eine "große Herausforderung", gab er zu. "Wir werden jetzt umschalten von ablehnend-kritisch auf konstruktiv-kritisch", kündigte Kretschmann an. Die Regierung sei für das ganze Volk verantwortlich und müsse sich nun um Versöhnung bemühen. "Wir werden dafür Sorge tragen, dass die Gräben zugeschüttet werden."
4,5 Milliarden Euro sind das "Ende der Fahnenstange"
Kretschmann betonte, dass es mit der Bahn nach wie vor bei der Kostenfrage "massive Differenzen" gebe. Die Obergrenze von 4,5 Milliarden Euro sei "das Ende der Fahnenstange", sage der Ministerpräsident. Es müsse klar sein, dass die Bahn die Kosten übernehme, wenn die Kosten diesen Deckel überstiegen.
Die Landesregierung will mit der Bahn zudem über den Ausbau weiterer wichtiger Infrastrukturprojekte sprechen. Kretschmann und Finanzminister Nils Schmid (SPD) kündigten für Anfang kommenden Jahres einen Bahngipfel an. Dort soll über den Fortgang wichtiger Schienenprojekte gesprochen werden. Dazu gehöre etwa der Ausbau der Rheinthalbahn, der Südbahn und der Gäubahn.
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Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann (Grüne): Stuttgart 21 darf gebaut werden, die Gegner des Bahnprojekts...
...sind gescheitert. Die Mehrheit der Baden-Württemberger stimmte am Sonntag dafür, den Bahnhof der Landeshauptstadt unter die Erde zu verlegen.
Bei der Volksabstimmung votierten nur 41,2 Prozent für ein Ende des Bauprojekts. Für S21 sprachen sich 58,8 Prozent der Wähler aus.
Dementsprechend groß war der Jubel bei den S21-Befürwortern - hier im Stuttgarter Landtag.
Im Stuttgarter Ratskeller versammelten sich S21-Befürworter, um das Ergebnis des Referendums zu feiern.
Auch diese Herren freuen sich sichtlich über das Ergebnis der Abstimmung: Peter Hauk, Fraktionsvorsitzender der CDU im baden-württembergischen Landtag, gemeinsam mit dem Sprecher des Projekts, Wolfgang Dietrich, und dem Stuttgarter Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU)
Ganz anders sah Ministerpräsident Winfried Kretschmann aus. Kurz nach Bekanntgabe der ersten Ergebnisse gestand der Grünen-Politiker und S21-Gegner die Niederlage ein. Für ihn persönlich sei dies eine "harte Entscheidung". Er werde das Votum jedoch akzeptieren.
Luftaufnahme des Stuttgarter Hauptbahnhofs: Rund sechs Milliarden Euro soll der Umbau nach Angaben der Bahn kosten - dies ist einer der größten Kritikpunkte der S21-Gegner. Ein Sprecher der Bahn zeigte sich am Sonntagabend optimistisch: Ziel sei es, den neuen Tiefbahnhof im November 2019 in Betrieb zu nehmen.
Winfried Kretschmann bei der Stimmabgabe in Laiz: Der grüne Ministerpräsident warb für eine Abstimmung gegen Stuttgart 21.
Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid war gemeinsam mit seiner Frau Tülay zur Stimmabgabe gekommen. Die Sozialdemokraten unterstützen das Milliardenprojekt.
Im Gegensatz zum grünen Verkehrsminister Baden-Württembergs, Winfried Hermann: Er setzt sich seit Monaten gegen das Bahnprojekt ein - und kam am Sonntag mit dem Fahrrad zum Wahllokal.
Hermann bei der Stimmabgabe am Sonntag. Im Vorfeld hatte der Grünen-Politiker sich optimistisch gezeigt: "Ich glaube, wir schaffen es." Die Kampagne der S21-Gegner habe "die ganze Republik" verändert.
Nach Verkündung der Ergebnisse wurde dieser Optimismus gedämpft. Ministerpräsident Kretschmann stellte sich hinter seinen Verkehrsminister - und wies Forderungen, Hermann solle die Verantwortung für das S21-Projekt abgeben, zurück. "Ich wüsste nicht warum", sagte Kretschmann.
Insgesamt waren 7,6 Millionen Baden-Württemberger zur Abstimmung über Stuttgart 21 aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag bei 48,3 Prozent.
Im Vorfeld der Wahl wurden die komplizierten Stimmzettel kritisiert. Wer gegen den Bau des neuen Bahnhofs ist, musste auf dem Wahlzettel "Ja" ankreuzen: "Ja zum Ausstieg".
Weiterer Kritikpunkt war das notwendige Quorum: Laut Verfassung hätte ein Drittel der Wahlberechtigen - also rund 2,5 Millionen Menschen - für das Ausstiegsgesetz der Landesregierung und damit gegen S21 stimmen müssen.
Protest in Stuttgart: Bis zuletzt versuchten die Bahnhofsgegner, gegen das Milliardenprojekt zu mobilisieren. Am Samstag kamen Tausende zu einer Kundgebung vor dem Hauptbahnhof zusammen.
Und auch den Tag der Volksabstimmung selbst nutzten die S21-Gegner noch einmal, um - wie hier in voller Montur - gegen das Projekt zu demonstrieren.
Dabei zeigten die Protestler in Baden-Württemberg zum Teil auch Humor - hier beispielsweise gegen Bahn-Chef Rüdiger Grube gerichtet.
Kretschmann mit Grünen-Chefs Roth und Özdemir: Am Samstag wetterten die Politiker auf ihrem Parteitag in Kiel gegen Stuttgart 21. Während die Grünen- Führungskräfte in Kiel tagten,...
...nutzte der baden-württembergische Verkehrsminister Hermann eine der letzten Möglichkeiten, um vor der Volksabstimmung gegen das Bahnprojekt mobil zu machen. Hier spricht er vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof zu Tausenden Demonstranten.
Nach Verkündung der Ergebnisse wurde dieser Optimismus gedämpft. Ministerpräsident Kretschmann stellte sich hinter seinen Verkehrsminister - und wies Forderungen, Hermann solle die Verantwortung für das S21-Projekt abgeben, zurück. "Ich wüsste nicht warum", sagte Kretschmann.
Foto: Michele Danze/ dpaMelden Sie sich an und diskutieren Sie mit
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