Botschafter-Eklat in der Türkei Bundesregierung reagiert »mit Unverständnis« auf Aussagen Erdoğans

Der türkische Präsident Erdoğan hat zehn Botschafter zu »unerwünschten Personen« erklärt, darunter auch den Vertreter Deutschlands. Die Bundesregierung zeigt sich besorgt und berät über mögliche Reaktionen.
Türkischer Staatspräsident Erdoğan: Wirtschaftspolitische Schwierigkeiten

Türkischer Staatspräsident Erdoğan: Wirtschaftspolitische Schwierigkeiten

Foto: Francisco Seco / AP

Die Bundesregierung hat verstimmt auf die Drohung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan reagiert, den deutschen Botschafter und Diplomaten weiterer Länder zu unerwünschten Personen zu erklären. Diese Aussagen nehme die Regierung »mit Sorge zur Kenntnis und auch mit Unverständnis«, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Er betonte ebenso wie eine Sprecherin des Auswärtigen Amts, dass bisher keine formale Mitteilung der Türkei in dieser Sache eingetroffen sei.

Mitte Oktober besuchte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Kurz danach kam es zum Konflikt

Mitte Oktober besuchte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Kurz danach kam es zum Konflikt

Foto: MURAD SEZER / REUTERS

Erdoğan hatte am Samstag gesagt, er habe das türkische Außenministerium angewiesen, die Botschafter von insgesamt zehn Staaten zu »personae non gratae« zu erklären. Betroffen sind unter anderem Deutschland, Frankreich und die USA.

Auf diese Einstufung folgt in der internationalen Diplomatie in der Regel die Ausweisung. Ob es wirklich dazu kommt, wird sich wahrscheinlich am heutigen Montag entscheiden. Dann tagt in Ankara das türkische Kabinett.

Die Botschafter hatten Anfang der Woche in einem gemeinsamen Appell die Freilassung des Menschenrechtsaktivisten und Kulturmäzen Osman Kavala  gefordert. Das rief den Zorn der türkischen Regierung hervor. Als Reaktion auf den Appell hatte die Türkei die Botschafter einbestellt und mit deren Ausweisung gedroht. Die politische Führung in Ankara bezeichnete den Aufruf der Länder zur Freilassung Kavalas als inakzeptabel.

Foto:

AP

Osman Kavala, geboren 1957 in Paris, ist ein türkischer Unternehmer und Philanthrop. Er hat in Manchester Wirtschaftswissenschaften studiert. Nach dem Tod seines Vaters übernahm er 1982 den Mischkonzern Kavala Companies. Seit 2002 kümmert er sich vor allem um seine Stiftung Anadolu Kültür, die kulturelle Projekte unterstützt. Kavala gilt als der wichtigste Förderer der türkischen Zivilgesellschaft.

Erdoğan steht innenpolitisch so sehr unter Druck wie selten zuvor in seiner Laufbahn. Die türkische Wirtschaft befindet sich in einer massiven Krise, die Lira verliert immer mehr an Wert. Viele Beobachter deuten Erdoğans Drohungen gegen die Botschafter als Versuch, von der Krise abzulenken.

»Besonders schwerwiegende Maßnahme«

Sollte die Erklärung der Diplomaten zu unerwünschten Personen tatsächlich erfolgen, stünde dies im Widerspruch zu Tiefe und zur Bedeutung der deutsch-türkischen Beziehungen, sagte die Sprecherin des Auswärtigen Amts. Es würde auch nicht dem »Umgang unter Nato-Verbündeten« entsprechen. Sofern es dazu komme, werde sich Deutschland erneut mit den anderen betroffenen Ländern über die Reaktion beraten. Erste »intensive« Gespräche habe es am Wochenende dem Außenministerium zufolge bereits gegeben.

Über mögliche Schritte im Fall einer Ausweisung wollte die Sprecherin nicht spekulieren. Auch Seibert wollte sich dazu nicht äußern. Die Außenamtssprecherin wies darauf hin, dass die Erklärung zur unerwünschten Person eine »besonders schwerwiegende Maßnahme« in den diplomatischen Beziehungen sei. Sie komme daher glücklicherweise »nicht so häufig« vor.

lau/AFP
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